„Auch für queere Menschen muss Platz sein“

Margit Angerlehner ist Damenkleidermacherin, Landesvorsitzende von Frau in der Wirtschaft und Bürgermeisterin der 1.900-Einwohner-Gemeinde Oftering (Linz-Land). Seit Donnerstag ist die 51-jährige Landtagsabgeordnete auch Obfrau des ÖVP-Landtagsklubs. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Kindern.
KURIER: Die ÖVP präsentiert sich als Partei von mittelalterlichen bis älteren Männern.
Margit Angerlehner: Das stimmt nicht. Wir haben ganz viele Junge. Allein wenn ich an meine Gemeinde denke. Da sind viele junge Burschen dabei.
Bei den Auftritten von Karl Nehammer und Christian Stocker hat man nicht den Eindruck, dass das eine jugendliche Partei ist.
Natürlich zählt Erfahrung auch. Wir haben zum Beispiel Claudia Plakolm, die die Jungen vertritt und das perfekt macht. Es braucht eine gute Mischung von Jungen und Älteren, von Frauen und Männern.
Warum sind Sie Klubobfrau geworden?
Ich bin vom Herrn Landeshauptmann gefragt worden, ob ich diese Position übernehmen möchte. Dann überlegt man natürlich ganz kurz und freut sich dann, wenn man Obfrau des größten Landtagsklubs in Oberösterreich wird.
Man tritt gerne in Fußstapfen, wo es gut läuft. Das Fundament ist da.
Sind Sie nicht eine Quoten- bzw. Alibifrau?
Nein. Ich bin keine Befürworterin von Quoten, weil ich nichts davon halte, nur wegen des Geschlechts eine bestimmte Position zu bekommen.
Bei der Entscheidung des Landeshauptmanns wird es sicher eine Rolle gespielt haben, dass Sie eine Frau sind.
Das hoffe ich nicht und glaube ich auch nicht. Es wäre ein Wahnsinn, wenn man das als Entscheidungsgrundlage nimmt.
Es gibt manche, die behaupten, Sie sind deshalb Klubobfrau geworden, weil Sie eine Freundin von Stelzers Frau Bettina sind?
Das ist das Nichtwissen derjenigen, die das schreiben. Zu der Zeit, als ich in Linz-Land in der Organisation Frau in der Wirtschaft begonnen habe, wusste ich lange gar nicht, dass Bettina die Frau von Thomas Stelzer ist, der zu der Zeit noch nicht Landeshauptmann war. Bettina und ich haben uns über Gespräche gefunden, über die Kinder, die Mode etc. Da sind wir zusammengewachsen. Ich lege sehr viel Wert auf ihre Meinung, sie auf meine. Es ist eine Freundschaft entstanden. Bettina und ich reden fast nie über Politik.

Ihre Karriere ist erstaunlich. Sie haben sich von unten nach oben gearbeitet, sie haben die Hauptschule und dann die Haushaltungsschule in Mistelbach absolviert.
Dann habe ich die Lehre und die Meisterprüfung und mich selbstständig gemacht.
Sie haben sich hochgearbeitet?
Ja, absolut.
Zur Bürgermeisterin muss man auch erst einmal gewählt werden.
Das ist die härteste Wahl, weil über die eigene Person abgestimmt wird. Oftering war seit dem Zweiten Weltkrieg immer eine rote Gemeinde. Wir haben sie umgedreht.
Was macht Ihren Erfolg aus?
Ich war eine Quereinsteigerin. Ich hatte kein Netzwerk, das mich getragen hat. Ich habe in der Wirtschaftskammer begonnen. Dann ist da immer jemand, der sagt, das ist eine G’schickte, man bekommt die nächste Funktion. Wenn man fleißig ist, kommt man vielleicht wieder eine Stufe höher.
Wie sind Sie Bürgermeisterin geworden?
In Oftering war es so, dass der Bürgermeisterkandidat abhandengekommen ist. Ich habe mich der Wahl gestellt. Die politische Arbeit in Oftering ist sehr herausfordernd. Nach wie vor. Man wird strukturiert, arbeitet die Dinge gut aus, befragt die Menschen. In der Maßschneiderei war es ähnlich, denn Oftering ist nicht die Modemetropole. Dort hat niemand auf mich gewartet, ich habe ganz klein beginnen müssen. Aber ich konnte mein Geld verdienen. Die Qualität muss stimmen. Ich habe gelernt, dass ich nicht weiterkomme, wenn ich nicht gute Arbeit liefere.
Was ist eine G’schickte?
Ich bin eine unglaublich strukturierte Person.
Was bedeutet das?
Ich halte mich nicht so lange mit den Dingen auf. Ich überlege sie mir vorher gut, wie wir sie angehen, und dann gehe ich konsequent die Wege. Ich setze die Dinge sofort um. Am Ende des Tages waren die Resultate positiv.
Ich bin aber auch eine Teamplayerin. Einer allein kann nicht erfolgreich sein. Es ist notwendig, Teams zu bilden und Menschen zu motivieren, Funktionen zu übernehmen. Schwierig ist auch, Wahllisten zu erstellen, denn hier ist es notwendig, dass sich die Menschen deklarieren.
Werden Sie alle Funktionen behalten?
Bei Frau in der Wirtschaft bin ich in der zweiten Funktionsperiode. Mehr sind nicht erlaubt, diese Funktion läuft 2026 aus. Das ist auch gut so. Neue Leute bedeuten neue Ideen.
Das Amt der Bürgermeisterin ist zweitaufwendig, diese Position behalten Sie sich?
Das ist der zeitaufwendigste Job. Ich behalte ihn mir. Ich habe in den drei Jahren so viel in die Gemeinde investiert.
Sie treten 2027 wieder an?
Ich werde es wieder machen. Ich halte es für wichtig, das Wissen des Bürgermeisters in den Landtag einzubringen. Der Landtag trifft viele Entscheidungen, die die Gemeinden umsetzen müssen.
Wann sind Sie eigentlich in Ihrer Schneiderei?
Mittwoch und Sonntag. Zu schneidern ist wie Wellness. Da komme ich runter.
Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen Sie?
Nur mehr eine. Ich will mit der Schneiderei nicht aufhören. Ich habe damit begonnen, mein erstes Geld zu verdienen. Ich weiß auch, dass man Politik nicht unendlich lang machen kann. Ich möchte dann wieder meinen Beruf haben.
Wie geht es Ihnen mit den Freiheitlichen?
Ich muss hier differenzieren. Wenn ich das Wort Kickl höre, ist das für mich persönlich schlimm. Wenn jemand sagt, er ist ein Volkskanzler, kommen die Bilder und Erinnerungen an die Dreißigerjahre hoch, das will ich nicht.
Mit den Freiheitlichen hier in Oberösterreich ist es aber ein wirklich gutes Arbeiten.
Dieselben Landespolitiker, mit denen Sie koalieren, attackieren aber die Bundes-ÖVP massiv. Das stört Sie nicht?
Das ist Parteipolitik, das steht ihnen zu. Solange es die Landespolitik nicht beeinflusst, können sie es machen.
Von manchen wird die FPÖ als rechtsextrem beurteilt. Ist die FPÖ eine rechtsextreme Partei?
Es gibt einen rechten Rand, da gibt es für mich eine rote Linie.
Es gibt ÖVP-Abgeordnete, die beispielsweise mit dem Abgeordneten und Landesparteisekretär Michael Gruber ein Problem haben. Er ist ihnen zu rechts.
Ich kann das nicht so beurteilen. Ich muss mit der FPÖ arbeiten können, Gruber hält sich an die Abmachungen. Im Landtag gibt es keine Probleme.
Wie bewerten Sie seine Aktion, die Regenbogenfahne in den Kübel zu werfen?
Ich kämpfe seit Jahren für die Gleichwertigkeit der Menschen. Ich will inhaltlich nicht dazu Stellung nehmen, es soll sich jeder selbst sein Bild machen. Es ist aber in der Verfassung festgelegt, dass der Gesetzgeber, sprich jede/r Abgeordnete Immunität genießt und diese bewahrt werden soll.
Wie sehen Sie die Diskussion um queere Menschen?
Wenn man Politik machen will, darf man nicht mit Scheuklappen durch das Land gehen. Man muss die Gesellschaft abbilden und auch vertreten können. Die Welt verändert sich, die Menschen verändern sich, die Politik muss sich auch verändern. Auch für diese Menschen muss in der Politik Platz sein.
Wo sehen Sie Ihren Gestaltungsauftrag, was möchten Sie gerne realisieren?
Mich hat immer gestört, wenn die Politik pauschal verurteilt worden ist. Meine Antwort war, man muss etwas dagegen tun. Es schreien immer nur jene, die nichts tun, die bei keinem Verein sind etc. Ich habe denen stets geantwortet, nicht aufregen, sondern etwas dagegen tun. Wenn jeder einen Teil seines Lebens für die Politik, für eine Funktion, für einen Verein zur Verfügung stellt, wird es doch gut weitergehen auf der Welt.
Es ist mir persönlich sehr wichtig, die Nähe zu den Menschen nicht zu verlieren.
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