Eva Schobesberger will als erste Frau das Bürgermeisteramt in Linz erobern.
KURIER: Frau Schobesberger, fühlt sich Grüne Politik machen zurzeit nicht an wie ein Kampf gegen Windmühlen?
Eva Schobesberger: (lacht). Es ist ambivalent. Manchmal ist es das, aber viele Menschen reden mich an und sagen, super, dass Sie kandidieren, gerade jetzt muss man starke grüne Politik machen.
Die Nationalratswahlen in Linz waren kein Erfolg für die Grünen – sie sind vom zweiten auf den vierten Platz abgestürzt.
Das ist natürlich alles andere als erfreulich, da fängt man zum Nachdenken an.
Schaffen Sie es in die Stichwahl?
Ich gebe mein Bestes, Prognosen habe ich keine.
Warum greift auch lokal der Populismus der FPÖ so viel besser als Grünen-Politik?
Das kann ich nicht beantworten. Ich bin überzeugt, dass es vor allem für die gesamte Gesellschaft besser ist, wenn man Sachpolitik macht.
Der Klimawandel ist so stark zu spüren, dennoch verfängt Ihre Politik schwer.
Es herrschen gerade Stimmungen, wo Menschen Angst haben. Die Stimmung ist nicht direkt gegen die Grünen, aber für viele Menschen stehen andere Dinge im Vordergrund. Umso wichtiger ist es, an dem dran zu bleiben, was für uns alle, für die Zukunft, wichtig ist.
Können die Grünen die Absage der Umwidmung im Grüngürtel für sich verbuchen?
Das ist ein wichtiger Erfolg, nicht nur für uns Grüne, sondern für uns Linzerinnen und Linzer. Weil dieser wertvolle Schatz für die Stadt und die Lebensqualität in der Stadt wichtig ist.
Eva Schobesberger wurde am 14. August 1976 geboren und ist verheiratet. Seit 2009 ist sie Stadträtin für die Grünen
Die Juristin war Studienassistentin am Institut für Frauen- und Geschlechterforschung an der Johannes-Kepler-Uni in Linz und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rechtsgeschichte, von 2003 bis 2009 Büroleiterin von Stadtrats Jürgen Himmelbauer
Sie hat sich im Arbeitskreis gegen Sexismus in und um Kulturinitiativen engagiert und war vier Jahre im Vorstand der KUPF-Kulturplattform OÖ
Braucht es die Digital-Uni als eigene Universität und wo soll sie errichtet werden?
Je mehr Bildungseinrichtungen es gibt, umso besser ist es. Es gibt keinen besseren Universitätsstandort als die PostCity. Man ist mit dem Zug in einer Stunde am Flughafen Wien, sogar mit dem Auto ist man gut angebunden. Und es ist mitten im Stadtzentrum. Nichts belebt eine Stadt so wie eine Uni. Das hat man auch mit der Kunstuniversität am Hauptplatz gesehen, das hat der Stadt unglaublich gutgetan.
Mit Bürgermeister Klaus Luger waren Sie sich in Klimafragen nicht immer einig, wie schaut es mit Dietmar Prammer aus?
Wir haben auf der Sachebene eine gute Zusammenarbeit, aber unterschiedliche Positionen. In der Frage unterscheidet Dietmar Prammer nichts von Klaus Luger. Auf der einen Seite machen wir hervorragende Klimaarbeit, auf der anderen Seiten machen wir fatale Fehler wie den Bau von Autobahnen und finanzieren das als Stadt Linz noch mit.
FPÖ-Stadtrat Raml kritisiert, dass Sie eine Million Euro für 30 Bäume ausgeben. Wie viele Bäume braucht Linz?
Wir brauchen jeden einzelnen Baum. Das ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Denn in den Stadtteilen, wo wird die Baumoffensive fortsetzen, haben wir viele Menschen mit geringerem Einkommen, sie haben kleinere Wohnungen, keinen Garten und keinen SUV, mit dem sie am Wochenende ins Ferienhaus am Attersee oder ins Mühlviertel fahren. Wir müssen die Aufenthalts- und Lebensqualität in der Stadt verbessern, dass man gerne da lebt.
Ihr Freiheitlicher Konkurrent sagt, in Linz sind Radfahrer und E-Scooterfahrer das große Problem, nicht die Autofahrer.
Das ist eine völlig verschobene Sichtweise, die an der Realität vorbei geht. Grundsätzlich gibt es in jeder Mobilitätsgruppe rücksichtslose Leute. Aber je wuchtiger und größer das Fahrzeug, umso problematischer und gefährlicher ist es. Wir müssen auch bei der Mobilität darauf schauen, dass wir wieder mehr aufeinander achten.
Wie halten Sie es selbst mit dem Autofahren?
Ich habe schon lange kein Auto mehr, mein Mann seit ca. sieben Jahren. Wir haben im Haushalt kein Auto. Beruflich nutze ich es hin und wieder, da bin auch ich froh, dass es da ist.
Wie würde der Verkehr in Linz ausschauen, wenn es eine Grüne Bürgermeisterin gibt?
Wir müssen die Stadt so umbauen, dass wir 2040 kaum mehr Autos haben. Aber nicht, weil wir sie verboten haben, sondern weil man es nicht mehr braucht und auch nicht mehr will. Weil der öffentliche Verkehr attraktiv ist, weil das Radfahren attraktiv ist, weil das Zufußgehen attraktiv ist, weil wir die Aufenthaltsqualität in unseren öffentlichen Räumen so verbessert haben, dass die Menschen kein Auto mehr haben wollen. Das ist meine Vision.
Warum schaffen es die Grünen nicht, die Menschen davon zu überzeugen, aber stattdessen immer noch neue Autobahnen, wie eben in Linz, gebaut werden?
Dass wir es nicht schaffen, stimmt ja nicht. Wir haben auf meine Initiative hin einen Beschluss gegen die Linzer Ostumfahrung gefasst. Im Wahlkampf 2021 habe ich alle anderen Fraktionen darauf festnageln können, dass wir in der ersten Gemeinderatssitzung diesen Antrag eingebracht haben. Aber wenn es um das Auto geht, ist es wirklich schwierig in Linz, da stimme ich zu.
Kann man die Nibelungenbrücke für den individualisierten Motorverkehr sperren?
Das ist eine Vision, die mit den aktuellen Mehrheiten in einer weiten Zukunft liegt. Dass man den Radfahrern nicht einmal diese eine versprochene Spur zur Verfügung stellt, zeugt nicht gerade von einer zukunftsorientierten, mutigen Verkehrspolitik.
Wie beurteilen Sie die Politik von Verkehrsstadtrat Martin Hajart?
Gibt es eine Art „Koalition von SPÖ, ÖVP und Grünen gegen die Autofahrer“, wie Stadtrat Raml das vermutet?
Gegen die Autofahrer bin ja ich auch nicht. Wir müssen den Verkehr in der Stadt so organisieren, dass man mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Rad, zu Fuß besser zurechtkommt. Da würde ich mir mehr Mut und Ambition von den anderen wünschen. Dass man jetzt davon redet, dass man überall in der Stadt Autobahnen braucht und jeder Parkplatz gerettet werden muss, das ist altes Denken, damit werden wir nichts retten.
Spuren für Autos und Parkplätze gehören reduziert?
Ich würde das anders formulieren: Wir müssen den Raum wieder dem Menschen zur Verfügung stellen und vergrößern.
Was besorgt sie mehr: Die steigende Anzahl rechtsextremistischer Anzeigen in Oberösterreich, oder dass die Polizei verstärkt islamistische Radikalisierungstendenzen, gerade bei jungen Mädchen, feststellt?
Mich besorgt alles, was in Richtung Radikalisierung geht, sehr. Wir müssen unser Augenmerk stärker auf die Radikalisierung nach rechts richten. Das ist in der Breite ein größeres Thema.
Linz ist eine Stadt mit einem hohen Ausländeranteil, in vielen Schulen ist das Thema der mangelnden Sprachkenntnisse groß. Was muss in Sachen Integration geändert werden?
Wir müssen die Kinder so früh wie möglich in den Betreuungseinrichtungen haben und so lange wie möglich. Also nicht nur am Vormittag, sondern den ganzen Tag. Kinder lernen nämlich unheimlich viel voneinander. Je früher und besser die Kinder Deutsch lernen, umso größer sind ihre Chancen und die Welt, die sich ihnen eröffnet.
Wie soll es im Brucknerhaus und in der LIVA weitergehen?
Ich wünsche mir, dass man schnell Ruhe hineinbringt. Dazu braucht man keine besondere Hektik, weil die interimistische Leiterin sehr profund wirkt und sehr gute Arbeit macht.
Wenn Sie die Entwicklung des Skandals betrachten, waren die Grünen im Vorfeld zu blauäugig in der Kontrolle?
Was sich vor allem gezeigt hat, ist, dass unsere Strukturen nicht passen. Deshalb habe ich sofort den Antrag gestellt, dass wir alle unsere Strukturen durchleuchten und ändern. Es darf nicht sein, dass die Person, die den größten Einfluss hat als Eigentümervertreter, auch Chef des Aufsichtsratsgremiums ist. Es darf niemand so viel Macht und Einfluss in einer Gesellschaft haben.
Frage an die Frauenpolitikerin: Wie weit sind wir von einer Gleichberechtigung entfernt?
Leider sehr weit. Ich verorte durch die Corona-Zeit auch einen Backlash. Männer sind dort, wo es um Macht und Geld geht, und Frauen dort, wo es um Sorgearbeit geht, die oft unbezahlt und unbedankt ist. Wenn wir das strukturelle verändern wollen, müssen auch Männer für Sorgearbeit Verantwortung übernehmen.
Und wie wollen Sie das als Kommunalpolitikerin gewährleisten?
Da braucht es gesetzliche Regelungen auf nationaler und europäischer Ebene. Etwa eine verpflichtende Väterkarenz, dort wo der Vater vorhanden ist. Wir wissen aus der Männerforschung, dass das ein Schlüssel gegen Gewalt ist. Wir als Stadt arbeiten bewusstseinsbildend, arbeiten sehr stark mit den Schulen zusammen. Wir haben in Linz eine gute feministische Szene, mit denen wir in die Schulen gehen. Es ist niemals das Opfer verantwortlich, sondern der Täter. Dieses Bewusstsein müssen wir schaffen.
Kommentare