109 Buben missbraucht: Einweisung und Haft für Arzt

Vergangenes Jahr saß der Mann vor dem Landesgericht Wels.
Sechs Tage saß der Urologe vor Gericht. Das Urteil: 13 Jahre in Haft und kommt in eine Anstalt. Urteil ist nicht rechtskräftig.

Für fünf Verhandlungstage war dieser Missbrauchsprozess ursprünglich anberaumt, nun wurden es sechs – Großteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Am Mittwoch wurde dann schließlich das Urteil des Gerichts erwartet: 13 Jahre Haft und Einweisung in eine Anstalt lautet dieses.

Die Vorwürfe gegen den Mediziner wogen schwer: 109 Buben soll der 56-jährige Urologe aus dem Salzkammergut sexuell missbraucht haben. 40 davon waren zum Tatzeitpunkt nicht einmal 14 Jahre alt.

Schon zu Prozessbeginn am 26. Mai war klar: Es ist ein komplizierter und aufwendiger Fall. Die Staatsanwaltschaft bereitete sogar per Bildschirmpräsentation eine Gliederung der Vorfälle vor, um den Beteiligten einen Überblick zu geben – und diesen wahrscheinlich auch selbst nicht zu verlieren: Sexueller Missbrauch, schwerer sexueller Missbrauch, Anstiftung zum Dreh von Kinderpornos und die Versorgung von Jugendlichen mit Cannabis – die Hauptanklagepunkte, die dem Urologen zur Last gelegt werden.

Wie der Staatsanwalt in der Verhandlung ausführte, habe der Mann in seiner Privatordination viele Kinder „behandelt“, deren Eltern er gekannt hatte. Spätere Opfer habe er unter anderem bei Aufklärungsunterrichten in Schulen kennengelernt, wo er angeboten habe, telefonisch für Fragen zur Verfügung zu stehen. Sein Köder: Laut Staatsanwaltschaft und Verteidiger sein „jugendlicher Slang“, mit welchem er sich zu den Kindern und Jugendlichen eine gute Vertrauensbasis aufbauen konnte.

Vertrauensbruch

Umso tiefer säße laut Staatsanwalt der Vertrauensbruch: In fünf Fällen geht die Anklage von schwerem sexuellen Missbrauch aus. Drei dieser Jungen sollen laut Anklageschrift gesundheitliche Folgeschäden, in Form von Anpassungsstörungen, davongetragen haben.

Der Verteidiger des Angeklagten sprach zu Prozessbeginn hingegen von „Grenzüberschreitungen“ und dass sich sein Mandant als „Aufklärungscoach“ gesehen habe. Zudem hätte sein Mandant die Missbrauchshandlungen nicht durchgeführt, um selbst dabei erregt zu werden, auch Sex habe nie stattgefunden. Dennoch zeige sich sein Mandant in 90 Prozent der Fälle geständig, was der Angeklagte auch sofort bestätigte: „Ich bekenne mich zu einem Großteil, der mir zur Last gelegten Straftaten schuldig, bedauere es sehr. Ich habe im Rahmen der sexuellen Aufklärung Übergriffe auf jugendliche Burschen begangen.“

Die fehlenden 10 Prozent bestritt er aber, darunter die Anklage bezüglich des Porno-Drehs, der Drogen und jene fünf Fälle des schweren Missbrauchs, wo er die Jungen an den intimisten Stellen berührt haben soll. Laut Angeklagten seien letztere medizinisch indiziert gewesen – Der urologische Gutachter teilte diese Ansicht jedoch nicht, wie dieser vergangenen Mittwoch erläuterte. Nach diesem folgte das psychiatrische Gutachten, laut welchem die Gefahr bestehe, dass er erneut Taten begehe.

Ausgenutzt

Bereits am ersten Tag sprach die Staatsanwaltschaft von einem „Tatplan, der darauf ausgerichtet war, seine berufliche Tätigkeit für regelmäßigen Missbrauch“ zu nutzen. Der Verteidiger nahm sich hingegen vor zu beweisen, dass sein Mandant nicht pädophil sei. Es handle sich vielmehr um den Missbrauch des „Autoritätsverhältnisses“.

Gelungen ist ihm das nicht: Das Gericht verurteilte am Mittwoch den Arzt zu 13 Jahren Haft und einer Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Den Privatbeteiligten wurden vom Gericht Summen in fünfstelliger Euro-Höhe zugesprochen. Zudem darf der Mann nicht mehr als Arzt arbeiten. Der 56-jährige nahm laut Landesgericht Wels alle Berufungsmittel in Anspruch. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

Der Mann wurde wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses, pornografischer Darstellung Minderjähriger und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften schuldig gesprochen.

Mildernd waren die Unbescholtenheit, die sich aber laut Richterin dadurch relativiere, dass der Angeklagte „fast 20 Jahre unentdeckt geblieben ist“. Der Angeklagte habe eine eigene sexuelle Erregung bei den Taten durchgehend bestritten, sagte die Richterin in der Urteilsverkündung. Viele Details hätten das Gericht aber zu der Ansicht gebracht, dass diese sehr wohl gegeben gewesen sei. Auch sei das Schöffengericht überzeugt, dass ihm das Unrecht der Taten bewusst gewesen sei, denn er habe etwa die Opfer aufgefordert, nichts zu erzählen oder die Vorhänge zugezogen.

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