Wasser für Neusiedler See: WWF warnt vor "Todesstoß"
Dem Neusiedler See geht langsam das Wasser aus. Nicht weil es abrinnt, sondern weil von oben zuwenig nachkommt und gleichzeitig die Verdunstung aufgrund des fortschreitenden Klimawandels und den damit verbundenen häufigeren Sonnentagen zunimmt.
Denn das „Meer der Wiener“ speist sich zum Großteil aus Niederschlägen. Aber die fallen seit Jahren nur spärlich. Also hat die Landespolitik reagiert und am Freitag ein Konzept vorgestellt, um die Austrocknung des Neusiedler Sees zu verhindern. Dass dies oberste Prämisse ist, steht seit einem 2014 beschlossenen Strategiepapier fest. Darin heißt es, dass der Neusiedler See als Landschaftselement erhalten und die Austrocknung verhindert werden soll.
Genau das aber könnte laut Experten in den kommenden Jahren durchaus passieren, wenn nicht gegengesteuert wird. Eine ähnliche Situation erlebte das Burgenland bereits im Jahr 2003. Auch damals gab es Diskussionen darüber, wie der See mit ausreichend Wasser versorgt werden könnte. Ergiebige Niederschläge in den Folgejahren ließen das Thema allerdings wieder in den Hintergrund rücken.
Neues Wasser muss her
Doch damals wie heute lautet die Lösung: Zuleitung von Wasser. „Aber anders als 2003 werden wir dieses Mal auch daran festhalten“, sagt Landesrat Heinrich Dorner (SPÖ), der eine Task Force mit Beteiligung aller Verantwortlichen ins Leben gerufen hat, die ein Ziel verfolgt: eine „machbare technische Lösung“ der angepeilten Wasserzufuhr.
Donau und Raab kämen dafür nur bedingt infrage, das hätten bereits ältere Studien gezeigt, sagt Christian Sailer, Hauptreferatsleiter der burgenländischen Wasserwirtschaft. Nun gebe es noch eine dritte Möglichkeit, aber diesbezüglich hält man sich im Burgenland noch bedeckt. „Bevor wir dazu etwas sagen können, müssen noch einige Details geklärt werden“, sagt Sailer.
Ins Auge gefasst werden dürfte eine gemeinsame Lösung mit Ungarn, das ja angesichts des erst im Planungsstadium befindlichen Mega-Tourismusprojekts bei Fertőrákos ebenfalls großes Interesse daran haben dürfte, den See als Ausflugsdestination zu erhalten.
So wie natürlich auch das Burgenland, schließlich bringt der Neusiedler See die meisten Übernachtungen.
WWF sieht "ökologische Katastrophe"
"Die Ökologie des westlichsten Steppensees Europas würde durch eine Wasserzufuhr aus der Donau oder der Raab so tiefgreifend verändert, dass sogar der weitere Fortbestand dieses einzigartigen Naturjuwels gefährdet wäre", warnt Bernhard Kohler von der Naturschutzorganisation WWF Österreich.
„In den Trockenphasen kann sich der Schlamm, der sich am Bodengrund des Sees angesammelt hat, an der Luft zersetzen und die Verlandung des Sees wird gestoppt. Auf diese Weise ist die seichte Seewanne, die nirgendwo tiefer als zwei bis drei Meter ist, über mehr als 13.000 Jahre unverändert erhalten geblieben. Im gleichen Zeitraum sind wesentlich tiefere Alpenseen, die eine andauernde Wasserführung hatten, durch Verlandung spurlos von der Landkarte verschwunden“, erklärt Kohler.
Würde der Wasserstand durch künstliche Wasserzufuhr dauerhaft hoch gehalten, so würde schon allein diese Veränderung zu einer beschleunigten Verlandung des Sees führen.
Naturschützer befürchten "Todesstoß"
Die Stabilisierung des Wasserstandes wäre nur ein Teil des Problems: "Die Zufuhr von Donau- oder Raabwasser wird den Chemismus des Sees radikal verändern", warnt Kohler. „Der See ist ein leicht salzhaltiger Soda-See und dieser Salzgehalt hält seine bekannte, graue Trübung aufrecht. Leitet man kalkreiches Flusswasser in den See, würden die Trübstoffe absinken und das Wasser würde klar werden. Nun sitzen aber auf den Milliarden Trübe-Partikeln, die sich im Seewasser in Schwebe befinden, winzige Bakterien-Rasen, die fast alles organische Material zersetzen, ehe es den Seeboden erreichen kann, sodass sich dort nur wenig Schlamm ansammelt. Wenn die Trübe durch die Wasserzuleitung plötzlich ausfällt, drohen massive Algenblüten und die Verschlammung und Verlandung des Sees würde noch rascher fortschreiten. Eine künstliche Wasserzufuhr würde dem See letztlich den Todesstoß versetzen", sagt WWF-Experte Kohler.
Die Gefahr der Zerstörung durch künstliche Wasserzuleitung haben bereits mehrere wissenschaftliche Untersuchungen aufgezeigt, die anlässlich der letzten Debatte um eine künstliche Wasserzufuhr im Jahr 2003 durchgeführt wurden. Die gewonnenen Erkenntnisse waren ausschlaggebend dafür, dass das Projekt auf Eis gelegt wurde.
"Das Land Burgenland sollte den damals eingeschlagenen Weg weiterverfolgen: nämlich passiven Wasserrückhalt durch konsequentes Schließen des Wehrs am Einserkanal zu betreiben und ansonsten die wechselhafte Natur des Steppensees zu akzeptieren", sagt Bernhard Kohler.
"Kein Problem" bei optimaler Zuleitung
Bedenken von Naturschützern, die Zufuhr von Wasser würde den Chemismus im See verändern und damit die Natur nachhaltig schädigen, lässt Sailer nur bedingt gelten und verweist auf Studien. "Wenn die Zuleitung optimal gestaltet wird, sollte das kein Problem sein." Schließlich gehe es nur darum, den Wasserstand zu managen und nicht über die Maßen ansteigen zu lassen.
Hitze lässt Wasserstand sinken
Das wäre angesichts der benötigten Mengen auch gar nicht so einfach. Um den Wasserstand im Neusiedler See um nur einen Zentimeter zu heben, müssten 3 Millionen Kubikmeter Wasser zugeführt werden. Aber sogar das wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn an Tagen über 30 Grad kann der Pegelstand allein durch Verdunstung um bis zu einem Zentimeter sinken.
Aktuell bleibt allerdings nur das Hoffen auf Regen, der für 80 Prozent des Wassers im See verantwortlich ist. Sailer: „Ohne Zuleitung werden wir den See langfristig nicht erhalten können.“
WWF: "Keine schlammige Badewanne"
Bislang ist der See im Durchschnitt ein bis zwei Mal pro Jahrhundert ausgetrocknet. "In Zeiten des Klimawandels werden solche Austrocknungsereignisse sicher häufiger werden. Aber auf die Trockenperioden sind immer wieder Hochwasserphasen gefolgt - nur wenige Jahre nach der letzten Austrocknung 1865 bis 1868 war der See Mitte der 1870er Jahre fast drei Meter tief. Auch auf die jetzige Trockenphase wird ein Hochwasser folgen - beides braucht der See um langfristig gesund zu bleiben. Wir sind zu Recht stolz auf unseren Steppensee und dürfen ihn nicht zu einer schlammigen Badewanne degradieren", warnt WWF-Experte Kohler.
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