Wohnbau-Krimi: Monsterprozess um 22 Millionen Euro Schaden
Den angerichteten Gesamtschaden beziffert die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mit 22,395 Millionen Euro. Traut man der 81 Seiten umfassenden Anklage, ist es einer der größten Wohnbau- und Finanzskandale, den es in den vergangenen Jahren gegeben hat.
In der Causa um die ehemals gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft „die Eigentum“, die mit Forderungen von knapp 50 Millionen Euro in die Pleite schlitterte, startet am 30. September mit einem Jahr Verspätung der Monsterprozess am Landesgericht Wiener Neustadt.
In mindestens zwölf Verhandlungstagen bis zum 27. November sind diverse Sachverständige und 21 Zeugen geladen.
Im Zentrum des Verfahrens um betrügerische Krida steht der ehemalige Geschäftsführer der Wohnbaugesellschaft Wolfgang U. (65). Neben ihm auf der Anklagebank müssen seine Tochter, ein Notar, ein ehemaliger Rechtsanwalt, ein Architekt und ein Bankmitarbeiter Platz nehmen.
Landesregierung wurde stutzig
Als einst gemeinnützige Wohnbaugesellschaft realisierte "die Eigentum" mit Fördergeldern der öffentlichen Hand "leistbaren Wohnraum“. So sind alleine in Wien 600 geförderte Sozialwohnungen entstanden. Nach dem Wechsel des Firmensitzes 2014 von Wien nach Vösendorf (NÖ) wurde die NÖ Landesregierung in der Causa rasch stutzig.
Dem Unternehmen wurde wegen einer Vielzahl an Verfehlungen die Gemeinnützigkeit aberkannt. Auf Basis zweier Verkehrswertgutachten über ihr Liegenschaftsvermögen sollte "die Eigentum“ eine Abschlagzahlung in der Höhe von 53,24 Millionen Euro an das Land NÖ leisten. Bezahlt wurden aber nur 6,6 Millionen Euro.
Das wahre Ausmaß der vermeintlichen Tricksereien haben aber erst die Ermittlungen der WKSta und Kriminalpolizei sowie letztlich die Anklage ans Tageslicht gebracht.
"Wolfgang U. schuf rund um "die Eigentum“ ein umfangreiches, mit Familienangehörigen und langjährigen Partnern besetztes Unternehmensgeflecht, welches wirtschaftlich in seiner Einflusssphäre stand", so der Vorwurf der WKStA.
Liegenschaften unter dem Wert verkauft
"Er führte faktisch die Geschäfte, obwohl er in weiten Teilen die Gesellschaften nicht nach außen vertrat“, heißt es in der Anklage. Zentraler Vorwurf: Gemeinnützige Wohnungen, die zuvor mit viel Fördergeldern kostengünstig errichtet wurden, sollen von Wolfgang U. weit unter ihrem Wert an das private Umfeld und eigene Tochterunternehmen verkauft worden sein. Mit dem Ziel, mittels Betrugs einen beträchtlichen Gewinn zu erwirtschaften, so die Staatsanwaltschaft.
Außerdem sollen "unbesicherte und fremdunübliche Darlehen“ an Gesellschafter oder Familienangehörige vergeben worden sein. Da die Betroffenen "nicht fähig oder willig waren“, die Darlehen zurückzuzahlen, ist laut Anklage ein Schaden von 13,68 Millionen Euro entstanden. Darunter sind auch Darlehen in Höhe von 411.000 Euro, die Wolfgang U. an sich selbst vergeben hat.
Es waren mehrere Gutachten nötig, um die schleierhaften Verstrickungen und Finanztransaktionen exakt nachvollziehen zu können. Eine Liegenschaft in Wien-Meidling soll gut 950.000 Euro unter ihrem Wert an Beteiligte verkauft worden sein. Eine mit 9,37 Millionen Euro bewertete Liegenschaft in Neustift am Wald wurde für 5,7 Millionen Euro an eine eigene Gesellschaft verkauft. Diese Liste lässt sich lange fortführen.
Wo war die Leistung?
Dem mitangeklagten Architekten sollen 900.000 Euro Honorar "ohne werthaltige Gegenleistung“ bezahlt worden sein. Der Tochter und Ehefrau wurden Grundstücke, Liegenschaften und Gesellschaftsanteile geschenkt. Hier geht die Anklagebehörde von über 950.000 Euro Schaden aus.
"Das alles mit dem Ziel, die Werte den Gläubigern zu entziehen“, lautet der Vorwurf.
Vorbestraft, aber "nicht schuldig"
Wolfgang U. ist der Justiz schon länger bekannt. Er ist einschlägig vorbestraft und wurde vom Landesgericht Eisenstadt bereits 2008 und 2011 wegen betrügerischer Krida und Finanzstrafverfahren schuldig gesprochen. Der mitangeklagte ehemalige Anwalt wurde im Jänner 2023 vom Landesgericht Wien wegen Veruntreuung verurteilt. Gemeinsam mit dem ebenfalls angeklagten Notar soll Wolfgang U. Notariatsakte im Zusammenhang mit dem Betrug gefälscht haben.
"Dies alles habe dazu gedient, das Vermögen der Gesellschaft bzw. das eigene Privatvermögen vor den Gläubigern zu verheimlichen bzw. beiseite zu schaffen“, heißt es in der Anklage.
Im Falle eines Schuldspruchs drohen zwischen ein und zehn Jahre Haft. Wolfgang U. sitzt dem Herbst 2022 in Untersuchungshaft. "Der Prozess wird zu Beginn sicher ohne ihn stattfinden. Er ist auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes derzeit verhandlungsunfähig. Die Anschuldigungen weist er generell von sich", sagt sein Anwalt Michael Dohr. Laut dem Strafverteidiger wird sich sein Mandant deshalb auch "nicht schuldig" bekennen.
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