Infiziert mit dem Coronavirus: "In der ersten Nacht habe ich geweint"
Als sich Waltraud Müller (Name geändert, Anm.) am Samstag, 29. Februar, nicht ganz wohl fühlte, dachte sie, sie habe es bei ihrer Sportstunde am Vormittag übertrieben. „Ich hatte schreckliche Rückenschmerzen“, erinnert sich die Niederösterreicherin. Als dann Schüttelfrost dazu kam, ließ sie sich ein Bad ein. Dass sie sich mit dem Coronavirus infiziert hat, kam ihr zunächst nicht in den Sinn.
Doch noch am selben Tag meldete sich der Amtsarzt. Müller, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, hatte Kontakt mit einer erkrankten Person – und sich angesteckt, wie sich am nächsten Tag herausstellte.
Seit zehn Tagen ist die 53-Jährige nun zu Hause in Quarantäne. Gemeinsam mit ihrer – gesunden – Tochter. Zwei Mal am Tag muss sie Fieber messen, auch ein Gesundheitstagebuch führt sie. „Wir wohnen in einem kleinen Haus. Meine Tochter hat eine Etage und ich die andere“, erzählt sie.
Die Tage verbringen die beiden mit lesen, fernsehen oder Videochats mit Freunden. „Wenn wir in der Küche sind, habe ich meine Handschuhe an und halte Abstand.“ Beim Essen sitzen Mutter und Tochter am jeweiligen Kopfende des großen Esstisches.
Kein Kontakt - auch nicht für Amazon
Apropos Essen: das bringen Freunde vorbei und stellen es vor die Tür. Manchmal unterhalte man sich dann durch das geschlossene Fenster. Oft sind es die Kleinigkeiten, die bei dem unfreiwilligen Hausarrest für logistische Probleme sorgen. Als Müllers Tochter etwa neue Bücher bei Amazon bestellte, ließ sie diese zu ihrem Sohn liefern. Denn selbst entgegennehmen konnte Müller die Ware nicht – ebenso wenig, wie mit dem gelben Zettel zur Post gehen. Der Sohn legte das Paket dann vor die Tür.
Mittlerweile fühlt sich die Niederösterreicherin etwas besser. Bereits vor dem Wochenende hätten die starken Kopfschmerzen nachgelassen. Allerdings habe sie seit einer Woche keinen Geschmacks- oder Geruchssinn. Dafür einen Schnupfen.
„Bin ich ein Killer?“
Die Diagnose Coronavirus hat die Niederösterreicherin zuerst hart getroffen. „Die erste Nacht war keine gute Nacht, da habe ich geweint“, erzählt sie. „Ich hatte Angst, was das Virus in mir macht. Und mit den anderen Menschen.“ Denn immerhin habe sie vor ihrer Diagnose noch zahlreiche Kontakte, auch zu gesundheitlich angeschlagenen Personen, gehabt, erzählt die 53-Jährige.
Bisher habe sie das Virus aber nicht weitergegeben. „Das hat mir irrsinnige Sorgen gemacht. Ich habe mir gedacht, bin ich vielleicht ein Killer?“ Angefeindet, so wie andere Kranke, wurde sie glücklicherweise nicht.
Quarantäne "ist nicht lustig"
Auch in der Quarantäne verfolgt Müller die Nachrichten. Verharmlosen sollte man das Virus nicht, meint sie. „Wenn man ein intaktes Immunsystem hat, ist man nicht in Gefahr. Aber für schwächere Menschen könnte es schon gefährlich werden. Man sollte keine Panik verbreiten, aber wissen, was auf einen zukommt.“ Nämlich womöglich eine Quarantäne – „und die ist nicht lustig.“
Die Behörden erlebte sie als kompetent. In den ersten Tagen habe sich regelmäßig jemand bei ihre gemeldet. Eine Anwältin hätte sie zu Beginn der Quarantäne über die rechtliche Situation aufgeklärt. Mit den steigenden Fallzahlen habe der Kontakt aber abgenommen. Vor allem Informationen bezüglich des Endes ihres „Hausarrests“ vermisst sie. „Ich habe das Gefühl, die wissen noch nicht, was sie mit uns machen.“
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