Von Corona genesen: "Es ist ja nicht die schwarze Pest"
Zäh sei es gewesen. Und kräfteraubend. Karl Habsburg, Kaiser-Enkel und Ex-Politiker, ist wohl Österreichs bekanntester Corona-Patient. Zumindest bisher. Nach einem Kongress in Genf rief ihn einer der Teilnehmer an, er sei positiv auf das Virus getestet worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der 59-Jährige bereits leichtes Fieber. „Damit war für mich klar, dass es wohl besser wäre, alle Termine abzusagen und mich testen zu lassen“, sagt Habsburg. Der darauffolgende Corona-Test fiel - wie erwartet - positiv aus. Kurz danach kam der Quarantänebescheid der Behörde.
Keine Gewissheiten
Ein gutes halbes Jahr nach den ersten Coronafällen in Europa und 15 Wochen nach Beginn des Lockdowns wissen wir von 17.498 bestätigten Fällen, 674 Corona-Toten und 16.371 Genesenen in Österreich. Und das war es auch schon mit den Gewissheiten. Wie tödlich ist das Virus? Wann wird es eine Impfung geben? Wird das Virus jemals verschwinden oder wird es zum dauernden Begleiter für uns werden? Der scheinbare Corona-Frieden, der dieser Tage in Österreich herrscht, ist fragil. Die Unsicherheit bleibt.
Denn auch angesichts täglich neuer Forschungsergebnisse wissen wir so gut wie nichts. Außer das: Nicht zu einer Risikogruppe zu gehören, schützt keineswegs vor extrem schweren Krankheitsverläufen. Aber warum geht das Virus an manchen Menschen trotz Infektion fast unbemerkt vorüber und andere haben Angst um ihr Leben und auch nach drei Monaten keinerlei Geruchs- oder Geschmackssinn? Wer ist „Superspreader“ und wie wird er dazu? Und was ist mit den Langzeit folgen? Sieben Menschen berichten, wie es ihnen während der Erkrankung ergangen ist.
Leichte Symptome
Husten, Kopfschmerzen, erhöhte Temperatur: Knapp zwei Wochen sei es so gegangen. Auch wenn es kräftezehrend gewesen sei, im Vergleich zu anderen Krankheitsverläufen waren es leichte Symptome. „Also habe ich mir gedacht: Das ist ja nicht die schwarze Pest, ein paar Wochen Quarantäne werde ich wohl aushalten", erzählt Habsburg.
So wenig ihm die Krankheit an sich zu schaffen machte, so merkwürdig war das Gefühl der Isolation in Quarantäne. „Es ist eigenartig, wenn man weiß, dass man nicht einmal die eigenen Kinder ins Haus lassen darf“, erzählt der Kaiser-Enkel. Die Sehnsucht beruhte wohl auf Gegenseitigkeit, denn Sohn Ferdinand postete Ende März ein Foto von der familiären Wiedervereinigung mit den Worten: „Ich habe die Umarmungen mit Papa vermisst.“
Dennoch, er, Karl Habsburg sei kein Mensch, dem das Alleinsein schwerfalle. Und ablenken konnte er sich mit Arbeit. „Die Kommunikation hat ja ganz normal funktioniert. Gewöhnen möchte ich mich aber an die Online-Konferenzen nicht.“ Da sei dem Sohn von Otto Habsburg und Enkel von Österreichs letztem Kaiser Karl I. der persönliche Kontakt lieber.
Die Wortwahl darf man kritisieren
Bei seinem Lob für die Regierung, das er kurz nach seiner Erkrankung aussprach, möchte er bleiben. „Ich denke auch heute noch, dass die Verantwortlichen gut gehandelt haben, auch wenn man im Nachhinein die Wortwahl das ein oder andere mal kritisieren darf.“ Aber Entscheidungsträger hätten nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, nachher klüger zu sein. Die Herausforderungen sieht er eher auf europäischer Ebene. Die Zusammenarbeit der EU in Bezug auf die Pandemie nennt der ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments „kein Highlight“. Das Motto sei „jeder gegen jeden“ gewesen. „Das war die perfekte Voraussetzung für China und Russland, um ihre PR-Coups zu landen“, sagt Habsburg, der sich mit der Paneuropa-Union für politische Einigung einsetzt.
Der EU könne man keinen direkten Vorwurf machen, liegt die Kompetenz für Gesundheitspolitik ja bei den Staaten selbst. Es sei aber eine „eigenartige Nationalstaatsnostalgie“ festzustellen, die seiner Meinung nach kein vernünftiges Modell für die Zukunft sei. „Ich hoffe, dass die Konferenz über die Zukunft Europas genutzt, die eigentlichen europäischen Themen zu diskutieren.“ Er meint damit etwa die Außen- und Sicherheitspolitik.
Optimistisch
Ob er Angst vor einer zweiten Welle habe? „Das Virus ist da und es wird uns auch in Zukunft das Leben schwer machen. Dessen müssen wir uns bewusst sein, ohne uns zu fürchten“, sagt Habsburg. Er plädiere dafür, nüchtern zu analysieren, weshalb die Sterberate je nach Region so unterschiedlich ausfiel. Und zeigt sich letztlich optimistisch: „Wir sind lernfähig und haben schon Pest, Cholera und ich weiß nicht noch welche Krankheiten eingedämmt.“
"Lungenbeschwerden"
Zu den prominenten Österreichern, die Corona mittlerweile überstanden haben, gehört auch Maria Großbauer, Nationalratsabgeordnete der ÖVP. Rund um den 18. März bemerkte Maria Großbauer, dass sie etwas „ausbrütet“. Zunächst war es nur Müdigkeit, Kopfweh, leichtes Hüsteln. Sie dachte, sie spüre schon ihre Birkenallergie. Dann kam das Fieber, aber nie mehr als 37,3. Mal war es da, dann wieder weg. „Überhaupt war alles sehr unstet. Aber nach einigen Tagen kamen dann eindeutige Lungenbeschwerden und ich wusste: Jetzt muss ich die Hotline 1450 anrufen.“
Aus der leichten Abgeschlagenheit wurde plötzlich ein extremer Erschöpfungszustand, dazu kamen Lungenschmerzen, Husten, ständig war ihr kalt. Nur einen Tag nach dem Anruf bei der Hotline 1450 wurde sie getestet, sechs Tage danach kam das Ergebnis: positiv. Angst hatte sie zu keinem Zeitpunkt: „Ich hoffte, dass mein Verlauf ein milder bleibt und ich nicht ins Krankenhaus muss. Gott sei Dank war es so!“
"Spüre gar nichts mehr“
Einige Wochen hielten sich Symptome, auch danach waren Erschöpfung und Probleme beim Stiegensteigen präsent. Heute ist Großbauer längst wieder völlig gesund und „spürt gar nichts mehr“. Dennoch glaubt sie, dass es wichtig ist, vorsichtig zu bleiben, denn mit jeder Kontaktperson steige auch die Infektionsgefahr. Abstand halten und Handhygiene müsse man weiterhin sehr ernst nehmen – „und wenn es eng wird auch die Maske“.
Großbauer, ausgebildete Musikerin, ist ein zuversichtlicher Mensch: „Wenn alle mitdenken, bleibt uns eine zweite Welle hoffentlich erspart. Denn die Auswirkungen der ersten Welle werden uns noch lange begleiten.“
"Der Zustand ist mit nichts vergleichbar"
Er sah sein eigenes Röntgenbild und dachte: Hoffentlich geht das gut aus. Reinhard Doppler ist Intensivmediziner und zitterte, als er seine Lunge und die deutlich erkennbaren Verschattungen auf beiden Seiten sah. „Das war Covid-19.“ Er leitet die Abteilung für Innere Medizin im steirischen LKH Rottenmann, nebenher ist er in der Flugrettung tätig. Er erinnert sich gut an den 13. Mai. Zuerst Durchfall, dann das kaum aushaltbare Fieber. Zwei Tage später folgte die Corona-Diagnose. Er begab sich sofort in Heimquarantäne. Fieber, Ganzkörperschmerzen, Atemnot. Nach acht Tagen ließ er sich mit der Rettung ins Krankenhaus bringen, zum Autofahren war er zu schwach.
Zwei Wochen Spital
Dann erhielt er besagtes Röntgenbild. Zwei Wochen verbrachte er im Spital. Doppler erzählt, dass dieser Zustand mit keiner anderen Krankheit vergleichbar ist. Fast eine Woche lang sei Nahrungsaufnahme so gut wie unmöglich gewesen. „Ich war nicht in der Lage, einen Bissen zu essen, ohne erschöpft zu sein.“ Er schmeckte auch nichts mehr. Abwechselnd erhielt er fiebersenkende und antibiotische Infusionen. „Am fünften Tag im Spital sank das Fieber erstmals.“ Insgesamt war Doppler sechs Wochen im Krankenstand, er musste danach gezielt Muskelaufbau betreiben, weil er so geschwächt war. Selbst heute spürt er die Nachwirkungen noch leicht. „Ich hatte Glück. Um ein Haar hätte ich langwierige Folgeschäden gehabt. Covid-19 ist eine existenzielle Bedrohung, ohne Zweifel.“
"Hatte manchmal wirklich Angst"
„Ich war vollkommen überrascht“, sagt Kathrin Gaal. Nachdem die Wiener Wohnbau- und Frauenstadträtin Mitte März Fieber, Kopfweh und Gelenksschmerzen bekam, wollte sie auf Nummer sicher gehen und sich auf das Coronavirus testen lassen. Dass der Test positiv ausfallen würde, „damit habe ich wirklich nicht gerechnet“.
Vor allem auch deswegen, weil sie bis heute keine Ahnung hat, wo sie sich angesteckt haben könnte. „Ich habe viel darüber nachgedacht, aber ich habe nicht einmal einen Verdacht.“ Alle Personen, mit denen sie zuvor Kontakt hatte, wurden informiert. Ihre engsten Mitarbeiter mussten in Heimquarantäne. Das Rätsel aber bleibt bis heute ungelöst.
Nach den ersten Symptomen verlor sie noch ihren Geruchs- und Geschmackssinn. Das Fieber ließ mit der Zeit nach. Dennoch machte sich die SPÖ-Politikerin ernsthaft Sorgen. „Die Wahrheit ist, ich hatte in manchen Momenten wirklich Angst“, gibt sie zu. Auch um ihre Familie.
Abgeschottet
Zu diesem Zeitpunkt wusste man noch viel weniger über das Virus als heute. Deswegen schottete sich Gaal ganze zwei Wochen Zuhause in einem Zimmer ab. „Mein Mann oder meine Tochter haben nur angeklopft, wenn sie mir Essen oder Tee vor die Tür gestellt haben.“ Darüber hinaus hatte die Stadträtin zu niemanden Kontakt, was ihr – als Familienmensch – nicht leicht gefallen sei.
Jetzt sei sie unendlich dankbar für den milden Verlauf. Denn: „In so einer Situation gibt es plötzlich keine Gewissheiten mehr“, meint die 44-Jährige.
Eva Spreizhofer: "Muss nicht bei jedem Spaß dabei sein"
Die Regisseurin und Drehbuchautorin Eva Spreitzhofer war Anfang März unter den Ersten in Österreich, die an Covid-19 erkrankten. Eine Besprechung mit einem Autor, der gerade aus Ischgl zurück war – keine Berührung, einfach mehr als 15 Minuten Unterhaltung – hatten gereicht. Auch nach der Genesung laboriert sie an den Folgen des Virus. Seit 100 Tagen ist ihr Riech- und Geschmackssinn verschwunden. Mittlerweile ist sie Teil einer AKH-Studie zu Langzeitfolgen von Covid-19, hat Plasma gespendet, das Erkrankten, die auf der Intensivstation liegen, hilft, wieder gesund zu werden. Denn das Plasma kann ein Jahr aufgehoben werden und bei einer neuerlichen „Welle“ schnell eingesetzt werden. „Oft werde ich gefragt, welche Medikamente ich genommen hätte. Aber das ist ja eben das Problem: Es gibt kein Medikament gegen das Virus. Auch nicht gegen die Langzeitfolgen, die man ja erst dabei ist, zu erforschen.“ Dass sie die Krankheit hinter sich hat, bedeutet übrigens nicht, dass sie jetzt gesichert immun ist.
Man wisse eben noch kaum etwas über dieses Virus. Wer, warum und wodurch ein „Superspreader“ ist und wer nicht, kann man im Vorhinein nicht sagen, weswegen sie es auch unbedingt notwendig findet, sich penibel weiter an Maßnahmen zu halten, die Ansteckungen verhindern. Hände waschen, Abstand halten, Masken tragen.
Vor Kurzem wurde sie „Spaßbremse“ genannt, weil sie jemandem ihre Hand nicht geben wollte: „In Zeiten der Pandemie muss ich nicht bei jedem Spaß dabei sein.“
"Es hat mich immer mehr beunruhigt"
Das leichte Fieber am Anfang hatte er noch nicht ernstgenommen. Als er aber plötzlich beim schnelleren Gehen außer Atem kam, schrillten bei Johann Singer, Abgeordneter der ÖVP im Nationalrat, die Alarmglocken. Am 20. März dann die Gewissheit: Es ist das Coronavirus. Er war damit der erste Parlamentarier, der sich infiziert hatte. „Mein Geruchs- und Geschmackssinn waren weg, das war aber zu diesem Zeitpunkt noch kein bekanntes Symptom“, erzählt der 62-Jährige, der auch Bürgermeister im oberösterreichischen Schiedlberg ist.
Richtig schlimm wurde es in Woche zwei der Erkrankung. „Ich habe kaum noch Luft bekommen, schon Stiegensteigen war schwierig.“ In der Folge steckte Singer auch seine Frau an, was aber zumindest den Vorteil gehabt habe, dass sie die Quarantäne gemeinsam verbringen konnten. „Und wir haben das Glück, in einem Einfamilienhaus mit Garten zu leben. Das heißt, wir konnten auch ab und zu an die frische Luft.“ Das Tückische an Covid-19 sei, dass jeder Tag anders sei. „An einem Tag habe ich gedacht, es ist vorbei. Und am nächsten habe ich mich wieder schlecht gefühlt. Außerdem habe ich im Internet viel über das Virus gelesen, was mich immer mehr beunruhigt hat“, sagt Singer. Angesteckt habe er sich bei einer Sitzung in Oberösterreich. Er saß neben jemanden, der infiziert war. „Deswegen rate ich auch jedem, den Ein-Meter-Abstand einzuhalten. Das ist meine persönliche Lehre daraus.“
Michael Renk: "Das hätte nie passieren dürfen"
Die ersten Symptome zeigten sich bereits bei der Rückfahrt aus dem Skiurlaub. Reizhusten, extreme Kopfschmerzen, erhöhte Temperatur. Erst sieben Tage später hatten Michael Renk und seine Frau Gewissheit: Sie hatten sich mit dem Coronavirus infiziert. Und das nicht irgendwo, sondern im Corona-Hotspot St. Anton am Arlberg, nur 13 Kilometer von Ischgl entfernt. Sie waren eine der letzten, die St. Anton verlassen konnten, bevor die Quarantäne am 13. März verhängt wurde. „Wir sind um 11 Uhr losgefahren und um 14 Uhr war alles zu. Wäre es sich nicht ausgegangen, hätten wir sechs Wochen dortbleiben müssen“, sagt der 53-jährige Wiener.
Im weiteren Verlauf wurden die Symptome immer schlimmer. Vor allem die Lunge machte Renk zu schaffen. Der Lungenfacharzt verschrieb ihm Medikamente, doch davon ging es ihm noch schlechter. „Ich hatte Angst, dass es schlimmer und schlimmer wird und ich auf die Intensivstation muss.“ So wie sein Freund, der ebenfalls in St. Anton mit dabei war. „Er musste beatmet werden und hat immer noch Schatten auf der Lunge“, erzählt Renk, der mittlerweile wieder ganz gesund ist.
Schwere Vorwürfe
Der 53-Jährige macht Politik und Behörden schwere Vorwürfe. „Als der zuständige Landesrat im Fernsehen gesagt hat, man habe alles richtig gemacht, ist es mir gerade sehr schlecht gegangen. Am liebsten hätte ich was in den Fernseher geschmissen.“ Denn als in Ischgl der Skibetrieb gesperrt wurde, seien die Urlauber auf St. Anton ausgewichen. „Das hätte nicht passieren dürfen.“
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