Liebesbetrug im Internet: Wenn Opfer sich an Tätern rächen

55-Jähriger fiel auf Internetbroker hinein
Einsame Menschen sind ihr Ziel. Eine Österreicherin ist den Online-Betrügern auf den Fersen.

Es ist ein Schicksal, das täglich dutzenden Menschen passiert, Männern wie Frauen. Eine unbekannte Person sendet im Internet eine Kontaktanfrage. Aus kurzen Gesprächen wird Freundschaft, später Liebe. So ist es auch Valeria ergangen. Sie lernt einen Engländer aus Manchester kennen, der vorgibt, ein betuchter Geschäftsmann zu sein.

Er sendet ihr Fotos von sich, schmeichelt ihr mit aufmerksamen Worten und verspricht nach langen, innigen Nachrichten ein Treffen, er müsse nur noch eine Geschäftsreise erledigen. Dann erzählt er plötzlich, er sitze in Ghana fest und brauche dringend Geld, damit er den Zoll für seine Waren bezahlen kann.

Valeria will ihm helfen. Doch ihre Bank hat bereits zu, das Wochenende steht vor der Tür, sie kann kein Geld schicken.

Glücklicher Zufall

Sie fährt wieder nach Hause, ihre Skepsis wird größer. Ein Geschäftsmann in Geldnot bittet sie um Unterstützung? Sie beginnt nachzuforschen und stellt fest, einem Betrüger aufgesessen zu sein.

Bis hierhin unterscheidet sich ihre Geschichte nicht von anderen täglichen Opfern der Liebes-Betrüger. Doch Valeria möchte helfen und verhindern, dass anderen Menschen das Gleiche widerfährt wie ihr, will nicht, dass noch mehr Menschen sich derart hintergangen und ausgenutzt fühlen und finanziell ruiniert werden.

Liebesbetrug im Internet: Wenn Opfer sich an Tätern rächen

"Vergewaltigte Seelen"

Valeria gründet deshalb vor vier Jahren mit ein paar anderen das Forum "RSB - Romance, Scam und Baiting“. Auf der geschützten, anonymen Plattform wird alles dafür getan, den Betrügern, auch "Romance Scammer“ genannt, die Arbeit so schwer wie möglich zu machen und Opfern Halt und Unterstützung zu geben. Für Valeria, im Forum nennt sie sich Miss Country, sind die Opfer "Vergewaltige Seelen und vernichtete Existenzen, die von der Gesellschaft belächelt werden“. Wer betrogen wurde, durchlaufe mehrere Phasen der Verarbeitung. Am Anfang stehen Ungläubigkeit und Scham, gefolgt von Lethargie. "Erst wenn Wut auf die Scammer hochkommt, beginnt der Verarbeitungsprozess“.

Hilfe und virtuelle Heimat

Oft sind Geschädigte derart schockiert, dass sie professionelle Hilfe benötigen. Bis diese anläuft, sind Miss Country und ihre Mitstreiter da, recherchieren und schreiben oder telefonieren mit den Opfern. Sie hören zu und fangen auf, oft über einen langen Zeitraum.

Das RSB-Forum ist für viele Mitglieder eine "virtuelle Heimat, man gibt sich Halt und man signalisiert sich, nicht allein zu sein“. Der Schutz der Opfer steht dabei für die Mitglieder an erster Stelle.
 

Keine Statistik

In der Kriminalstatistik wird "Love-Scamming“ nicht als eigenes Delikt erfasst. Es handelt sich dabei nämlich nicht um einen eigenen Straftatbestand, sondern um eine von unzähligen Facetten des Betruges.

"Die Täter wollen einzig und allein Geld haben, um dies zu erreichen, wird alles getan um dies zu erhalten", erklärt Vincenz Kriegs-Au, Pressesprecher des Bundeskriminalamts. Oft sei die Scham der Opfer auch zu groß, um entdeckte Betrügereien anzuzeigen.

Foren wie das RSB-Forum sind laut Kriegs-Au für Privatpersonen durchaus ein probates Mittel, die Ermittler des Bundeskriminalamtes arbeiten damit jedoch kaum. Sie greifen auf bewährte internationale Kontakte zurück und versuchen, die Spur der Täter zu verfolgen.

So kann beispielsweise die virtuelle Spur des Täters sowie der Weg des überwiesenen Geldes verfolgt werden. Aus ermittlungstaktischen Gründen will man aber auf die Fahndungsmethoden nicht näher eingehen.

Liebesbetrug im Internet: Wenn Opfer sich an Tätern rächen

Love-Scamming gilt als Betrugsdelikt.

Beim RSB-Forum rät man Geschädigten, Anzeige zu erstatten. Wer den Schritt zur Polizei wagt, wird manchmal mit Vorwürfen konfrontiert, wie man denn bloß auf diese Tricks hereinfallen könne, erzählt Miss Country. Man versuche aber, mit der Polizei zusammen zu arbeiten, um unter anderem Recherchematerial zur Verfügung zu stellen.

Einblicke ins Forum

Für Miss Country und ihre Kollegen hat die Sicherheit auf der Website oberste Priorität. Für den KURIER öffnen sie ihr Forum, gibt exklusiv Einblick in ihre Arbeit.

Die Community hat circa 240 Mitglieder, die über 48.000 Beiträge verfasst haben. In zahlreichen Bildergalerien sind penibel Fotos von gestohlenen Identitäten und bekannten Scammern gelistet, es sind über 10.000.

Täter benutzen für die Scams Fotos von realen, nichtsahnenden Personen als Deckmantel. Vor allem Profile auf sozialen Netzwerken seien für die Betrüger wie ein Selbstbedienungsladen, sind die Fotos erst einmal in ihren Händen, ist deren Missbrauch nicht mehr zu stoppen, warnt Miss Country.

Viele Bildeigentümer bemerken aber irgendwann, dass mit ihren Bildern Verbrechen begangen werden und warnen auf Social Media davor. Die Seite stellt diese Einträge mit dem Einverständnis der Geschädigten zur Verfügung, damit Scammer erkannt werden, bevor es zu spät ist. In weiteren Threads wird über die Arbeitsweise von Scammern aufgeklärt.

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Ein Däne, dessen Identität von den Scammern gestohlen wurde, warnt auf Facebook vor den Betrügern.

Die Masche

Miss Country erzählt, dass diese meist nach einem "Drehbuch“ vorgehen, wenn sie mit ihren ahnungslosen Opfern kommunizieren. Viele der Texte sind über eine einfache Google-Suche zu finden.

Die Gespräche, die meist auf Englisch geführt werden, verlaufen immer gleich, genauso wie die gefälschte Vita der Online-Betrüger. Sie geben vor, Soldaten oder Geschäftsleute zu sein, die ständig auf Auslandseinsatz oder Geschäftsreisen sind.

So ist es ihnen möglich, lange Zeit mit ihren Opfern zu kommunizieren, ohne um ein Treffen gebeten zu werden. Ihre finanzielle Lage beschreiben sie stets als gut situiert, damit eine spätere Geldforderung unerwartet und unverdächtig erscheint. Und diese Geldforderung kommt. Sie haben Zollprobleme, ein Geschäftspartner hat sie sitzen lassen oder sie wurden von korrupten Polizisten unrechtmäßig eingesperrt.

Bis zum finanziellen Aus

Dann bitten sie verzweifelt um Geld, damit sie die Probleme beseitigen und endlich den Flug zu ihrer großen Internet-Liebe antreten können. Um Sicherheit zu suggerieren, senden sie Bilder von Ausweisen, angeblichen Gerichtsurteilen oder Zollbescheinigungen, die gefälscht sind. Die Falsifikate kann man ebenfalls auf der Website sehen, um solche Fälschungen leichter entlarven zu können. Zahlt man, werden sie die Lüge wiederholen, bis man endlich Verdacht schöpft oder seine finanziellen Mittel aufgebraucht hat.

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Die Betrüger fälschen unter anderem Gerichtsurteile, um ihre Lügen zu untermauern.

Wütende Scammer

Das RSB-Forum geht neben Prävention aber auch einen Schritt weiter, die Mitglieder "baiten“ die Scammer, legen ihnen Fallen aus. Hierzu machen sie sich archivierte Konversationen mit Scammern zu Nutze. Sie geben sich als naive, ahnungslose Frauen oder Männer aus und schreiben bekannte Scammer direkt an. Das Ziel: Den Betrügern Zeit zu stehlen, die sie dann nicht mehr dazu verwenden können, neue Opfer zu kontaktieren.

Das ist unsere Rache an den Scammern, wir schlagen sie mit ihren eigenen Mitteln“, sagt Miss Country. Die Mitglieder unterstützen sich dabei gegenseitig mit Ratschlägen, wie man die Gespräche am Laufen hält und nicht aufgedeckt wird. Am Ende wird den Scammern offenbart, dass sie hereingelegt wurden. Ihren eigenen Scammer hat Miss Country später mit bis zu vier Profilen acht Monate lang beschäftigt, bis er dahinterkam.

Es folgen meist Beschimpfungen und Bedrohungen. "Ich kenne deine Adresse und […] werde meine Soldaten schicken, um dich schlagen zu lassen“, schreibt ein Mann, der sich als amerikanischer General ausgegeben hat, als er erkennt, dass seine Betrugsversuche hier ins Leere laufen werden. Miss Country ist so etwas gewohnt. Unzählige Male haben ihr Scammer bereits mit ihrem Tod gedroht, doch das schreckt sie nicht ab.

Bei tatsächlichen Opfern setzten die Betrüger oft auf großen psychischen Druck, wenn diese kein Geld schicken. Zuerst melden sie sich tagelang nicht, was für die verliebten Geschädigten beinahe unerträglich ist. Dann werfen sie ihnen vor, sie nicht zu lieben, weil sie in der angeblichen Notsituation kein Geld überweisen. Viele haben Angst, ihre große Liebe wieder zu verlieren und zahlen.

Betrüger aus Westafrika und Russland

Täglich hat das Forum Zugriffe und Anfragen von Personen, die betrogen wurden oder skeptisch werden, wenn sie um Geld gebeten werden. Aber auch die Betrüger, die meist in Westafrika oder Russland sitzen, sind auf das Forum aufmerksam geworden und versuchen, sich darin einzuschleusen. Deshalb werden neue Mitglieder genauestens überprüft, um Infiltration durch die Betrüger zu unterbinden.

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Auch die Scammer versuchen, ins Forum zu gelangen.

Gesunde Skepsis und Google

Miss Country rät Nutzern von Online-Portalen allgemein: "Seid skeptisch, fragt genau nach und versucht, über Suchmaschinen Informationen zu euren Gesprächspartnern zu finden“. So können Profile von Scammern oft schon durch eine einfache Google-Bild-Suche ausgemacht werden. Wer Verdacht schöpft, kann sich an das Forum wenden. Schon oft konnte Miss Country nach kurzer Recherche Menschen die Augen öffnen, bevor Geld floss.

Auch das Bundeskriminalamt rät dazu, bei Internet-Bekanntschaften genauer hinzuschauen und trotz etwaiger Verliebtheit, einen kühlen Kopf zu bewahren. Grundsätzlich sollte man im Internet nicht allzu viel persönliches Preis geben, um Betrügern keine Angriffsfläche zu bieten, informiert Kriegs-Au.

Weiter sollte man es unbedingt vermeiden, Fotos, vor allem solche der aufreizenden Art, an unbekannte Personen zu schicken. Ist man sich unsicher, ob das virtuelle Gegenüber „echt“ ist, sollte man laut Kriegs-Au, am besten auf eine Videokonferenz bestehen. "Dabei ist dann meist plötzlich die Kamera defekt oder dergleichen“, beschreibt er die Ausflüchte der Betrüger. Außerdem gelte: "Sobald Geld gefordert wird, sollten sofort die Alarmglocken schrillen! Auf keinen Fall sollte man auf diese Forderung eingehen.“

Dicht auf den Fersen

Die Betrüger agieren auf dem neuesten Stand der Technik. "So wechselten sie etwa von Skype auf Apps und Hangouts, um leichter ihren Standort verschleiern zu können", erzählt Miss Country. Doch egal wie raffiniert die Scammer sind, das RSB-Forum sei ihnen dicht auf den Fersen. "Stoppen können wir die Scammer nicht. Aber wir können ihnen das Leben so schwer wie möglich machen.“

Wie wichtig ihre Arbeit ist, zeige ein aktueller Fall aus Deutschland. Eine Frau überwies einem Betrüger ihre gesamten Ersparnisse: 110.000 Euro. Der Mann hatte sich als Soldat ausgegeben und der Frau mehrmals Notsituationen vorgespielt. Sie glaubte an die große Liebe. Als sie Verdacht schöpfte, war es bereits zu spät, das Geld wird wohl für immer verschwunden sein. 

Wenn Sie Opfer von Love-Scamming geworden sind oder den Verdacht haben, dass Sie mit einem Scammer in Kontakt stehen könnten, melden Sie sich bei einer Polizeidienststelle in Ihrer Nähe.

Hilfe und Unterstützung finden Sie außerdem im RSB-Forum.

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