Marienthal 1930: Ein ganzer Ort verlor seine Arbeit

Ein historisches Foto des Marienthaler Consum-Vereins.
Paul Lazarsfeld, Marie Jahoda und Hans Zeisel untersuchten Anfang der 1930er, wie sich Arbeitslosigkeit auf Menschen auswirkt.

Lang andauernde Arbeitslosigkeit macht Menschen antriebslos. Sie sehen keine Zukunftsperspektive, resignieren, das kann zu Apathie führen – zu dieser Erkenntnis gelangte schon vor rund 90 Jahren die Marienthal-Studie.

1930 schloss in Gramatneusiedl – rund 20 Kilometer südlich von Wien – die Textilfabrik Marienthal. In der angrenzenden gleichnamigen Arbeitersiedlung waren von einem Tag auf den anderen 75 Prozent der rund 2.000 Bewohner arbeitslos. Der Großteil erhielt keine Unterstützungsleistungen. Die Lage war prekär, der Kampf ums Überleben begann.

Studie schrieb Wissenschaftsgeschichte

Und genau zu dieser Zeit rückte die Bevölkerung ins Zentrum wissenschaftlichen Interesses. Ein 15-köpfiges Team aus Sozialwissenschaftlern rund um Paul Lazarsfeld, Marie Jahoda und Hans Zeisel wollte das Leben der Arbeitslosen erforschen und „lebte“ mit ihnen. Als Gegenleistungen gaben die Forscher zum Beispiel Nähkurse oder medizinische Beratung.

Durch Beobachtungen, Statistiken und Interviews wurden Erkenntnisse über die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf Einzelne, Familien, aber auch den ganzen Ort gewonnen. Die Studie wurde 1933 unter dem Titel „Die Arbeitslosen von Marienthal“ veröffentlicht und ging in die Wissenschaftsgeschichte ein.

Weg zurück

Durch den Bau eines Bahnhofes gelang es unter anderem, die Arbeiterkolonie in eine der ersten Pendlergemeinden Österreichs umzuwandeln und die Arbeitslosigkeit innerhalb weniger Jahre auf ein Durchschnittsniveau zu senken.

Heute spiegelt Gramatneusiedl in der Zusammensetzung der Bevölkerung im Bezug auf die Erwerbstätigkeit bzw. Arbeitslosigkeit den niederösterreichischen Durchschnitt, weswegen der Ort für das MAGMA-Projekt des AMS NÖ und die Begleitstudie ausgewählt wurde.

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