NÖ: Justizgroteske nach Attacke an Ehefrau
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„Ich bereue. Es tut mir unheimlich leid, ich wollte meine Frau niemals ernsthaft verletzen.“ Bei seinem bereits dritten Prozess versuchte am Mittwoch ein 47-Jähriger am Landesgericht St. Pölten vor Geschworenen erneut zu beteuern, nicht in Mordabsicht mit einem Stein auf seine Frau eingeschlagen zu haben. In Handschellen vorgeführt, konnte er – bei einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren – am Ende des Tages dann mit besagter Ehefrau als freier Mann heimgehen.
Insgesamt hat der Mann aber nach 14-monatiger Haft und U-Haft gemessen an der gestrigen Verurteilung wegen leichter Körperverletzung unter besonderer Gewaltanwendung mit sechs Monaten bedingt (rechtskräftig) viel zu lange in Gefängniszellen zugebracht. „Ein Wellenritt, eine unglaubliche Geschichte. Wir haben 24 Geschworene und neun Richter verbraucht“, schilderte sein Anwalt Gerhard Taufner.
Kein Urteil
Der IT-Techniker, der im Februar 2020 nach einem Streit ums Geld im Wohnzimmer mit dem fünf Kilo schweren Rasenrandstein von hinten auf seine Frau losgegangen war, ist eine Justizgroteske. Vor einem Jahr erklärte ihn das erste Geschworengericht bereits für schuldig. Nicht wegen eines Mordversuchs, sondern wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung. Zwei Jahre Haft, davon acht Monate unbedingt, konnte der Verurteilte durch die bereits abgeleistete U-Haft rasch erledigen. Dann hob der Oberste Gerichtshof das Urteil wegen eines Formfehlers bei der Urteilsfindung auf. Der Mann musste zurück in U-Haft, was bei Verdacht auf Mordversuch Pflicht ist. „Es war die Hölle“, schilderte er am Mittwoch. Vor allem, weil er dazwischen schon wieder mit seiner Frau fast fünf Monate zusammengelebt hatte.
Beim zweiten Prozess im Frühjahr wurden acht neue Geschworene unmittelbar vor dem Schuldspruch wegen Mordversuchs vom Richtersenat gestoppt. Eine falsche Annahme hätte zu einem Fehlurteil geführt, erklärten sie. Das Urteil wurde ausgesetzt, ein neuer Prozess im Juni gestartet. Der Mann blieb in U-Haft.
Der neue Richter Andreas Beneder vertagte schließlich, um einen medizischen Sachverständigen zum Tathergang zu befragen. „So wie der Angeklagte den Stein gehalten, war kein Stoß mit hoher Intensität möglich“, beurteilte Gutachter Wolfgang Denk am Mittwoch. Das erkläre auch, dass die Frau nur eine leichte Prellung und Hautabschürfung erlitten habe. „Was ich immer ausgesagt habe“, so der Angeklagte.
Für die Staatsanwältin ist alles „sehr eigenartig mit unrealistischen Sachverhalten“. Sie hält den Mordversuch oder die absichtliche schwere Körperschädigung weiter für möglich. Die acht Geschworenen nicht.
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