Wie in Marienthal Langzeitarbeitslosigkeit abgeschafft wird
Seit Oktober 2020 bekommen alle Gramatneusiedler, die seit zwölf Monaten keinen Job haben, das Angebot, beim Jobgarantie-Projekt „MAGMA“ des AMS NÖ mitzumachen. Zu Beginn waren das 20 Prozent der Arbeitslosen (NÖ: 21 Prozent).
Jetzt ist die Langzeitarbeitslosigkeit in der nö. Gemeinde, die international Bekanntheit durch die Studie in ihrer Arbeitersiedlung „Die Arbeitslosen von Marienthal“ in den 1930ern erlangte, verschwunden.
„Abgelehnt hat bisher keiner“, erklärt Sven Hergovich, Geschäftsführer vom AMS NÖ – mit einem „Nein“ wären keine finanziellen Sanktionen verbunden gewesen. Dafür habe man sich bewusst entschieden, denn: „Wir haben in unserer Beratungstätigkeit gesehen, dass sich die Mehrheit nach Beschäftigung sehnt.“
Die Hauptüberlegung des AMS NÖ hinter dem Projekt: besser Beschäftigung finanzieren als Arbeitslosigkeit. Die Zahlen sowie die Begleitforschung der Universitäten Wien und Oxford legen bisher den Schluss nahe: Diese Rechnung könnte aufgehen.
Effekte
Bei der Kalkulation wurden 30.000 Euro an fiskalischen Kosten pro Arbeitslosem pro Jahr angenommen. Das AMS NÖ nimmt diesen Betrag, um damit Beschäftigung zu schaffen bzw. zu finanzieren. 45 Personen waren im April 2022 bei MAGMA beschäftigt, mehr als 100 Personen wurden insgesamt seit Projektstart „langzeitarbeitslos“.
„74,3 % von ihnen haben ein Dienstverhältnis, 42 % davon in der Privatwirtschaft. 12,3 % sind im Krankenstand – die meisten davon seit über zwei Monaten“, führt Hergovich aus, der Rest (13,3 %) ist nicht mehr beim AMS gemeldet, etwa „wegen Pensionierung oder Umzug ins Ausland“. Hergovich interpretiert das so: „Wir können zeigen, dass Langzeitarbeitslosigkeit abgeschafft werden kann.“ Die Ergebnisse seien „deutlich über unseren Erwartungen, wir dachten, weniger sind zu integrieren“.
Mehr Jobs
Dass durch die Fördermaßnahmen Jobs „aufgegessen“ werden und dadurch mehr Kurzzeitarbeitslosigkeit erzeugt wird, zeigt sich nicht. „Die gesamte Arbeitslosigkeit konnte durch MAGMA gesenkt werden“, bescheinigt Lukas Lehner von der Universität Oxford. „Wir glauben sogar, dass es einen umgekehrten Effekt geben könnte, dass die Maßnahmen die Wirtschaft stimulieren könnten und neue Tätigkeitsfelder entstehen“, sagt Hergovich.
So wie bei Michaela Puhm, die bei der Bestattung Lang im Ort fix angestellt wurde. Sie übernimmt nicht nur Bürotätigkeiten, sondern bemalt ob ihres kreativen Talents auch Urnen – das wurde neu in den Angebotskatalog des Unternehmens aufgenommen. „Ich habe gejubelt, als ich das Jobangebot bekam“, erzählt Puhm. Bei MAGMA habe sie „ihre schlummernden Talente wiederentdeckt“. Die Projektteilnehmer arbeiten auch im Rahmen einer gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassung für die Gemeinde oder für Vereine, während sie sich parallel bewerben.
Mit 24 Personen werden für die Studie regelmäßig Interviews geführt. Die Ergebnisse deuten laut Soziologin Hannah Quinz, Uni Wien, auf positive Veränderungen bei den Probanden hin: Das Gefühl, Herausforderungen meistern zu können, sei gestiegen, psychische Beschwerden seien zurückgegangen – und sie fühlten sich in der Gemeinde wertgeschätzt.
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