"Eine Flüchtlingsunterkunft hätte das Aus für die Kaserne bedeutet"

Bürgermeister Stefan Visotschnig mit Johanna Mikl-Leitner, damals Innenministerin
Die Unterkärntner Gemeinde Bleiburg hat sich erfolgreich gegen die Pläne des Verteidigungs- und Innenministeriums gewehrt. Nun sieht man sich mit der nächsten Herausforderung konfrontiert: einem Grenzzaun zu Slowenien.

KURIER-Dossier: Wie die Flüchtlingskrise Österreich veränderte

Seit 2003 ist Stefan Visotschnig (SPÖ) Bürgermeister der Stadtgemeinde Bleiburg. Zu seinen größten politischen Erfolgen zählen aber nicht nur kommunalpolitische Agenden wie Straßen- und Kanalbau, sondern das rigorose Vorgehen gegen Vorhaben der Bundesregierung. Im Interview mit dem KURIER erzählt der rote Ortschef, wie es der Unterkärntner Gemeinde im vergangenen Jahr ergangen ist.

KURIER: Herr Visotschnig, 2015 haben Sie – wenn Sie es so wollen – einen Punkt- Satz-Sieg gegen die Bundespolitik eingefahren.

Stefan Visotschnig: Achso, was meinen Sie?

Sie haben verhindert, dass die Kaserne in Bleiburg zu einer Flüchtlingsunterkunft wird. Empfinden Sie das als einen persönlichen Sieg?

Nein, persönlich nicht. Wir, Gemeinde und Land, haben vehement gegen diesen Plan protestiert. Als Verteidigungsminister Klug damals mehrere Kasernen, darunter auch die in Bleiburg, als Unterkunft für Flüchtlinge ins Spiel gebracht hat, waren wir überrascht und verunsichert. Niemand wurde über die Pläne informiert, erst über die Medien haben wir erfahren, dass die Bediensteten raus müssen und Flüchtlinge rein kommen sollen. Ich muss Ihnen ja nicht sagen, was sowas für die Moral bedeutet.

Wäre es so schlimm gewesen, wenn Flüchtlinge in die Kaserne eingezogen wären?

Die Gemeinde Bleiburg hat im Gegensatz zu anderen Ortschaften ihre Quote erfüllt. Außerdem haben wir zu der Zeit auch für den Erhalt der Kaserne gekämpft, die ja im Zuge eines Sparpakets geschlossen werden sollte. Wenn Flüchtlinge einquartiert worden wären, hätte das Militär wo anders hin verlegt werden müssen und Arbeitsplätze wären verloren gegangen. Das hätte auch das Aus der Kaserne bedeutet, einer Institution in Bleiburg, die zum Ortsbild gehört. Zum Glück konnten wir das mit Hilfe aller Beteiligten verhindern.

Sie argumentierten mit dem Flächenwidmungsplan. Darüber schien die Innenministerin Mikl-Leitner nicht Bescheid gewusst zu haben.

Sie war falsch informiert. Sie wusste nicht, dass das Areal der Kaserne als 'Sondergebiet Kaserne' festgelegt ist. Die Widmung lässt die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft also gar nicht zu. Allerdings waren wir bereit, die Quote in der Gemeinde zu erhöhen. Bleiburg hat schon in schwierigeren Zeiten Flüchtlinge beherbergt, wie etwa in der Zeit des Jugoslawien-Krieges. Seit damals haben sich einige Flüchtlinge hier niedergelassen, eine Familie gegründet und sich hervorragend integriert.

Wie sieht es denn heute mit der Integration aus?

Die Integration von Flüchtlingen ist schwierig, weil die Fluktuation einfach zu hoch ist. Kaum hat sich ein Asylwerber in Bleiburg eingelebt, ist er schon wieder weg. Fast niemand bleibt hier. Und jetzt stellen Sie sich mal vor, Gemeindebürger bieten freiwillig ihre Hilfe an, Deutschkurse zum Beispiel oder auch Wandertage, um die Stadt und die Traditionen besser kennenzulernen, und dann kommen wöchentlich immer wieder Busse mit Flüchtlingen, die nicht wissen, wo sie sind oder was überhaupt los ist. Das geht an die Substanz.

Bleiburg gehört zum zweisprachigen Gebiet in Kärnten. War es für die Gemeinde einfacher, die Herausforderung der verschiedenen Kulturen zu bewältigen?

Vor drei Jahren, als die ersten Flüchtlinge aus Kriegsgebieten zu uns kamen, waren wir überrascht. Wir konnten nicht glauben, wie schnell das alles geht. Mittlerweile ist es aber ein gewohntes Bild, wenn ein Flüchtling mit dem Fahrrad durch die Stadt fährt oder sich vor der Pension Linde aufhält.

Der Gasthof Linde gilt als eine Art Pension für Flüchtlinge. Wie sind die Erfahrungen damit?

Die Familie Stefitz, die den Gasthof renoviert hat, und alle Ehrenamtlichen leisten hervorragende Arbeit. Das muss ich mal sagen. Wenn jemand nur das Geld hinter der Flüchtlingsbetreuung sieht, wird es sicherlich nicht klappen. Aber die Familie Stefitz ist sehr engagiert, es werden Tischtennis-Turniere veranstaltet und man trifft einander auch außerhalb des Gasthofs. Die Sorgen der umliegenden Nachbarn haben sich in Luft aufgelöst.

Apropos Nachbarn: Das Innenministerium beabsichtigt, einen Grenzzaun zum südlichen Nachbarn Slowenien zu bauen.

Ich bin klar gegen einen Zaun und bin mir auch sicher, dass es im Gemeinderat keine Mehrheit dafür geben wird. Wir stehen in freundschaftlicher Verbindung zu unserem südlichen Nachbarn und den Partnergemeinden in Slowenien. Das Ziehen von Zäunen tut beiden Nationen im Herzen weh. Wir werden uns als Kollektiv dagegen wehren. In der Gemeinde und im Bezirk ziehen wir an einem Strang.

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