Budget in Schieflage: Ist Graz nur der Vorbote?
Graz sei nach derzeitigem Stand "für 2023 nicht liquide", formuliert Stadtrechnungshof-Direktor Hans-Georg Windhaber höflich, aber deutlich. Ohne Gegenmaßnahmen könnten nicht einmal mehr Darlehen bezahlt werden.
Die mediale Übersetzung ist nicht ganz so galant: Gemessen an der Warnung wäre die zweitgrößte Stadt Österreichs somit pleite.
Weitergedacht hieße das in letzter Konsequenz: Die Landesregierung müsste als Aufsichtsbehörde einen Regierungskommissär einsetzen und KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr ablösen lassen, den Gemeinderat auflösen – die Folge wären Neuwahlen rund eineinhalb Jahre nach den Kommunalwahlen, die die Kommunisten erstmals überhaupt an die Spitze der Stadt gehievt hatten.
Doch sowohl Stadt- wie Landespolitik kalmierten am Dienstag. „Wir stehen weder vor der Pleite noch vor Neuwahlen“, kommentierte Kahr. Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) und sein SPÖ-Vize Anton Lang – sie sind für die Gemeindeaufsicht zuständig – betonten, sie seien zwar "besorgt" über die Lage in Graz, aber von Neuwahlen sei keine Spur.
Wolfgang Wlattnig, Leiter der Gemeindeabteilung, versicherte, "wir haben Graz auf dem Radar. Die Stadt ist nicht unter den besten Gemeinden, aber auch nicht unter den schlechtesten." Gemessen an den Farben der Corona-Ampel würde Graz zwischen Gelb und Orange leuchten.
Die Wirtschaftslage
Mitte Oktober überschritt Graz erstmals die Grenze von 300.000 Hauptwohnsitzen – binnen zehn Jahren ein Plus von rund zehn Prozent. Dazu kommen noch 47.000 Nebenwohnsitze. In der Stadt sind 10.000 Betriebe mit rund 200.000 Jobs gemeldet, das ist fast die Hälfte aller Arbeitsplätze in der Steiermark
Die Budgetlage
Das Budget 2022 beträgt 1,1 Milliarden Euro – bei einem Schuldenstand von 1,6 Milliarden, der Ende 2023 auf 1,9 Milliarden wachsen dürfte, 2027 auf 2,4 Milliarden. Zum Vergleich: 2005 hatte die Stadt 500 Millionen Euro Schulden
"Erbe von Schwarz-Blau"
Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Laut Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ habe man "einen massiven Schuldenberg als Erbe von Schwarz-Blau übernommen": Die Pro-Kopf-Verschuldung sei 2017 bis 2021 von 3.561 auf 4.793 Euro pro Jahr gestiegen, ein Plus von einem Drittel.
Günter Riegler, bis 2021 ÖVP-Finanzstadtrat, wirft seinem KPÖ-Nachfolger Manfred Eber „Budgetkosmetik“ vor: So habe er einfach 70 Millionen Euro zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs nicht budgetiert, um Überschuss darstellen zu können – und Sozialleistungen somit ausweiten und Gebührenerhöhungen aussetzen zu können. Eber und Kahr konterten unter anderem mit "Kostensteigerungen im Energie- und Baubereich und steigenden Zinsen". Eber kündigte aber einen "Mittelfristplan" an, der die Budgetmisere lösen soll.
Noch bevor Graz publik wurde, hat bereits der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi (Grüne) im KURIER vor den finanziellen Nöten der Gemeinden gewarnt. Und Bundeshilfen für die kommunalen Haushalte eingemahnt, um die extrem gestiegenen Bau-, Personal- und Energiekosten abzufedern: "250 Millionen Euro für die Liquidität hielte ich für extrem wichtig.2
"Gemeinden brauchen Hilfe"
Gemeinde- und Städtebund verhandeln gerade über ein Unterstützungspaket mit ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner. Aus einem Gespräch mit diesem hat Willi mitgenommen: "Ein weiteres kommunales Investitionsprogramm steht außer Streit." Aber das sei zu wenig. "Was nützt eine Investitionsförderung, wenn das Geld für den laufenden Betrieb nicht reicht." Die Grazer Geldsorgen sieht er als Bestätigung: "Jetzt ist hoffentlich mit Graz angekommen, dass die Gemeinden Liquiditätshilfen brauchen."
Karoline Mitterer, Finanzexpertin am Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ), sieht das "ähnlich wie Innsbrucks Bürgermeister. Hier ist jetzt der Bund gefordert. Es wird im nächsten Jahr ein Liquiditätsproblem geben. Es braucht ein entsprechendes Paket und das so schnell wie möglich." Denn die Energiekosten würden jetzt steigen. Und zwar um das "Drei- bis Zehnfache".
Mitterer warnt: "2023 könnten ein Drittel der Kommunen Abgangsgemeinden sein. Das heißt, dass sie ihren laufenden Haushalt nicht alleine decken können." Größere Städte sind besonders unter Druck. "Sie erbringen nicht nur Leistungen für ihre Bevölkerung, sondern für eine ganze Region." Das sei etwa beim energieintensiven öffentlichen Verkehr der Fall.
Wien "grundsolide"
Die Wirtschaftskrise trifft auch Wien hart: 2020 konnte Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) erstmals seit vielen Jahren wieder ein Nulldefizit verkünden. Heute ist man davon weit entfernt. Die Gesamtverschuldung kletterte zwischen 2020 und 2021 von 7,8 Milliarden auf neun Milliarden Euro. Die Neuverschuldung lag bei 1,28 Milliarden Euro. Trotz der aktuellen Herausforderungen stehe aber Wien "grundsolide" da, betont eine Hanke-Sprecherin. "Die Ratingagentur Moody’s bewertete in ihrer außertourlich veröffentlichten Prüfung die Stadt unverändert mit ,Aa1-stabil."
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