BVT und Mossad: Die dubiose Flucht des Folter-Generals
Am 27. November 2018 stürmen Beamte des Bundeskriminalamts eine Wohnung in der Steinmüllergasse Wien-Ottakring. Das Domizil ist durchwühlt und alles hat den Eindruck als ob der Bewohner fluchtartig alles verlassen musste. Von diesem fehlt allerdings jede Spur.
Eine beigezogene Beamtin des BVT zeigt sich wenig überrascht und gibt an, dass „die Wohnung derzeit nicht bewohnt wird“.
Es handelt sich um die Wohnung jenes mutmaßlichen Kriegsverbrechers und syrischen Generals, der vom Verfassungsschutz in Österreich rund drei Jahre lang versteckt worden ist. Tausende Seiten an Dokumenten, die dem KURIER vorliegen, weisen darauf hin, dass das BVT den später gesuchten Khaled H. vor dem Zugriff der Justiz geschützt hat.
Doch damit ist es nun vorbei, der General hätte zur Vernehmung ins Bundeskriminalamt gebracht werden sollen. Doch wo ist er nun?
Die Luft wurde dünner
Fest steht, dass im Frühjahr und Sommer 2018 die Luft für den General immer dünner wurde. Es kommen immer mehr Hinweise und Zeugenaussagen auf Kriegsgräuel, in die er verwickelt worden sein soll. Frankreich schreibt ihn zur Aufenthaltsermittlung aus.
Lesen Sie hier die Vorgeschichte zum heutigen Bericht:
Ende Juli zeigt sich, dass sich das Versteckspiel nicht mehr lange aufrecht erhalten lässt, auch im BVT beginnen Ermittlungen. Der für den General zuständige BVT-Mann erhält am 1. August einen Anruf des israelischen Verbindungsbeamten, in dem dieser sich verabschiedet. Der Mossad-Agent berichtet, dass er sich am Vortag mit dem stellvertretenden BVT-Direktor getroffen hat. Dort sei abgemacht worden, dass „White Milk“ – so der Deckname des Generals – außer Landes gebracht wird (siehe Faksimile).
Der stellvertretende BVT-Direktor ist zu diesem Zeitpunkt Dominik Fasching, er sollte in der Ära des Innenministers Herbert Kickl den Verfassungsschutz übernehmen. Kann es also tatsächlich sein, dass er mitgeholfen hat, dass ein gesuchter (mutmaßlicher) Kriegsverbrecher vor der Justiz flüchten konnte?
Ende der Kooperation
Fasching sagt dazu in einer Befragung durch das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung: „Ich habe gesagt, wir beenden die Kooperation. Ich habe nicht gesagt, er soll untertauchen, oder so. Die Stelle fünf (der Mossad, Anm.) hat mir gegenüber nicht gesagt, dass sie beabsichtige, ihn außer Landes zu bringen.“
Fest steht, dass nun im Verfassungsschutz die Ermittlungen gegen den General Fahrt aufnehmen, außerdem leitet die Wirtschaft-und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein Verfahren gegen mehrere Beamte des BVT und des Bundesasylamts sein.
Anfang Oktober 2018 wird die Kooperation des Verfassungsschutzes mit dem Mossad offiziell eingestellt, es gibt auch eine weitere Sitzung mit der Justiz.
KURIER-Recherchen
Mitte Oktober beginnt der KURIER Recherchen in diesem Fall anzustellen. Praktisch gleichzeitig am 18. und 19. Oktober gibt es die letzten Behebungen vom Konto des Generals. Am 23. Oktober erscheint der erste Bericht im KURIER, der für heftige Bewegungen hinter den Kulissen sorgt.
Darin finden sich bereits Hinweise, dass es bei der Asylbeantragung offenbar Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Viele der Beteiligten geben in den Befragungen an, erst durch diesen KURIER-Bericht das Ausmaß der Causa gesehen zu haben.
Zwei Tage später schreibt das Bundeskriminalamt den General „verdeckt“ zu einer Aufenthaltsermittlung aus. Vermutlich weil dieser im Melderegister gesperrt ist, erfahren sie erst später von der Meldeadresse in Wien-Ottakring. Als sie dort Ende November sind, ist der General längst über alle Berge.
Über seinen jetzigen Aufenthaltsort gibt es nur Spekulationen, ein französischer Journalist kommt später noch zu einem Skype-Videotelefonat mit ihm.
Fest steht, dass Khaled H. während seines Österreich-Aufenthaltes rund eine Woche in Russland auf Besuch gewesen ist. Alleine das ist bemerkenswert, denn Russland ist ein Verbündeter Syriens und dem General hätte wohl die Festnahme gedroht, wenn er tatsächlich vor dem Assad-Regimes geflüchtet wäre.
Eine Theorie ist, dass Khaled H. dem Ende der Assad-Herrschaft eine Rolle im Nachkriegs-Syrien spielen hätte sollen. Möglicherweise war das auch ein Plan B für die russische Regierung. Es ist auch nicht auszuschließen, dass er eine Rolle als Doppelspion geführt haben könnte.
Fest steht jedenfalls, dass er für das BVT keinen unmittelbaren Nutzen gehabt hat - er wurde weder als Informant noch als Quelle geführt. Der einzige Sinn war wohl, dem israelischen Mossad einen großen Gefallen zu tun.
NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper zeigt sich über die KURIER-Enthüllungen entrüstet: „Die Affäre rund um den syrischen General stinkt zum Himmel und erfordert vollste Aufklärung. Der Innenminister sowie der BVT-Direktor werden sich im nächsten Geheimdienstausschuss einige unangenehme Fragen von mir gefallen lassen müssen. Es ist vollkommen schleierhaft wieso sich der Verfassungsschutz in eine derart dubiose Sache verstrickte. Ich vermute hier massiv sachfremde Interessen."
Und weiter: „Zu lange standen die parteipolitischen Interessen vor dem Schutz der Menschen in diesem Land. Damit muss endlich Schluss sein. Das BVT muss komplett neu aufgestellt werden und gleichzeitig unter rigorose Kontrolle und Aufsicht gestellt werden. In diesem Zusammenhang wird auch das Parlament in Zukunft eine größere und aktivere Rolle spielen müssen“, schließt Krisper und kündigt einen entsprechenden Vorstoß im Parlament an.
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