„Was würden Sie tun?“
In Richterkreisen kennt man die Schwierigkeiten mit Laienrichtern. Oft seien Geschworene schlicht überfordert, würden etwa einen juristisch klaren Mordversuch als Körperverletzung einordnen, dann aber die Höchststrafe dafür aussprechen. „Absurd“, nennt das ein Berufsrichter. Immer wieder hört er die Frage: „Was würden Sie tun?“ Eine Frage, die die Sinnhaftigkeit des Systems ad absurdum führt.
Andere wiederum hätten Hemmungen, Schuldsprüche zu fällen – auch aus Angst vor Repressalien. Und wieder andere stolpern schon im Vorfeld über ihr Vorurteile. „Ich hatte einen Geschworenen, der sich noch vor dem Verfahren über eine konkrete Nationalität abschätzig geäußert hat. Den musste ich wieder heimschicken“, erinnert sich eine Richterin. Und es gibt auch Geschichten von Geschworenen, die offen zugeben, Besseres zu tun zu haben: „Heute ist ein Fußballspiel.“
Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgerichts für Strafsachen in Wien ist davon überzeugt, dass es einer Reform bedarf. „ „Ein großes Problem ist, dass Geschworene ihr Urteil nicht begründen müssen“, sagt er. Zudem handelt es sich oft um komplexe Fragestellungen, die Geschworene vor eine fast unlösbare Aufgabe stellen.
Forsthuber hat sich schon in der Vergangenheit immer wieder für die Einführung eines „großen Schöffengerichts“ ausgesprochen. Bedeutet: Laien würden gemeinsam mit Berufsrichtern ein Urteil fällen – so, wie es jetzt schon bei Schöffenverfahren der Fall ist. Also in Verfahren, bei denen die Strafdrohung deutlich geringer ist.
Aus dem Bauch heraus
Auch unter den Strafverteidigern sorgt das Thema immer wieder für Diskussionen. Vor einigen Jahren gab es deshalb sogar eine Abstimmung in der Vereinigung der österreichischen StrafverteidigerInnen - bei der sich schließlich eine deutliche Mehrheit gegen eine Abschaffung der Geschworenen-Gerichtsbarkeit aussprach. Präsident Manfred Ainedter vertritt da persönlich allerdings eine andere Meinung: „Geschworene sind völlig unberechenbar, sie entscheiden aus dem Bauch heraus – bei Fällen mit den höchsten Strafdrohungen.“ Auch er würde eine Mischung aus Laien- und Berufsrichtern begrüßen.
Wobei Richter sehr wohl erkennen, dass wortgewandte Strafverteidiger die Geschworenen-Gerichtsbarkeit für ihre Zwecke nutzen können. „Die guten Anwälte machen eine Show daraus. Die dringen zu den Geschworenen durch. Wer sich so einen Anwalt nicht leisten kann, hat möglicherweise ein Problem. Und da wären wir bald bei einer Zwei-Klassen-Justiz“, gibt einer zu bedenken.
Unterm Strich hängt die Entscheidung an der Politik – schließlich geht’s um einen Eingriff in die Verfassung.
Kommentare