Häusliche Gewalt: Rekord bei Coaching für Gefährder

Häusliche Gewalt: Rekord  bei Coaching für Gefährder
Schon 1.700 Fälle im ersten Halbjahr alleine in NÖ und dem Burgenland. Gefährder mit verfälschter Wahrnehmung in festgefahrenen patriarchalen Strukturen.

16 Frauen wurden heuer in Österreich bereits von Männern ermordet. In den meisten Fällen bestand eine enge Beziehung zwischen Opfer und Täter und oft auch eine gewaltvolle Vorgeschichte.

Fälle häuslicher Gewalt sind seit Jahren stark im Zunehmen und der negative Trend setzt sich fort. Der Bewährungshilfeverein Neustart, der in Niederösterreich und dem Burgenland die verpflichtenden Gewaltpräventionsberatungen von Gefährdern durchführt, meldet im ersten Halbjahr einen Rekord an Klienten. Heuer mussten in den beiden Bundesländern bereits 1.697 Personen zum verpflichtenden, sechsstündigen Antigewalt-Coaching.

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„Das bereits hohe Niveau an Beratungen ist damit 2023 noch einmal deutlich angestiegen, um elf Prozent. Dies zeigt einerseits die leider hohe gesellschaftliche Relevanz der Problematik von häuslicher Gewalt, andererseits aber auch eine steigende Sensibilisierung, was positiv zu bewerten ist“, erklärt Alexander Grohs, der Leiter von Neustart Niederösterreich und Burgenland.

Die Bereitschaft, während oder nach gewaltvollen Übergriffen zu Hause, solche Exzesse auch zur Anzeige zu bringen, steigt laut Grohs deutlich. Die gezielte Ausbildung von spezialisierten Beamten in Fällen häuslicher Gewalt in der Privatsphäre in den letzten Jahren trage sicher auch dazu bei, dass öfter eingegriffen wird als früher.

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Männer im Fokus

Die meisten Fälle von Gewalt sind von Männern gegen Frauen gerichtet, in 91 Prozent wurde das Annäherungsverbot gegen männliche Gefährder verhängt.

Eines ist für Grohs alarmierend: „Es ist erstaunlich, dass zu Beginn vieler Beratungen psychische Gewalt von den Ausübenden gar nicht als solche wahrgenommen wird. Hier spielen die Sozialisation und das Männlichkeitsbild eine große Rolle“.

Psychische Gewalt sei „das Fundament für körperliche Gewalt, im schlimmsten Fall bis hin zu Femiziden“, erklärt der Neustart-Leiter.

Patriarchale Strukturen

Sinnbildlich hängen geblieben ist ihm die Aussage eines Klienten nach Abschluss einer Gewaltpräventionsberatung. Der Tenor lautete: „Dafür, dass ich ihr nichts angetan habe, habe ich ihr viel angetan“. Für Grohs ein Sinnbild der verfälschten Wahrnehmung in festgefahrenen patriarchalen Strukturen.

Sollte bei den Beratungen ein Hochrisikofall eingeschätzt werden, wird von Seiten Neustart bei der zuständigen Sicherheitsbehörde eine Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenz angeregt. Dabei besprechen die relevanten Behörden, sowie Opferschutz- und Täterarbeitseinrichtungen die aktuelle Situation und erörtern Maßnahmen für einen besseren Opferschutz.

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"In Niederösterreich und dem Burgenland bewegen wir uns auf einem konstant hohen Niveau bei der Zahl der Durchführungen. Die Qualität soll durch eigens geschaffene Fachteams in den Bundesländern weiter gesteigert werden", erklärt Grohs.

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