Der ewige Streit um den Einsatz von Laienrichtern
Ein Mordverdächtiger, der drei Mal in derselben Sache vor Gericht steht. Berufsrichter, die das Urteil der Geschworenen für falsch erachten und es aussetzen: Es ist eine ungewöhnliche Geschichte, die am Mittwoch im Landesgericht St. Pölten endlich ein Ende genommen hat.
Eine Geschichte, die die Diskussion über Geschworene als Richter wieder neu entfacht. Denn ob es sinnvoll ist, dass juristische Laien über die schwersten Verbrechen entscheiden, ist seit Jahren ein Dauerthema in Justiz-Kreisen. Reformen werden seit Jahrzehnten angedacht. Passiert ist nichts.
„Was würden Sie tun?“
In Richterkreisen kennt man die Schwierigkeiten mit Laienrichtern. Oft seien Geschworene schlicht überfordert, würden etwa einen juristisch klaren Mordversuch als Körperverletzung einordnen, dann aber die Höchststrafe dafür aussprechen. „Absurd“, nennt das ein Berufsrichter. Immer wieder hört er die Frage: „Was würden Sie tun?“ Eine Frage, die die Sinnhaftigkeit des Systems ad absurdum führt.
Andere wiederum hätten Hemmungen, Schuldsprüche zu fällen – auch aus Angst vor Repressalien. Und wieder andere stolpern schon im Vorfeld über ihr Vorurteile. „Ich hatte einen Geschworenen, der sich noch vor dem Verfahren über eine konkrete Nationalität abschätzig geäußert hat. Den musste ich wieder heimschicken“, erinnert sich eine Richterin. Und es gibt auch Geschichten von Geschworenen, die offen zugeben, Besseres zu tun zu haben: „Heute ist ein Fußballspiel.“
Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgerichts für Strafsachen in Wien ist davon überzeugt, dass es einer Reform bedarf. „ „Ein großes Problem ist, dass Geschworene ihr Urteil nicht begründen müssen“, sagt er. Zudem handelt es sich oft um komplexe Fragestellungen, die Geschworene vor eine fast unlösbare Aufgabe stellen.
Forsthuber hat sich schon in der Vergangenheit immer wieder für die Einführung eines „großen Schöffengerichts“ ausgesprochen. Bedeutet: Laien würden gemeinsam mit Berufsrichtern ein Urteil fällen – so, wie es jetzt schon bei Schöffenverfahren der Fall ist. Also in Verfahren, bei denen die Strafdrohung deutlich geringer ist.
Aus dem Bauch heraus
Auch unter den Strafverteidigern sorgt das Thema immer wieder für Diskussionen. Vor einigen Jahren gab es deshalb sogar eine Abstimmung in der Vereinigung der österreichischen StrafverteidigerInnen - bei der sich schließlich eine deutliche Mehrheit gegen eine Abschaffung der Geschworenen-Gerichtsbarkeit aussprach. Präsident Manfred Ainedter vertritt da persönlich allerdings eine andere Meinung: „Geschworene sind völlig unberechenbar, sie entscheiden aus dem Bauch heraus – bei Fällen mit den höchsten Strafdrohungen.“ Auch er würde eine Mischung aus Laien- und Berufsrichtern begrüßen.
Wobei Richter sehr wohl erkennen, dass wortgewandte Strafverteidiger die Geschworenen-Gerichtsbarkeit für ihre Zwecke nutzen können. „Die guten Anwälte machen eine Show daraus. Die dringen zu den Geschworenen durch. Wer sich so einen Anwalt nicht leisten kann, hat möglicherweise ein Problem. Und da wären wir bald bei einer Zwei-Klassen-Justiz“, gibt einer zu bedenken.
Unterm Strich hängt die Entscheidung an der Politik – schließlich geht’s um einen Eingriff in die Verfassung.
Wer sie sind
Rund 8.000 Personen nehmen jährlich in Österreich als Laienrichter (Schöffen oder Geschworene) an Prozessen teil. Ausgewählt werden sie nach dem Zufallsprinzip. Sie müssen einige Voraussetzungen mitbringen: Sie benötigen die österreichische Staatsbürgerschaft, gute Deutsch-Kenntnisse, sind zwischen 25 und 65 Jahre alt und müssen unbescholten sein.
Wer nicht darf
Bundes- und Landespolitiker, Geistliche, Rechtsanwälte, Notare und Bewährungshelfer. Auch Polizisten und Justizwachebeamte sind nicht zugelassen.
Stimmen Sie einer Datenverarbeitung von Outbrain UK Ltd zu, um diesen Inhalt anzuzeigen.
Kommentare