Amokfahrt in Linz: Elfjährige Tochter als Lebensretterin?
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Drei schwer verletzte Menschen – das ist das erschütternde Fazit einer Amokfahrt am Montag in Linz. Wie die Ermittlungen am Dienstag ergaben, hätte dieses jedoch noch viel schlimmer ausfallen können: Eine mutige elfjährige Tochter und eine Ladehemmung durchkreuzten jedoch mutmaßliche Pläne eines 41-jährigen Irakers - dieser schweigt.
Während am Montag direkt nach der Tag noch vieles im Dunkeln schwebte, brachten Ermittlungen am Dienstag Licht: Bereits im Oktober 2022 hatte nach einer Wegweisung eine 42-jährige Rumänin eine einstweilige Verfügung über ihren Ehemann verhängt. Seither war dieser obdachlos, so die Polizei, beziehungsweise zuletzt in einer Notschlafstelle in Linz gemeldet. "Die Frau hat alles richtig gemacht", sagt Polizeisprecher David Furtner, der nach der Einvernahme des Opfers den Tathergang in der Wohnung schilderte.
Gegen 6.48 Uhr hätte die Frau mit ihrer elfjährigen Tochter ihre Wohnung verlassen. Weit kam sie jedoch nicht: Im Stiegenhaus hätte ihr ihr Mann aufgelauert, sei sofort aggressiv geworden und hätte sie attackiert. Er drängte sie und ihre Tochter zurück in die Wohnung und stach der 42-Jährigen sogar drei Mal in den Oberkörper. Die Elfjährige hätte versucht, den Mann von ihrer Mutter wegzudrängen. Scheinbar mit Erfolg: Er floh und fuhr dabei einen 26-jährigen Polizisten sowie eine 21-jährige Polizistin mit dem Auto nieder, so die Polizei.
Wie aus Zeugeneinvernahmen hervorging, hatte der 26-Jährige die 21-Jährige als der Wagen auf sie zufuhr noch zur Seite gestoßen. Die Polizistin sei deshalb „nur“ mit dem Bein unter das Auto geraten, den 26-Jährigen hätte es durch den Zusammenprall hingegen 14 bis 17 Meter weggeschleudert.
17 Meter durch Luft geschleudert
Der 41-Jährige schnappte sich schließlich das Sturmgewehr des 26-Jährigen und setzte seine Flucht weiter fort. Diese endete einige Hundert Meter später – wie die Polizei am Dienstag informierte, ergab er sich wahrscheinlich jedoch nur aufgrund einer Ladehemmung des Sturmgewehrs.
Einen Tag nach der Amokfahrt eines Irakers durch Linz hat die Polizei am Dienstag noch den Fahrer eines weißen Kastenwagens, der von dem Verdächtigen mit einem Sturmgewehr bedroht worden war, gesucht. Der Verdächtige dürfte dabei auch geschossen haben. Mit dem Transporter hatte der 41-Jährige offenbar seine Flucht fortsetzen wollen, wurde jedoch von Polizisten festgenommen.
Die Person hinter dem Steuer des weißen Kastenwagens konnte entkommen, als Polizisten mehrere Schüsse abgaben, um so den 41-jährigen zum Aufgeben zu zwingen. Die Polizei bittet, dass sich der bedrohte Fahrer oder Fahrerin bei einer Dienststelle meldet.
Zu diesen Vorwürfen sagen wollte der 41-Jährige am Dienstag bei seiner Einvernahme nichts. In einem ersten Statement stritt er alles ab. "Er wird noch heute in die Justizanstalt Linz überstellt", so Furtner.
Einschlägig vorbestraft
Der mutmaßliche Täter, ein 41-jähriger irakischer Staatsbürger, halte sich rechtmäßig in Österreich auf, sagte die Polizei Oberösterreich.
Dem Mann wurde im Jahr 2011 subsidiärer Schutz, nicht Asyl gewährt. Danach wurde der Mann straffällig, unter anderem wegen Körperverletzung gegen seine Ex-Frau. Höhepunkt war eine – bereits verbüßte – teilbedingte Haftstrafe. Nach dieser rechtskräftigen Verurteilung wurde ihm der subsidiäre Schutz 2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) abgesprochen – eine freiwillige Ausreise mit einem fünfjährigen Einreiseverbot sei vereinbart worden. Ausgereist dürfte der Mann nicht sein. Nur wenig später heiratete er jene 42-jährige Rumänin, die am Montag sein Opfer wurde. Weil diese eine EWR-Bürgerin ist (Europäischer Wirtschaftsraum), stellte er 2018 einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel.
Vom Magistrat genehmigt
2019 erhielt er noch die Bestätigung der Aberkennung des subsidiären Schutzes durch das Bundesverwaltungsgericht. Nachdem er bis zum Verwaltungsgerichtshof alle Instanzen ausgeschöpft hatte, erhielt er 2020 durch den Magistrat Linz dennoch eine Aufenthaltskarte. Und das, obwohl Verurteilung sowie jede weitere Anzeige des Mannes bekannt gewesen sein müsste. Allerdings wurde in dieser Zeit jener Teil des Bescheides, der die Rückkehrentscheidung betrifft, ersatzlos aufgehoben.
Wie Thomas Roßgatterer, Leiter der Abteilung Aufenthaltsrecht des Magistrats, dem KURIER gegenüber erläuterte, werde jede Anzeige betreffend Personen mit Aufenthaltstitel von der Landespolizeidirektion an sie übermittelt – ebenso ans BFA.
Auf den aktuellen Fall könne er aus Datenschutzgründen nicht eingehen. „Ob eine Person ausgewiesen werden darf oder nicht, entscheidet das BFA. Wird jemand straffällig, müssen wir eine Anfrage dorthin stellen. Erst wenn diese positiv ist, können wir ein Kartenungültigkeitsverfahren einleiten“, erläutert er das übliche Prozedere in solchen Fällen. Im aktuellen Fall sei das Aberkennungsverfahren bereits im Laufen, sagt die Polizei.
Heftige Streitereien
Verkomplizieren könnte es in diesem Fall die nach wie vor aufrechte Ehe mit dem Opfer, denn hier greife auch das Recht auf Familienleben.
Wobei dieses wohl nur mehr bedingt stattgefunden hat: Bereits des öfteren war die Polizei zu Streitigkeiten des Paares ausgerückt. Auch hatte er bereits eine Gewaltpräventionsberatung hinter sich.
Auf den Vorfall am Montag reagiert auch die Stadt Linz. Auf Initiative von Frauenstadträtin Eva Schobesberger (Grüne) soll nächste Woche ein „Austausch-Treffen“ zum Thema Gewalt stattfinden. Der genaue Termin war am Dienstag noch unklar.
Fix ist, dass neben Organisationen wie dem Gewaltschutzzentrum und Verein „Neustart“ auch Stadtpolizei sowie Sicherheitsstadtrat Michael Raml (FPÖ) und Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) teilnehmen sollen.
„So tragisch der Vorfall auch ist, so etwas ist weder von Polizei noch von Politik oder der Gesellschaft verhinderbar. Ich will mir aber aus erster Hand ein Bild machen, wo noch etwas getan werden kann“, so Luger. Die Aufgabe der Stadt sieht er klar in der Bewusstseinsbildung: „Besonders bei Buben und jungen Männern.“ Zudem sei Fakt, dass „niederschwellig gewaltbereite Männer überproportional aus dem arabischen Raum kommen.“ „Der Schlüssel ist, dass sich nicht nur Frauen, sondern auch Männer über Gewalt gegen Frauen Gedanken machen“, so Schobesberger.
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