Kind in Hundebox: Fall zeigt Schwachstellen des Systems

Die Staatsanwaltschaft und die zuständigen Behörden in Niederösterreich hatten den Plan verfolgt, den beispiellosen Fall bis zum Gerichtsprozess voraussichtlich im Herbst möglichst unter Verschluss zu halten.
Deswegen, weil das Martyrium des zwölfjährigen Buben aus dem Waldviertel die Arbeit der Kinder- und Jugendwohlfahrt, von Ärzten und Behörden in keinem guten Licht erscheinen lässt?
Offiziell beruft man sich nur auf den Opfer- und Datenschutz – mehr nicht. Medien zeigen allerdings auf, was im Verborgenen gehalten werden sollte: Die 32-jährige Mutter des Sonderschülers soll den Buben wochenlang misshandelt, in eine Hundebox gesperrt und so lange gefoltert haben, bis das Kind beinahe verhungerte. Chat-Protokolle zwischen der psychisch auffälligen Mutter und einer 40-jährigen Freundin und Mitwisserin lesen sich wie eine Anleitung zum Sadismus.
Die 32-Jährige hatte Tipps entgegengenommen, wie sie ihrem Sohn besondere Qualen zufügen kann – bei Eiseskälte mit kaltem Wasser übergießen, Hungern lassen und andere Gräueltaten.
5.000 Seiten ist der Akt mittlerweile dick. Ermittelt wird wegen versuchten Mordes. Mutter und die mutmaßliche Komplizin befinden sich in U-Haft.
Ins Koma gefallen
Dass der Fall nicht schon früher erkannt und dem Kind die wochenlangen Qualen bis hin zum lebensbedrohlichen Koma erspart wurden, bezeichnet die Verteidigerin der Mutter, Astrid Wagner, als Versagen der Behörden. Bereits Anfang 2022 hatte das Personal in einem Landesklinikum Verdacht geschöpft und das Jugendamt eingeschaltet. Verletzungen des Kindes deuteten auf eine Misshandlung hin. Laut Ermittlern sei es zu einer Kontrolle an der Privatadresse von Mutter und Kind gekommen, aber „keine Auffälligkeiten“ erkannt worden.
Auch als die Waldviertler Schule, die das Kind besuchte, einen ähnlichen Verdacht äußerte, blieb es dabei. Außer dass die Mutter darüber informiert wurde und von da an den Buben tunlichst von der Schule fernhielt – mit diversen Entschuldigungen und ärztlichen Bestätigungen.
Der Zwölfjährige war zig Mal wegen diverser Verletzungen und seines schlechten Zustandes bei Ärzten, aber auch die gingen den Ursachen nicht weiter auf den Grund. Das Kind verletzte sich selbst, so die Erklärung der Mutter. Bislang haben die Staatsanwaltschaft Krems und das Landeskriminalamt keine strafrechtlichen Verfehlungen von Kinder- und Jugendwohlfahrt oder anderer Stellen erkannt. „Ermittelt wird derzeit gegen keine dieser Einrichtungen“, heißt es bei der Polizei.
Tod der Mutter
Was die Mutter derart aus der Bahn geworfen habe, dass sie zu solchen Handlungen fähig war, dafür hat die Verteidigerin nur eine Erklärung. Der plötzliche Tod ihrer eigenen Mutter soll die Frau psychisch aus der Bahn geworfen haben. Der Gerichtspsychiater attestiert der 32-Jährigen eine schwere Persönlichkeitsstörung mit sadistischen Zügen. „Der Rest ist wie in einem Horrorfilm. Tötungsabsicht hatte sie aber keine“, sagt Astrid Wagner.

Verteidigerin Astrid Wagner
Die 40-jährige Bekannte der Kindsmutter, die ebenfalls in U-Haft sitzt, soll ihre Freundin manipuliert haben. Erst als sie am 23. November 2022 ein Video des bereits apathischen Kindes am Handy erhielt, schickte sie eine Bekannte – die private Sozialarbeiterin ist – zur Wohnung. Da war der Bub aber bereits in Lebensgefahr, seine Körpertemperatur lag bei 26,8 Grad.
Kripo-Beamter im Zwielicht
Wie die Ermittlungen ergaben, habe die 40-Jährige danach versucht, jeglichen Kontakt mit der Mutter des Kindes zu verschleiern. Sie soll sich Tipps von ihrem Ex-Partner geholt haben, wie sie die Chatverläufe am Handy löschen könne.
Der Wiener Kripo-Polizeibeamte soll sie damit bei der Verschleierung ihrer Taten unterstützt haben. Allerdings konnten Datenforensiker Nachrichten, Fotos und Videos mit dem ungeheuren Inhalt wiederherstellen. Ob die Verdachtslage für einen Strafantrag gegen den Polizisten reicht, ist unklar. Derzeit versieht er normal seinen Dienst.
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