Linz: Stadt lässt eigenes Erbe schleifen

Linz: Stadt lässt eigenes Erbe schleifen
Bald muss ein Teil der historischen Arbeitersiedlung in der Sintstraße Neubauten weichen.

Als der damalige Stadtbaudirektor Curt Kühne seine Siedlung in der Sintstraße entwarf, dachte er an die Arbeiter, das Proletariat, das trotz der Wirren der Zwischenkriegszeit ein ordentliches Dach über dem Kopf bekommen sollte. Und nicht nur das: Die Bewohner sollten auch Grünanlagen vor der Haustüre haben, die zugleich als Garten und Gemeinschaftsraum dienen sollten.

Eine Idee also, die heute zeitgemäßer ist denn je – und zugleich ein politisches Statement, das auch 90 Jahre nach seiner Erbauung für das „rote Linz“ steht. Nun dürften die Tage für einen Teil der historischen Anlage aber gezählt sein; am Montag trat der Beirat für Stadtgestaltung zusammen. Thema unter anderem: Ein Projekt der Strabag und der Gemeinnützigen Wohngemeinschaft der Stadt Linz, das einen Abriss von sieben der 18 Häuser in der einstigen Vorzeige-Siedlung vorsieht. Stattdessen sollen dort Neubauten entstehen, ebenso wie eine Tiefgarage.

Zwar hat der Beirat eine Wiedervorlage des Projektplans mit Nachbesserungen gefordert, de facto steht aber fest: Das Vorhaben wird umgesetzt – den jahrelangen Diskussionen um die Zukunft des Areals und der vielen Kritik zum Trotz. Politisch machte sich vor allem Linz Plus für den vollständigen Erhalt der Siedlung stark. Gemeinderat Lorenz Potocnik, seines Zeichens studierter Architekt, hatte bis zuletzt darauf gehofft, dass der Beirat zurückrudert. Vor allem, da die Siedlung 2012 noch gesamtheitlich unter Denkmalschutz gestellt wurde. 2020 wurde sie jedoch an den Höchstbieter verkauft, und das Landeskonservatorat des Bundesdenkmalamtes hat den Abriss der sieben Gebäude ermöglicht.

„Die neue Leitung des oberösterreichischen Bundesdenkmalamtes hat die sieben Häuser zum Abschuss freigegeben, ohne auch nur einen Entwurf gesehen zu haben“, kritisiert Potocnik. Ihm blutet angesichts des Vorhabens das Herz; Kühnes Projekt sei „gebaute Sozialdemokratie“. Zudem sei die Arbeitersiedlung ein international bedeutsames Beispiel für eine Gartenstadt, ein architektonisches Modell, das sein Ursprung einst in England hatte.

Alt und Neu

Völlig anders sieht das SPÖ-Planungsstadtrat Dietmar Prammer. „Kühne hätte aber wohl auch gewollt, dass Menschen in seiner Siedlung leben können“, kontert er. Das sei in den desolaten Gebäuden nämlich nicht mehr möglich. Kurzsichtig gehandelt zu haben, das will er sich nicht nachsagen lassen; die Stadt habe als frühere Eigentümerin lange versucht, das Areal zu retten. Unterm Strich habe es jedoch an den finanziellen Mitteln gefehlt.

Das Projekt ermögliche laut Prammer nun ein Nebeneinander von Alt und Neu: von den geplanten Neubauten am Rand der Siedlung ebenso wie von den historischen Gebäuden um den zentralen Anger, die auch wesentlich den Gartenstadt-Charakter ausmachen würden. „Dieser Altbestand soll aufwendig saniert werden und Wohnen wieder ermöglichen“, so der Stadtrat.

Das Bundesdenkmalamt hat das Vorhaben bereits abgesegnet. „Diese Hybridlösung ist ein sehr gangbarer Weg, der die sensible Sanierung von Bestandsbauten mit einem Weiterdenken und Weiterentwickeln des kulturellen Erbes verbindet“, heißt es in einer Stellungnahme zu dem Projekt. Eine Sanierung der sieben Häuser, die bald Geschichte sein werden, könne weder denkmalgerecht noch kostenrelevant erfolgen.

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