Neue Details: Das Ibiza-Puzzle steht vor der Lösung
„Wäre ZP (Zielperson) aufgetaucht, wären wir schon beim Party machen und nicht eine von den 20 Frauen im VIP, die im Eck sitzen und auf ihr Handy starren.“
Gegen 2:30 Uhr wurde die gesamte Aktion abgebrochen, „da ZP nicht aufgetaucht sind.“
Obwohl Spionagekameras vorhanden waren.
So hält es eine Mitarbeiterin des Ibiza-Detektivs Julian H. in einem internen Observationsbericht der Operation „Roter Platz“ fest – datiert mit 12. November 2016.
Bereits rund acht Monate bevor es zu dem folgenschweren Zusammentreffen auf einer Finca in Ibiza kam – versuchten die Ibiza-Hintermänner offenbar Kontakt zu Johann Gudenus und auch Heinz Christian Strache aufzunehmen. Dafür war zumindest ein weiblicher Lockvögel im Einsatz, eine TV-Moderatorin wurde als Türöffnerin für den VIP-Bereich angeheuert. Doch die beiden FPÖ-Spitzenpolitiker kamen nicht zu der Lokaleröffnung.
Dass man das alles weiß, ist purem Zufall und dem Gespür der SOKO Ibiza/Tape zu verdanken. Denn die Beamten stellten nicht nur eine Speicherkarte mit unzähligen Ibiza-Video-Sequenzen in der Steckdose einer Wohnung eines Feuerwehrmanns in Wiener Neustadt sicher, sie fanden dort auch einen aufschlussreichen Laptop Marke Lenovo.
Auf dem Computer fanden die Ermittler weitere 55 Video- und zwölf Audiodateien , nach derzeitigen Erkenntnisstand alle mit Ibiza-Bezug. Kein Wunder, wird doch der bei dem Wr. Neustädter Handlanger deponierte Laptop dem Ibiza-Detektiv Julian H. zugerechnet.
Auf dem Computer wurden weitere Hinweise gefunden, die in verschiedenen Bereichen des 378-seitigen, geheimen Zwischenberichts, den der KURIER am Dienstag aufgedeckt hat, nachzulesen sind. Eigentlich bekam der (mittlerweile ehemalige) Feuerwehrmann den Auftrag, die Spuren in der Wohnung in Wiener Neustadt zu verwischen. So sagte er es auch im ersten Verhör durch die SOKO aus. Erst bei einer zweiten Befragung erzählte er, wie die Speicherkarte zuerst in einem grünen Frosch versteckt war und er diese später in der Steckdosen-Verkleidung deponiert hat.
Fünf Prozent fehlen
Mittlerweile hat die SOKO damit hunderte Puzzlesteine, die mühsam zusammengesetzt werden müssen. Laut SOKO fehlen zumindest fünf Prozent des gesamten Ibiza-Videos (audiomäßig sollen es 100 sein). In dem Zwischenbericht finden sich manche Andeutungen und Hinweise, dass die endgültigen Auswertungen vermutlich noch Monate dauern werden.
Den Beamten war es dem Vernehmen nach gar nicht recht, dass derartig viele Informationen aus dem Strafakt nun an die Öffentlichkeit gelangt sind. Dieser wird früher oder später dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt werden, allerdings möglicherweise unter einer hohen Geheimhaltungsstufe.
So erfuhren die Fraktionsführer im U-Ausschuss also vom KURIER den aktuellen Ermittlungsstand.
Dieser wirft die bisherige Ibiza-Legende nämlich über den Haufen. Es wird immer klarer, dass keine große politische Verschwörung hinter der Angelegenheit stecken dürfte, sondern es ging vor allem ums Geld. Deshalb wurden eigene Promotion-Videos erstellt, um diese möglichen Interessenten anzubieten.
Es zeigt aber auch, dass die FPÖ in Form des damaligen Spitzenvertreters Johann Gudenus blindlings in eine Falle getappt sein dürfte und alle Ungereimtheiten beiseite ließ. Mit dubiosen Personen, die man gerade ein paar Monate kennt, auf ein Hotelzimmer zu gehen und dort Kokain mutmaßlich zu konsumieren, spricht wohl in jeder Hinsicht gegen Gudenus.
Keine Suggestivfragen
Der anschließende Versuch, die ganze Ibiza-Geschichte als privaten, alkoholschwangeren Abend abzutun und von Suggestivfragen zu sprechen, richtet sich selbst.
Anhand der 30 zusätzlich sichergestellten Videos scheint nun klar, dass über Monate von Strache und Gudenus ein Plan geschmiedet worden ist, was man machen will, wenn man an die Macht kommt und Einfluss in dieser Republik erhält. Das nunmehr darüber diskutiert wird, ob man zeigen darf, dass Gudenus Kokain konsumiert, zeigt erneut, dass versucht wird, die gesamte Causa auf Nebengleise zu führen.
Schlussendlich sollte der Untersuchungsausschuss aufklären, ob und wie sehr sich die FPÖ versucht hat, die Republik zu kaufen. Und es geht auch darum, herauszufinden, ob der türkise Koalitionspartner in manche dieser Vorgänge eingeweiht war.
Tatsächlich wird nun diskutiert, warum die Korruptionsstaatsanwaltschaft mit anderen Behörden wie der Soko Tape zerstritten ist. Und der Soko wird der Vorwurf gemacht, dass sie womöglich parteipolitisch handelt.
Vieles deutet aber darauf hin, dass alle Beteiligten aus den Puzzlestücken ihr eigenes Bild zusammensetzen. Und am Ende wird das Resultat das gleiche wie bei den Vorgängen im Verfassungsschutz sein: Es wird nur Verlierer geben.
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