Niederösterreichs Zuckerrübenbauern bangen um ihre Existenz

Niederösterreichs Zuckerrübenbauern bangen um ihre Existenz
Trockenheit und Schädlinge setzen Landwirten zu – vor allem das Verbot von Neonicotinoiden im Kampf gegen den Rübenrüsselkäfer wird kritisiert.

„Wir müssen die Bevölkerung wachrütteln, bevor es zu spät ist“, appelliert Johann Tröber, Obmann der Bezirksbauernkammer Mödling. Grund für seine Sorge sind angesichts der gerade begonnenen Zuckerrübenernte die seit Jahren rückläufigen Erträge in Niederösterreich – und unsichere Zukunftsaussichten.

Denn wesentlich zu den Ernteausfällen beigetragen habe der Rübenrüsselkäfer, ein Schädling, gegen den man bislang mit effektiven Pflanzenschutzmitteln vorgegangen sei. Diese sogenannten Neonicotinoide wurden vom Europäischen Gerichtshof jetzt jedoch verboten. „Wenn man uns die Waffen gegen Schädlinge aus der Hand nimmt, ist es bald nicht mehr möglich, den Bedarf an Zuckerrüben in Österreich zu decken“, warnt Ernst Karpfinger, Präsident der Rübenbauern. „Dann sind wir von Importen vom Weltmarkt abhängig. Und dort gelten großteils weit niedrigere Umweltschutz-Standards als bei uns. In Brasilien wird zum Beispiel Regenwald für Zuckerrohr-Anbauflächen gerodet.“

Klimaschutz

Schon jetzt seien große Teile der Ernte dem Rüsselkäfer zum Opfer gefallen. Extrembeispiel: Rund 25 Prozent der Gesamtfläche waren es in den Jahren 2018 und 2019, zusätzlich hervorgerufen durch ungünstige Witterung. Das Verbot der Neonicotinoide beruhe „nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern nur auf der öffentlichen Meinung“, kritisiert Karpfinger. „Wir haben nur geringe Mengen eingesetzt und zum Beispiel durch ein Bienen-Monitoring gezeigt, dass es keine negativen Auswirkungen auf Bienen gibt.“

Durch „klimafreundliche Logistik“, wie etwa die Einrichtung von Rübensammelplätzen in allen Bezirken für kurze Transportwege, habe man seitens der Landwirtschaft viel Vorarbeit geleistet, betont Karpfinger. Nun sehe man sich aber Schädlingen ohne entsprechende Gegenmittel hilflos ausgeliefert.

Klimawandel

Von 38.000 Hektar angebauten Zuckerrüben seien heuer fast 5.000 vom Rüsselkäfer vernichtet worden. „Weil unsere Bauern teilweise ein zweites Mal angebaut haben, konnten die Verluste auf rund 2.000 Hektar reduziert werden“, so Karpfinger. Die Aussichten für die kommenden Jahre seien aber düster.

Nicht nur aufgrund der Schädlinge, sondern auch wegen der Auswirkungen des Klimawandels, wie der Präsident der Rübenbauern betont. Trockenheit und große Hitze sind Feinde der Zuckerrübe. „Bei Temperaturen über 25 Grad hört sie auf zu wachsen.“ Wirkliche Hitzeschäden gebe es in Österreich bislang aber – anders als beispielsweise in einigen Nachbarländern – noch nicht.

„Rüben sind gesund“

Das bestätigt auch Josef Eisenschenk, Geschäftsführer der Agrana-Zucker GmbH. „Die Ernte ist gut heuer, die Rüben sind gesund.“ Etwa 2,6 Millionen Tonnen dürften österreichweit geerntet werden, mehr als 70 Prozent davon in Niederösterreich. Daraus stellt Agrana rund 360.000 Tonnen Zucker her. Die Probleme rund um Schädlinge und Trockenheit seien umso bedauerlicher, weil die Rahmenbedingungen für Bauern derzeit eigentlich gut sind. „Wir haben ein sehr vernünftiges Preisniveau“, sagt Eisenschenk. Und auch in den kommenden Jahren dürfte dies so bleiben.

Zwei Zuckerfabriken betreibt Agrana aktuell noch in Österreich – beide in Niederösterreich: Leopoldsdorf und Tulln. Einst waren es sieben. Und auch die verbliebenen seien bei Ernteeinbußen gefährdet, warnt der Agrana-Geschäftsführer. „Weil sie ohnehin nur ein Drittel des Jahres laufen. Wenn sie dann nicht zu 100 Prozent ausgelastet sind, wird es problematisch, weil man die Mitarbeiter ja das ganze Jahr über bezahlen muss.“

Das Unternehmen forscht selbst an Alternativen zu den verbotenen Neonicotinoiden. Durch RNA-Interferenz – bekannt geworden im Kampf gegen das Coronavirus – will man gezielt gegen den Rüsselkäfer vorgehen, ohne andere Insekten zu gefährden. Bis zur Einsatzfähigkeit dieser neuen Schutzmittel werden aber wohl noch ein paar Jahre vergehen.

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