Frau in OÖ stirbt nach Einriss der Aorta: "Es gibt kein Zeitfenster für eine OP"
Es ist ein lebensbedrohlicher Notfall: ein Einriss der Hauptschlagader. Dabei kommt es zu einem Riss in der inneren Gefäßschicht. Der Großteil (circa 60 Prozent) ereignet sich herznah in jenem Bereich, an dem die Aorta das Herz verlässt und in den aufsteigenden Teil übergeht (Aortendissektion Typ A). Der Einriss führt zu einer Aufspaltung („Dissektion“) der einzelnen Wandschichten der Aorta. Blut gelangt zwischen die darunter liegenden Schichten, wodurch sich diese trennen. Neben dem eigentlichen Gefäßinnenraum entsteht ein neuer, mit Blut gefüllter Gefäßraum. Die Gefäßwand der Aorta besteht aus insgesamt drei Schichten.
Von der Aorta abgehende Gefäße in diesem Bereich, besonders zum Herzmuskel, können dadurch verschlossen werden, das Herz wird nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls ist hoch. „Eine Einblutung in den Herzbeutel wiederum führt dazu, dass das Herz eingeengt wird und nicht mehr schlagen kann“, sagt eine Herzchirurgin zum KURIER.
Auch von der Aorta abgehende Gefäße zum Kopf können abgedrückt werden.
Gefahr des Platzens
Und der Druck des Blutes, das sich zwischen den Wandschichten „vorwühlt“, kann zu einem kompletten Riss der Aorta führen – eine solche Aortenruptur überleben die meisten Menschen nicht. „Ein Riss im aufsteigenden Teil der Aorta muss so rasch wie möglich mit einem herzchirurgischen Eingriff behandelt werden, da gibt es kein Zeitfenster.“
Mit jeder Stunde ohne Behandlung versterben laut Studien mindestens zwei Prozent der Patienten. Manche Experten gehen sogar von noch höheren Sterberaten pro verstrichener Stunde aus.
Bei einem Einriss der Brustaorta sind heftige, oft stechende Brust- oder Rückenschmerzen („Vernichtungsschmerz“) typisch. Die Schmerzen können auch in andere Körperbereiche ausstrahlen.
Ein solcher Einriss der Aorta in Herznähe macht eine Operation am offenen Herzen notwendig. Der Patient wird an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, die vorübergehend die Pumpfunktion des Herzens und die Sauerstoffanreicherung des Blutes übernimmt. Eine Herzchirurgin bzw. ein Herzchirurg öffnet den Brustkorb. Der von dem Riss betroffene Abschnitt der Aorta wird durch eine Gefäßprothese ersetzt. Dadurch wird der normale Blutfluss wiederhergestellt und die Versorgung aller Organe mit Blut sichergestellt.
Die Risikofaktoren
Ein erhöhtes Risiko haben zum einen ältere Menschen meist zwischen 60 und 80 Jahren, mehr Männer als Frauen. Häufig sind die Gefäßwände durch einen unbehandelten Bluthochdruck oder Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) geschädigt und dadurch geschwächt. Eine prominente Betroffene war die frühere Innenministerin Liese Prokop, die am 31. 12. 2006 auf dem Weg ins Krankenhaus an den Folgen eines Risses der Aorta starb.
Auch Junge betroffen
Eine zweite Risikogruppe sind junge Menschen, häufig zwischen 20 und 40 Jahren, die von einer erblich bedingten Erkrankung des Bindegewebes betroffen sind. Bei ihnen ist die Sterblichkeit besonders hoch, weil der Aorteneinriss häufig übersehen wird und die Schmerzen oft als Rückenschmerz fehlinterpretiert werden. Zu diesen Erkrankungen zählen zum Beispiel das Marfan-Syndrom, das Turner-Syndrom sowie das Ehlers-Danlos-Syndrom.
Auch Verletzungen können einen Riss in der Gefäßwand verursachen.
- Die Aorta hat die Aufgabe, das aus dem Herzen kommende sauerstoffreiche Blut im Körper zu verteilen. So fließen etwa 200 Millionen Lieter Blut im Lauf eines Lebens aus dem Herzen in die Aorta und verteilen sich im Körper, um Organe wie das Herz, das Gehirn, das Rückenmark, die Muskeln, die Bauchorgane sowie Arme und Beine mit lebenswichtigem Sauerstoff zu versorgen.
- Die Aorta entspringt direkt der linken Herzkammer und hat bei einem gesunden Erwachsenen einen Durchmesser von etwa 2,5 bis 3,5 Zentimetern. Sie hat die Form und Verlauf eines Wanderstocks, der von rechts vorne nach hinten links gedreht ist und nach unten entlang der Wirbelsäule verläuft.
Eine gesicherte Diagnose ist zumeist erst mit einer Computertomografie möglich. Kommt ein Patient mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Klinik, ist auch bereits im Ultraschall erkennbar, ob es wirklich ein Infarkt oder ein Einriss im aufsteigenden Teil der Aorta ist. Auch ein Unterschied des Blutdrucks zwischen beiden Armen weist auf eine Aortendissektion hin.
Im Winter treten mehr Fälle auf als im Sommer. Eine Erklärung ist, dass die Temperaturunterschiede im Winter zwischen drinnen und draußen Blutdruckschwankungen begünstigen, die ein Risikofaktor sind.
Pro 100.000 Einwohner wird in Ländern wie Österreich oder Deutschland von drei bis fünf Fällen jährlich ausgegangen. Doch laut einer Studie des Deutschen Herzzentrums an der Charité könnten Aortendissektionen mit hoher Wahrscheinlichkeit viel häufiger auftreten als bisher angenommen. Die im International Journal of Cardiology erschienene Studie kam auf einen mehr als doppelt so hohen Wert, nämlich 11,9 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Für diese Arbeit wurden unter anderem mehr als 14.000 Autopsieberichte ausgewertet und erhoben, wie viele Patientinnen und Patienten in Berlin und Brandenburg an einer Aortendissektion verstorben sind, die nicht rechtzeitig operiert werden konnten.
Ein Einriss im absteigenden Teil der Aorta (Dissektion Typ B) ist seltener und meist weniger zeitkritisch. Unkompliziertere Fälle können konservativ behandelt werden, etwa mit konsequenter Blutdrucksenkung. Reicht das nicht, wird minimalinvasiv eine Gefäßstütze in den betroffenen Teil der Aorta eingeführt, um sie zu stabilisieren. Dieser Eingriff wird von Gefäßchirurginnen bzw. Gefäßchirurgen durchgeführt.
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