Zwischen Überforderung und Dankbarkeit: Wenn man die Mutter pflegt
Im November fing es an: Mitten in der Nacht klingelt das Telefon von Petra M., am Apparat die 71-jährige Mutter, sie redet wirres Zeug. Anfang Februar stürzt sie und kann alleine nicht mehr aufstehen. Sie muss ins Spital.
Einige Tage später die erschütternde Diagnose: Lungenkrebs und Metastasen im Kopf, die Prognose nach der erfolgten Strahlentherapie – sechs bis zehn Monate bleiben noch. Seit fünf Wochen ist die Mutter zu Hause. Petra M. kümmert sich um sie und ihren 81-jährigen Vater, die in einer Wohnung fast gegenüber wohnen.
„Sie kann nicht mehr gehen. Die Metastasen drücken auf das Steh- und Gehzentrum, manchmal sieht sie auch nichts“, erzählt die 45-Jährige aus dem Bezirk Zwettl (NÖ). Sie kocht, macht die Wäsche, kümmert sich um Arzttermine und die Medikamente.
Die Mutter wäscht sich mit einem Lappen, duschen ist nicht mehr möglich. Daher – und wegen der Medikation – bemüht sich M. um eine Hauskrankenpflege, die ein bis zwei Mal pro Woche kommen soll, um die Mutter zu duschen. Sie selbst kann es nicht: „Ich habe 55 Kilo, meine Mama hat 100, außerdem kann ich das wegen meines Rückens auch nicht.“ Seit 2007 ist M. wegen eines Wirbelsäulenschadens in Frühpension.
Unterstützung gebraucht
Bisher waren ihre Bemühungen vergebens: „Ich habe es bei der Caritas, beim Hilfswerk und bei der Volkshilfe versucht. Alle haben mir gesagt, dass sie im Moment keine neuen Klienten aufnehmen können.“ Caritas-Sprecher Christoph Riedl bestätigt das: „Im Bezirk Zwettl hatten wir schon vor der Corona-Krise offene Stellen und zu wenig Personal. Die Situation ist jetzt nicht besser geworden, da Personen, die selbst zur Risikogruppe gehören, keine Hausbesuche mehr machen. Teilweise können wir hier keine neuen Patienten mehr versorgen.“
Seitens der Volkshilfe NÖ heißt es, dass man personaltechnisch gut aufgestellt sei und dass auch Corona bedingte Ausfälle durch Quarantäne etc. kompensiert werden könnten und man Kunden aufnehmen würde. Auch beim Hilfswerk NÖ sei das je nach regionaler Kapazität der Fall. „Dann scheint unsere Situation noch nicht schlimm genug zu sein“, sagt Petra M.
Mit dem Versuch, eine mobile Pflege aufzutreiben, hat sie einen Antrag auf Pflegegelderhöhung bei der Pensionsversicherungsanstalt (PV) gestellt. „Auch das war eine Odyssee. Wegen der Corona-Krise können sie keine Gutachter schicken.“ Ihr wurde mitgeteilt, dass sie das Pflegegeld rückwirkend erhalten würde.
„Aber wir hatten ja jetzt die Ausgaben – der Rollstuhl, der Leibstuhl, Einlagen fürs Bett – das alles kostet“, erzählt sie. Schlussendlich sei man ihr entgegengekommen. Bei besonders dringenden Fällen könne eine aktenmäßige Entscheidung gefällt werden, sagt PV-Sprecher Markus Stradner.
Die ganze Situation lastet schwer auf den Schultern der Niederösterreicherin, die selbst Mutter eines 12-Jährigen ist. „Ich weiß nicht, wie das mit dem Waschen weitergehen soll und auch so wird sich ihr Zustand zusehens verschlechtern.“
Gerade jetzt würde sie auch den Beistand ihrer Freunde brauchen. „Es belastet mich sehr, dass ich niemanden treffen kann. Aber ich will meine Mama auf keinen Fall gefährden“, sagt sie.
Einerseits ist sie überfordert, andererseits ist sie froh, dass ihre Mutter zu Hause sein kann und es ihr nicht noch schlechter geht, sagt Petra M. „Sonst müsste sie in ein Pflegeheim oder ins Spital und in der jetzigen Situation wäre sie ganz alleine, wir könnten sie nicht einmal besuchen. Das wäre für uns alle furchtbar.“ Marlene PeNZ
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