Kein Platz für Notfall-Patientin: "Das System hat versagt"
Die Oberösterreicherin starb in der Notaufnahme (Symbolbild)
Zusammenfassung
- Eine 55-jährige Frau starb in Oberösterreich, weil kein Intensivbett für eine dringend nötige Herzoperation verfügbar war.
- Mehrere spezialisierte Kliniken in verschiedenen Bundesländern wurden erfolglos kontaktiert, da überall Kapazitätsprobleme herrschten.
- Politik und Behörden fordern nach dem Vorfall eine lückenlose Aufklärung und prüfen Konsequenzen.
Ein akuter Notfall, kein Intensivbett frei - und eine 55-jährige Frau tot: Der tragische Fall aus Oberösterreich schockierte am Wochenende.
Doch wie konnte es so weit kommen? Und welche Folgen hat das, rechtlich wie (gesundheits-)politisch? Ein Überblick.
Was ist vorgefallen?
Der Fall passierte laut Kronen Zeitung bereits vor zwei Wochen: Am 14. Oktober suchte die 55-Jährige selbst die Notaufnahme des Klinikums Rohrbach auf, sie hatte plötzlich starke Schmerzen im Brustbereich bekommen. Die Ärzte diagnostizierten einen Einriss der Hauptschlagader, eine sogenannte Aortendissektion: Das bedingt einen sofortigen chirurgischen Eingriff, allerdings in einem auf Herzchirurgie spezialisierten Haus sowie die anschließende Überwachung in einer Intensivstation.
Doch das Klinikum Rohrbach ist für solche Operationen nicht ausgerüstet. Die Mitarbeiter begannen, entsprechend klassifizierte Krankenhäuser durchzurufen - und sollen bloß Absagen erhalten haben.
Welche Spitäler wurden kontaktiert? Und warum lehnten diese ab?
"Nachdem die Diagnose der Stanford-A-Dissektion gestellt wurde, stand fest, dass die Operation nur durch ein Herzzentrum erfolgen konnte", teilte das Klinikum Rohrbach auf KURIER-Anfrage mit. "Daher wurden zunächst umliegende Kliniken mit Herzzentrum angefragt. Nachdem dort keine Übernahme möglich war, erfolgte auch eine Anfrage nach Passau und Salzburg. Zum Zeitpunkt der Zusage durch das Landeskrankenhaus Salzburg, war die Patientin leider nicht mehr transportfähig."
Fünf Krankenhäuser in mehreren Bundesländern, die über Herzchirurgien verfügen, wurden demnach insgesamt kontakiert: Das Kepler Uniklinikum Linz, das Klinikum Wels, das Klinikum St. Pölten, das Spital Passau sowie das Uniklinikum Salzburg. In der Zwischenzeit versuchten die Ärzte in Rohrbach, den Zustand der Patientin zu stabilisieren.
Aus Wels und St. Pölten kamen jedoch Absagen. Das Uniklinikum Linz war mit Notfällen beschäftigt, dort war kein Intensivbett frei. In Wels fehlte ein Intensivbett; aus dem Klinikum Salzburg hieß es am Sonntag, man hätte Kapazitäten für die Patientin gehabt und sie auch aufgenommen - doch die 55-Jährige sei nicht mehr transportfähig gewesen.
Im Universitätsklinikum St. Pölten ist die Anfrage um 21.30 Uhr eingegangen - doch auch dort war das Team bereits mit einem Notfall beschäftigt. Deshalb sei keine Zusage für eine Übernahme einer externen Patientin möglich gewesen, hieß es am Montag. "Im konkreten Fall lag es nicht an der Verfügbarkeit der Intensivkapazität, sondern an einem akuten Notfall-Patienten, der das herzchirurgische Team beschäftigt hat", lautete eine Stellungnahme.
Sind Patiententransporte in andere Bundesländer üblich?
Ja, das ist trotz des föderalsitischen Aufbaus des österreichischen Spitalswesens nicht ungewöhnlich. Das Problem in diesem speziellen Fall waren nicht Ländergrenzen, sondern Kapazitäten in den jeweiligen Krankenhäusern.
Wie viele Herzchirurgien gibt es in Österreich?
Mehrere Kliniken in Österreich verfügen über Abteilungen, die Eingriffe, wie sie die 55-jährige Patientin in Rohrbach gebraucht hätte, durchführen können. Darunter das AKH Wien, das LKH Graz, das Klinikum Salzburg, das Klinikum St. Pölten, das Klinikum Linz, das Klinikum Wels.
Wie viele Intensivbetten sind vorhanden?
Spätestens seit der Corona-Pandemie und der Probleme, genügend Fachkräfte in den Spitälern im Einsatz zu haben, ist bekannt: Der Bettenstand der Strukturpläne wird nicht immer erfüllt. Laut Aufstellung des Gesundheitsministeriums waren Ende 2024 in Österreich 2.553 Betten für den Bereich Anästhesiologie und Intensivmedizin/Intensivversorgung "tatsächlich aufgestellt", wie es heißt.
- Wien - 696
- Niederösterreich - 385
- Oberösterreich - 385
- Steiermark - 353
- Tirol - 209
- Kärnten - 181
- Salzburg - 178
- Burgenland - 83
- Vorarlberg - 83
Die Auslastung bzw. Verfügbarkeit der Betten hängt vom Personalstand ab: Wegen Personalmangel müssen quer durch Österreich immer wieder Spitalsbetten gespert werden.
Erst in der Vorwoche hatte das Klinikum Linz bekannt gegeben, "planbare Operationen" verschieben zu müssen: Pro Monat werde es um rund 150 Eingriffe weniger geben - es gäbe zu wenig Anästhesistinnen und Anästhesisten und OP-Personal. Das habe aber keinen Zusammenhang mit dem tragischen Fall der 55-Jährigen, hieß es am Montag.
Müssen Intensivbetten für Notfälle freigehalten werden?
Da Spitäler Landessache sind, gibt es keine bundeseinheitliche Regelung, wie mit Kapazitäten umgegangen wird. Am Beispiel der steirischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGES): Sollte die Intensivstation voll belegt sein, wird – wenn medizinisch vertretbar – ein Patient bzw. eine Patientin auf eine nachgeordnete Einheit (Intensivüberwachung) verlegt – so kann ein Intensivbett frei gemacht werden.
Bei OP-Teams könne es außerhalb der Regelbetriebszeit vorkommen, dass alle verfügbaren Ärzte und Ärztinnen mit Operationen beschäftigt sind. Es bestehe zwar ein gemeinsamer Journaldienst, dennoch "kann bei speziellen Eingriffen nur begrenzte Expertise unmittelbar vor Ort vorhanden sein", hieß es bei der KAGES auf Anfrage. Rufbereitschaften stünden aber zur Verfügung.
Folgen nun strafrechtliche Ermittlungen?
Vorerst nicht. Die Staatsanwaltschaft Linz betonte auf KURIER-Anfrage, dass "derzeit in diesem Zusammenhang kein Verfahren bekannt" sei.
Gibt es andere Konsequenzen?
Franz Mittendorfer, Aufsichtsratsvorsitzender der Gesundheitsholding Oberösterreich (OÖG), kündigt eine Sondersitzung des Aufsichtsrates an: Die OÖG ist Träger der Kliniken Linz und Wels-Grieskirchen. Zunächst brauche es aber eine detaillierte Stellungnahme der Geschäftsführung und eine Analyse, wie es zu dem Fall kommen konnte, betonte Mittendorfer gegenüber der APA.
Dabei stelle sich die Frage, ob es Kommunikationsprobleme gegeben habe. Zudem gehe es auch um Nachschärfungen beim Management der Intensivbetten und beim trägerübergreifenden Notfallmanagement: Wenn ein Spital kein Intensivbett habe, das andere kein OP-Team, könne man vielleicht "über seinen Schatten springen", merkte Mittendorfer sinngemäß an.
Wie reagiert die Politik?
Sowohl Landes- als auch Bundespolitik reagierten bestürzt. Christine Haberlander, ÖVP-Gesundheitslandesrätin und Vizelandeshauptfrau in Oberösterreich, versicherte via Medienmitteilung, dass sie die Gesundheitsholding angewiesen habe, den Vorfall zu klären. "Der Tod der Frau ist menschlich eine Tragödie", ließ Haberlander wissen. "Es ist für mich völlig unverständlich, dass hier weder im Bundesland noch über die Bundesländergrenzen hinweg eine rasche Hilfe möglich war."
Auch Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) forderte "lückenlose Aufklärung und eine umfassende Analyse": Kommende Woce werden mit den Gesundheitsreferenten der Bundesländer beraten, wie das Versorgungsmanagement verbessert werden könne.
Die Neos sehen indes ein "Systemversagen": "Wenn in einer Notsituation quer durch mehrere Bundesländer keine Klinik aufnehmen kann, dann hat nicht das Personal versagt, sondern das System", betont der oberösterreichische Landessprecher Felix Eypeltauer. "Diese Tragödie zeigt, dass unser Gesundheitswesen strukturell überfordert ist."
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