Nach EU-Verbot: Bauern kämpfen mit Kübeln gegen Käfer
„Wir sind von einer modernen, intelligenten Art, Schädlinge zu bekämpfen, zurück in die landwirtschaftliche Steinzeit katapultiert worden.“ Lorenz Mayr, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer NÖ, findet klare Worte. Er steht auf einem seiner Felder, nahe Steinabrunn (Bezirk Korneuburg). Dort sind rund um das Feld kleine Plastikkübel eingegraben, im Abstand von 15 Metern.
Ihr Sinn und Zweck: Sie sollen dank eines Pheromon-Lockmittels die noch zarten Rübenpflänzchen schützen. Und zwar vor dem Rübenrüsselkäfer, der in kurzer Zeit ganze Ernten vernichten kann. Zum Vergleich: 38.000 Hektar Rüben wurden heuer in Österreich angebaut. 2018 hat der Käfer 8.000 Hektar zerstört, 2019 waren es 5.000 Hektar.
Bisher haben sich die Bauern mit einem Pestizid gegen den Käfer gewehrt, das direkt in die Pflanzenblätter überging. „Wenn der Rübenrüssler in ein Blatt gebissen hat, ist er gestorben“, erklärt der Landwirt.
Nun können die Rübenbauern nur noch mit Plastikkübeln aufrüsten. Warum? Aufgrund eines Entscheids des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat Anfang des Jahres den Einsatz von Neonicotinoiden, die zur Bekämpfung der Käfer eingesetzt wurden, endgültig untersagt. Die Gefahren für Mensch und Umwelt seien zu hoch, vor allem aber für die Bienen. Argumente, die Mayr klar bestreitet.
„Wir haben Monitorings durchgeführt, und die Bienen waren durch den Einsatz des Stoffes nie betroffen“, sagt er. Außerdem hätten die Landwirte die Neonicotinoide ohnehin nur dann einsetzen können, wenn es eine starke Belastung durch die Käfer gab. Bisher hatte die EU in solchen Jahren eine Notfallzulassung genehmigt.
„Daher ist es für uns komplett unverständlich, warum der Einsatz nun gänzlich verboten wurde“, argumentiert Mayr, der wie viele andere Landwirte um seine Ernte fürchtet. Denn je wärmer es wird, desto stärker vermehren sich die Käfer. Die Trockenheit tut ihr Übriges; bisher sorgte der Regen nämlich dafür, dass sich die Ausbreitung der Insekten auf natürlichen Wege einschränkte.
Barrieren gebaut
„Der Käfer legt seine Larven in die Erde, bei Regen bilden sich Pilze und ein Großteil der Larven stirbt ab“, schildert Mayer. Fehlt es aber an Feuchtigkeit, setzt dieser natürliche Prozess aus – und der Rübenrüssler wird zu einer regelrechten Plage.
Ein langjähriger, aber gerade bei Waldbauern besonders unbeliebter Gast, ist der Borkenkäfer. Nach den starken Regenfällen der vergangenen Tage ist man seit langer Zeit zumindest wieder ein bisschen zuversichtlich, erzählt Franz Fischer, Obmann des NÖ Waldverbandes.
„Man kann eindeutig sagen, dass die letzten paar Tage für die Natur und die Bäume ein Segen waren“, so Fischer. Jetzt, wo der Wald mehr Kraft hätte, können sich die Bäume auch besser gegen Schädlinge wehren. Fischer bezeichnet den aktuellen Zeitraum als „Atempause“. Denn im Vorjahr sei im Mai der Regen gekommen und der heiße Sommer habe wieder ideale Bedingungen für den Borkenkäfer geboten: Trockenheit und Hitze.
„Ich kann daher auch heute keine Entwarnung geben“, sagt der Forstexperte. Gerade, wenn wieder ein trockener Sommer kommt, was ziemlich sicher sei. „Der Klimawandel ist einfach Realität. Darauf muss man sich sowieso einstellen.“ Daher setzt man für die Zukunft auf Mischwälder und Laubholz.
Derzeit sind die Rübenpflanzen noch kaum zu erkennen, nur winzige Blätter lugen aus der Erde. Für den Rübenrüsselkäfer ist sie in diesem Stadium aber eine Delikatesse.
Mit den Pheromonfallen versuchen die Bauern, die Tiere abzufangen, bevor sie die Blätter auffressen und die Pflanze damit abtöten. Oder bevor sie auf andere Felder weiterziehen, weshalb die Plastikkübeln rund um die Felder als Barriere dienen.
- Rübenrüsselkäfer: Sie verbreiten sich über Larven. Durch Trockenheit überleben immer mehr von ihnen
- Neonicotinoide sind Pflanzenschutzmittel. 2018 wurden sie von der EU verboten, bisher gab es aber Notfallzulassungen
- 38.000 Hektar beträgt die Anbaufläche Rüben in Österreich, vor allem in NÖ
„Wir sind jeden Tag am Feld und kontrollieren die Fallen. Dann sammeln wir die Käfer ein und müssen sie verbrennen, da ihnen Wasser nichts anhaben kann und die Tiere auch sonst Überlebenskünstler sind“, so Mayr.
Eine Arbeit, die alles andere als lustig sei; nur durch den erhöhten Zuckerpreis, der seit dem Vorjahr gilt, würde sich ein Anbau überhaupt noch rentieren. „Gerade der Rübenanbau und die Verarbeitung sichern viele Arbeitsplätze. Mal ganz abgesehen von der Lebensmittelversorgung“, fürchtet Mayr um die Zukunft des heimischen Rübenanbaus.
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