Der Streit ums Anrainerparken ist abgestellt
Die Instrumente liegen bereit: ein Schraubenzieher und mehrere Stanleymesser warten auf ihren Einsatz. Bis es dazu kommt, kann es aber noch lange dauern. „Der hier ist das Standard-Werkzeug“, sagt der Produktionsmitarbeiter und deutet auf das surrende Gerät in der Mitte des Raums: den Plotter. Mithilfe einer Kamera und einer Klinge schneidet dieser Rechtecke mit der Aufschrift Anwohnerparken 8./7. Bezirk lt. Amtsblatt Wien 41/2018 aus reflektierender Spezialfolie aus.
Es ist ein historisches Ereignis, das sich in diesem Moment in der Halle der Firma Ebinger in Liesing zuträgt. Mit der Produktion der 280 neuen Zusatztafeln zum Anwohnerparken für die Josefstadt geht etwas zu Ende, das fast schon Kultstatus erreicht hatte: der kuriose Kampf um die Öffnung der Anrainerparkplätze.
Der Streit entfachte vor fast vier Jahren und gipfelte in mehreren Protestmärschen und einer Bürgerbefragung. Und er hatte zur Folge, dass es in der Josefstadt seit dem Jahr 2018 keine Anrainerparkplätze gibt – obwohl sie den Bewohnern wegen der starken Auslastung der Stellplätze zustünden.
Budget freigegeben
Das liegt daran, dass sich die türkise Ex-Bezirkschefin Veronika Mickel-Göttfert bis zuletzt weigerte, die Reform des Anwohnerparkens (wonach neben den Bezirksbewohnern auch Handwerker, Sozial- und Paketdienste ihre Autos auf den rund 7.200 Anrainerparkplätzen abstellen dürfen) auf neuen Zusatztafeln auszuschildern.
Im Unterschied zu City-Vorsteher Markus Figl (ÖVP): Auch er hatte zunächst kein Budget für die Schilder freigegeben. Kurz vor der Wien-Wahl knickte er aber ein – und ließ sich sogar bei der Montage der neuen Taferl ablichten.
Mickel-Göttfert blieb hart. Bei der Wahl verlor sie die Josefstadt allerdings an die Grünen. Diese reservierten im Budget sogleich einen Posten für die neuen Zusatztafeln. Dieser Tage werden sie in Liesing angefertigt.
Für die Mitarbeiter der zuständigen Firma sind die Schilder – trotz ihrer komplexen Vorgeschichte – nichts Besonderes: „Man schaut gar nicht mehr, was da drauf ist“, sagt jener Mann, der die Folien-Zuschnitte auf die rohen Blechtafeln klebt.
„Aufkaschieren“ heißt das im Fachjargon. Damit dabei keine unschönen Blasen entstehen (wie man sie von so manch schlampig eingebundenem Schulbuch kennt), benutzt er eine Walze: Sie presst die Folie mit einem Druck von 5 Bar auf die Tafel. Dann kommt eine transparente Schutzfolie darüber: Pickerl und Beschmierungen können so leichter entfernt werden.
Ortsschilder ersetzt
An die 10.000 Schilder jährlich stellt die Firma Ebinger her – nach peniblen Vorgaben von der Behörde: Reflexionsgrad, Farbe, Größe und Schriftart sind genau vorgeschrieben. Darunter sind freilich nicht nur Zusatztafeln, sondern sämtliche andere Verkehrszeichen, die in Wien zu sehen sind: Das Liesinger Unternehmen ist in der Gegend Marktführer.
Das Lieblingsschild von Geschäftsleiter Wolfgang Hammer ist eines, das in Wien nur wenig Verwendung findet: das Gefahrenzeichen mit dem Hirsch, das für „Achtung Wildwechsel“ steht: „Das hat unser Seniorchef im Auftrag der Behörde designt.“
Auch die Ersatz-Ortsschilder für die Gemeinden St. Corona am Wechsel und Fugging (vormals Fucking), die unlängst Opfer von Ortstafel-Dieben wurden, hat man in Liesing nachgedruckt.
Neue Zonen beantragt
Die Zusatztaferl-Charge für die Josefstadt ist unterdessen fast fertig. In den kommenden drei Wochen werden die Schilder an die MA 28 (Straßenbau) geliefert und spätestens im März im Beisein des grünen Bezirkschefs Martin Fabisch montiert.
„Mit der längst fälligen Neuregelung des Anrainerparkens sorgen wir mit 700 neu beschilderten Stellplätzen endlich für Rechtssicherheit“, sagt er.
Für die Firma Ebinger ist das Kapitel Zusatztafeln damit noch nicht abgeschlossen: Der 1. Bezirk hat bei der Stadt eine Aufstockung der Anrainerparkplätze im Glacis beantragt. Und das Verkehrsressort prüft aktuell, ob der 16. und der 20. Bezirk Anwohnerparkplätze bekommen.
Der Plotter wird wohl also bald wieder surren.
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