Das Geschäft mit Gefühlen: "Geliebt hat er mich nie"
Susanne M. hat sich verliebt. Seine herzliche Art und das strahlende Lächeln haben es ihr angetan. „Er hat mich umgarnt. Da denkst du wirklich, du bist ,Pretty Woman‘.“ „Major Klaus“ schickt ihr ein romantisches Video von ihnen beiden. Sie sollte ihm Geld schicken. Sehr viel Geld.
Die „Lovestory“ von Susanne M., deren Namen von der Redaktion geändert wurde, beginnt auf Facebook. Die 53-jährige Burgenländerin bekommt eine Nachricht von Major Klaus. „Er hat mir dann jeden Tag geschrieben. Schon in der Früh hat er gefragt, ob ich gut geschlafen hab’.“ Das umsorgende Verhalten wird zur lieben Gewohnheit.
Susanne M. steht mitten im Berufsleben, sie hat einen guten Job und zwei erwachsene Kinder. Sie wirkt selbstbewusst. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen. Dem KURIER schildert sie dennoch ihre Geschichte.
„Schmetterlinge im Bauch“
„Er war fesch. Braun gebrannt, muskelgestählt.“ Obwohl die Burgenländerin nur knapp auf die Nachrichten antwortet, die in gebrochenem Deutsch aus den USA bei ihr ankommen, ist ihr neuer Bekannter sehr um sie bemüht. Sie verbringt Zeit mit ihm – in der virtuellen Welt. Sogar während eines Einsatzes bei der Friedensmission in Syrien schreibt er. „Gerade waren wir unter Beschuss. Als das vorbei war, hab ich zuerst an dich gedacht.“
„Wenn du so etwas liest, dass du für jemanden die Nummer eins bist, ist das wie Balsam auf der Seele.“
Susanne M. zeigt ein Video, das ihr Major Klaus geschickt hat. Die Musik von einem ihrer Lieblingssänger, Andrea Bocelli, ist da zu hören. Zu sehen sind Bilder von ihr und von ihm. Auch „seine Tochter“ ist dabei. Eine richtige Familienidylle, so scheint es. „Es fühlte sich so wirklich an. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch. Für kurze Zeit bin ich da richtig reingekippt.“
Ernüchterung
Die Fotos für das Video stammen von ihrem Facebook-Account. Wer er ist, weiß Susanne M. bis heute nicht. „Wenn du alleine bist, bist du für so etwas empfänglich. Es schmeichelt, wenn einem jemand so umgarnt und aufmerksam ist.“
Als „Liebesbeweis“ schickt ihr Major Klaus sechs Wochen nach dem Kennenlernen ein Packerl. „Der Zoll hat mich informiert, dass ich 30.000 Euro zahlen muss, damit ich das Paket übernehmen kann.“ Gleichzeitig trudelt ein Foto ein. Major Klaus sitzt vor einem Koffer mit Dollarscheinen. „Ich soll zahlen, hat er geschrieben, denn er kommt gerade nicht an das Geld.“
Schnell sind die Schmetterlinge weg. Susanne M. dämmert es, wen sie da kennengelernt hat. Gezahlt hat sie nicht. „Ich hab’ gesagt beim Geld hört die Freundschaft auf.“
„Es geht immer um Geld“
Love- oder Romance Scam
Bei dieser Betrugsform nutzen die Täter die Zuneigung von Frauen und Männern aus, um ihre Opfer zu Zahlungen zu bewegen. Mittels Telefonaten, eMails und anderen internetbasierten Kommunikationsformen wird den Opfern eine Art Beziehung vorgespielt, um sie dann finanziell auszubeuten
Was die Polizei rät
Die Cyber-Crime-Experten des Bundeskriminalamtes (BKA) raten Betroffenen, ihre eigene Identität zu schützen. Erste Treffen sollten immer an öffentlichen Orten stattfinden. Die Experten der Kriminalprävention sind unter der Nummer 059133 zu erreichen
22.400 Anzeigen
wegen Internetbetruges wurden im Vorjahr in Österreich erstattet. Laut BKA gab es 774 Fälle von Love Scam, darunter sind etliche Sammelakte
Major Klaus probiert immer wieder, sie telefonisch zu erreichen. Und er droht ihr. „Ich weiß, wo du wohnst.“ Seither ist Susanne M. vorsichtig geworden. Was geblieben ist, ist eine Ernüchterung und die Gewissheit: „Geliebt hat er mich nicht.“
Susanne M. ist kein Einzelfall. Die Fälle von sogenanntem Love- oder Romance Scam (siehe Zusatzbericht) sind stark im Steigen, sagt Julia Krickl von der Informationsplattform der Ombudsstelle watchlist-internet.at. Das Motiv, warum sich Betrüger in Chats, sozialen Medien oder Online-Partnerbörsen das Vertrauen ihres virtuellen Gegenübers erschleichen, ist klar: „Es geht immer ums Geld“, sagt Krickl. Nachdem die Täter das Vertrauen ihrer Opfer gewonnen haben, fordern sie sie auf, Geld zu überweisen oder Gutscheine zu schicken. „Eine ganz neue Spielart sind die Krypto-Love-Scams. Dabei werden die Betroffenen dazu verleitet, angeblich in Krypto-Währungen zu investieren, dabei verlieren sie dann wahnsinnig viel Geld.“
Diese Form des Betrugs geht von Südostasien aus und wird „industriell betrieben“, weiß Krickl. Es ist nicht die eine Person, mit der das Opfer kommuniziert. „Die einzelnen Fake-Profile werden meist von mehreren Personen betrieben. An ein falsches Profil zu gelangen, ist nicht schwer: „Schon um 100 Euro kann man das kaufen. Da werden Fotos in fast jeder Situation mitgeliefert.“
Ratschläge
Die Täter werden immer professioneller, die Pandemie war ein „Feuerbeschleuniger“. Ratschläge, wie sich Internet-Nutzer schützen können, sind simpel: Gibt es auf dem Online-Profil der neuen Bekanntschaft nur wenige Informationen und sind die Nachrichten in holpriger Sprache verfasst, ist das verdächtig. „Und wenn schon nach kurzer Zeit von tiefen Gefühlen gesprochen wird, sollten die Alarmglocken läuten.“
„Wenn schon nach kurzer Zeit von tiefen Gefühlen gesprochen wird, sollten die Alarmglocken läuten“
Expertin Watchlist-Internet
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