Kind in Hundebox fast zu Tode gefoltert: Mutter und Komplizin vor Gericht

Kind in Hundebox fast zu Tode gefoltert: Mutter und Komplizin vor Gericht
Der Fall hat massive Schwächen der Behörden in NÖ aufgezeigt. Die Expertenkommission schloss diese Woche ihre Arbeit ab.

Der KURIER hatte den Fall im Juni des Vorjahres überhaupt erst ans Tageslicht gebracht. Justiz, Kriminalpolizei und die Behörden verfolgten den Plan, die Causa bis zum Prozess unter Verschluss zu halten.

Montagfrüh ist es am Landesgericht Krems so weit. Das Martyrium eines heute 13-jährigen Buben, der von seiner 33-jährigen Mutter im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt, geschlagen, gefesselt und über Monate hinweg gepeinigt worden sein soll, wird drei Tage lang im Zentrum des Geschworenenprozesses in Krems stehen. Die Mutter des Kindes ist wegen versuchten Mordes angeklagt. Auch die 40-jährige Freundin und Komplizin wird als Beitragstäterin auf der Anklagebank sitzen.

Kind in NÖ in Hundebox gesperrt: Prozess am Montag gestartet

Sie muss sich wegen Bestimmung zur fortgesetzten Gewaltausübung verantworten. Laut den Verteidigern der Frauen werden die Vorwürfe großteils bestritten. Die Mutter bestreitet laut ihrer Verteidigerin Astrid Wagner den Vorwurf des versuchten Mordes, wird sich aber zu den Vorwürfen des Quälens und Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie der Freiheitsentziehung „grundsätzlich geständig“ zeigen. Die mutmaßliche Komplizin wird sich "nicht schuldig" bekennen, erklärt ihr Rechtsanwalt Sascha Flatz.

Videos von der Folter

Der leugnenden Verantwortung der Frauen stehen 2.626 sichergestellte Dateien von belastenden Chatnachrichten, Fotos, Videos und Zeugenaussagen gegenüber. Die unvorstellbaren sadistischen Handlungen an dem Kind sind auf Tausenden Seiten im Akt hinlänglich dokumentiert. Das Kind wurde demnach gefesselt, geknebelt, stundenlang im Hundekäfig eingesperrt und bei Eiseskälte mit kaltem Wasser übergossen. Er bekam zur Strafe so lange kein Essen, bis der Bub beinahe verhungerte.

Das Protokoll einer Einvernahme des Kindes verdeutlicht die Grausamkeiten, die der Bub erleiden musste. „Als du in der Hundebox warst, hättest du da jederzeit heraus können, oder war sie zugesperrt?“, wurde der mittlerweile 13-Jährige befragt. „Zugesperrt, von Mama“, so die Antwort. Oft war er stundenlang und ganze Nächte darin gefangen, meint das Kind.

Zwischen Juli und November 2022 soll sich die lebensbedrohliche Lage für das Kind massiv zugespitzt haben, heißt es in der Anklage. Angesprochen darauf, dass er beinahe verhungert sei, erklärte der Bub, dass die Mutter ihm über lange Zeit hungern ließ und auch nicht gekocht habe.

Schloss am Kühlschrank

Laut den sichergestellten Chats schickte die 33-Jährige der Freundin einen Screenshot von einem Kühlschrankschloss und fragte sie: „Welches soll ich bestellen?“. Sie wollte, dass das Kind nicht mehr von selbst an die Lebensmittel gelangt. Einmal sei der Bub aus der Schule weggelaufen. Zur Strafe hätten ihn seine Mama und die Freundin gemeinsam in die Box gesperrt, gab das Kind zu Protokoll.

Auf 40 Kilo abgemagert

Der Vorwurf des versuchten Mordes umfasst laut Anklage konkret die Zeit zwischen 20. und 22. November 2022. Mehrmals täglich soll die Mutter damals ihren Sohn mit eiskaltem Wasser übergossen und gleichzeitig über Stunden hinweg die Fenster der Wohnung geöffnet haben. Bei kaltem Wetter sank die Körpertemperatur auf 26.8 Grad. Zu dem Zeitpunkt hatte der 1,70 Meter große Bub nur mehr 40 Kilo.

Der Bub war in einem lebensbedrohlichem Koma, als er von einer Sozialarbeiterin in der Wohnung der Mutter gefunden wurde. An Ort und Stelle alarmierte die 33-Jährige schließlich die Rettung - allerdings „erst über mehrmaliges Insistieren“ der Sozialarbeiterin, wie es heißt. Das Kind wurde in der Folge in ein Krankenhaus gebracht und auf der Intensivstation behandelt. Der Gesundheitszustand des Buben verbesserte sich später.

Sadistische Elemente

Die Mutter wurde im Herbst 2022 festgenommen, Anfang März 2023 klickten dann für die 40-jährige Komplizin die Handschellen. Die Waldviertlerin wird von der Staatsanwaltschaft zumindest als eine Art Einflüsterin angesehen. Ab 2019 entwickelte sich eine sehr enge Freundschaft zwischen den beiden Frauen. Die Niederösterreicherin soll der Mutter immer wieder Anweisungen zur Bestrafung des Kindes gegeben bzw. die Hauptbeschuldigte in ihrem Verhalten bestärkt haben - persönlich, telefonisch und via Chat-Nachrichten.

Laut dem psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Peter Hofmann liegt bei der Mutter des Buben „die Entwicklung einer schweren Geisteskrankheit“ vor, Unzurechnungsfähigkeit sei aber noch nicht erreicht. Es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die 33-Jährige in absehbarer Zeit erneut schwere Körperverletzungsdelikte begehen werde. Ähnlich verhält es sich mit der 40-jährigen möglichen Komplizin, für die ebenfalls die Unterbringung in einem forensisch-therapeutisches Zentrum beantragt wurde. Bei ihr liegen laut Hofmann „hoch pathologische, sadistische Handlungselemente“ vor.
 

Versagen der Behörden?

Dass der Fall nicht schon früher erkannt und dem Kind die wochenlangen Qualen bis hin zum lebensbedrohlichen Koma erspart wurden, bezeichnet die Verteidigerin der Mutter, Astrid Wagner, als Versagen der Behörden. Bereits Anfang 2022 hatte das Personal in einem Landesklinikum Verdacht geschöpft und das Jugendamt eingeschaltet. Verletzungen des Kindes deuteten auf eine Misshandlung hin. Laut Ermittlern sei es zu einer Kontrolle an der Privatadresse von Mutter und Kind gekommen, aber „keine Auffälligkeiten“ erkannt worden.

Auch als die Waldviertler Schule, die das Kind besuchte, einen ähnlichen Verdacht äußerte, blieb es dabei. Außer dass die Mutter darüber informiert wurde und von da an den Buben tunlichst von der Schule fernhielt. Der Zwölfjährige war zig Mal wegen diverser Verletzungen und seines schlechten Zustandes bei Ärzten, aber auch die gingen den Ursachen nicht weiter auf den Grund.

Finale Sitzung der Kommission

Wegen möglicher Versäumnisse der Jugendhilfe sowie der Schule des Kindes wurde vom Land NÖ eine sechsköpfige Expertengruppe zur Prüfung des Falles eingesetzt. Die Kommission sollte laut Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) Rechtsvorschriften, Prozesse und Schnittstellen überprüfen sowie etwaige Verbesserungsvorschläge machen. Wenige Tage vor dem Prozessbeginn fand diese Woche die finale Sitzung der Kommission statt, erklärt der Sprecher der Landesrätin, Anton Heinzl. "Aktuell werden die Ergebnisse verschriftlicht. Wir erwarten zeitnahe die Vorlage des Berichtes", so Heinzl.

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