75-Tonnen-Holzklotz für den guten Ton am Semmering
Man könnte meinen, Not macht erfinderisch. Als Intendant Florian Krumpöck und die Macher des „Kultur.Sommer.Semmering“ im vergangenen Jänner aus ihrer angestammten Wirkungsstätte, dem Südbahnhotel, geschmissen wurden, musste rasch eine Ersatzlocation her.
Mit dem Grandhotel Panhans war schnell ein neuer Festivalschauplatz gefunden. Was danach als Draufgabe kam, sorgt aber für weit größeren Diskussionsstoff. Vor der nostalgischen Kulisse pompöser Monumentalbauten aus der Zeit der Jahrhundertwende thront ein neues Wahrzeichen vor dem Grandhotel Panhans. Ein neu errichteter Konzert- und Kulturpavillon, ausschließlich aus Holz, erregt die Gemüter im eher konservativ geprägten Sommerfrischeort. Freitagabend steht die feierliche Eröffnung auf dem Programm.
Orangerie
Da das Panhans nicht über ausreichend große Säle verfügt, um auch die musikalische Sparte des Kulturfestivals zu beheimaten, ist man auf die Idee des 380 Gäste fassenden Pavillons gekommen.
Inspiriert von der ehemaligen Orangerie im Außenbereich des Grandhotels habe man auf der vis á vis liegenden Aussichtsplattform einen Konzertsaal aus zertifiziertem heimischen Holz gebaut – inklusive Panoramablick auf die Semmeringer Bergkulisse, erklärt Nina Sengstschmid vom Kultur.Sommer.Semmering.
Regionales Holz
Verantwortlich für das Projekt zeichnen die Architekten Mark Neuner und Christian Höhl vom Wiener Büro Mostlikely Architecture. „Der nach hohen Nachhaltigkeitsstandards konzipierte Pavillon ist vollständig aus regionalem Holz gebaut. Konzipiert als mobiler Konzertsaal kann dieser wieder zerlegt werden. Abbau und Neuaufbau können je in rund 14 Tagen erfolgen“, sagt Marlene Lötsch von Mostlikely Architecture.
Die Umsetzung des Projekts erfolgte in nur vier Monaten ab der Auftragserteilung. Insgesamt wurden rund 75 Tonnen Fichten und Lärchenholz verarbeitet, klimabedingt sei auf Beton und Stahl verzichtet worden.
Das besondere an dem mobilen Konzertsaal sind die großen Panoramafenster mit Blick auf die umliegende Bergkulisse. Die größte Herausforderung sei die klangästhetische Umsetzung des Bauwerks gewesen, damit es bei den Konzerten zu keiner bösen Überraschung kommt. Die moderne Architektur sorgt freilich für angeregte Diskussionen im Kurort. Das liege in der Natur der Sache, meint man im örtlichen Gemeindeamt. Baubehördlich sei aber alles genehmigt und ordnungsgemäß abgewickelt worden, bestätigt Bürgermeister Hermann Doppelreiter (ÖVP).
Er selbst wohnte der Eröffnung des Kultur.Sommer.Semmering und des neuen Konzertpavillons bei. Den Eröffnungsakt im Panhans übernahm niemand geringerer als Schauspiellegende Klaus Maria Brandauer mit ausgewählten literarischen Kostbarkeiten. Als Kultband hatte dann die „Wiener Tschuschenkapelle“ die Ehre, den neuen Konzertpavillon entsprechend lautstark einzuweihen.
Südbahnhotel gegen Panhans – so lautet das heurige Match am Semmering im Kampf um das kulturbeflissene Publikum. Nach dem Rauswurf des „Kultur.Sommer.Semmering“ aus dem Südbahnhotel, kocht der neue kulturaffine Eigentümer des Hauses, Immobilien-Unternehmer Christian Zeller, sein eigenes Süppchen. Und zwar nicht wie die Konkurrenz nur zwei Monate lang im Sommer, sondern konzentriert auf die Wochenenden das ganze Jahr über.
Für Außenstehende sieht es derzeit so aus, als ob die Grand Hotels am Semmering sich gegenseitig mit ihrem kulturellen Angebot übertrumpfen. Der gestern eröffnete Kultur.Sommer.Semmering liefert bis 4. September mehr als 80 Events mit Stars wie Senta Berger, Erwin Steinhauer, Birgit Minichmayr, Dörte Lyssewski, „Jedermann“ Lars Eidinger und so weiter. Am 16. Juli startet das Programm im Südbahnhotel mit ebenfalls klingenden Namen, darunter Bo Skovhus, Monty Alexander, Florian Teichtmeister und Ex-„Jedermann“ Philipp Hochmair.
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