Genozid an Roma und Sinti: Erinnern ist "leicht, wenn es nicht weh tut“

Die Gedenkfeier im August 2023 im Oberwarter Stadtpark.
500.000 Roma und Sinti starben während der NS-Zeit. Die Errichtung von Gedenkstätten braucht weiterhin viel Überzeugungsarbeit.

Am 2. August wird dem Genozid an Roma und Sinti während der NS-Zeit gedacht. Seit 2015 ist dieser Tag europaweit dem Gedenken an die etwa 500.000 Roma und Sinti gewidmet, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. In Österreich hat das Parlament 2023 beschlossen, diesen Tag als nationalen Gedenktag zu begehen.

Der Historiker Stefan Benedik vom Haus der Geschichte Österreich fasst die aktuelle Problematik zusammen: "Es ist leicht, sich zu erinnern, wenn es nicht weh tut."

Diese Aussage verdeutlicht die Diskrepanz zwischen der historischen Anerkennung und der Realität. Während in Großstädten wie Wien eine gewisse Offenheit gegenüber dem Gedenken herrscht, gestaltet sich die Situation in ländlichen Regionen oft schwieriger. Hier treffen Nachfahren von Opfern und Tätern aufeinander, was die Akzeptanz von Gedenkprojekten erschwert. 

Straßeninterviews aus Oberwart  offenbaren, dass rassistische Vorurteile gegenüber Roma und Sinti weiter tief verwurzelt sind. "Menschen äußern oft, dass die Roma selbst schuld an der Gewalt gegen sie seien", berichtet Benedik und verweist auf die fortdauernden Probleme. 

Ein Beispiel für diese Herausforderungen ist die Errichtung von Gedenkstätten im Burgenland. Emmerich Gärtner-Horvath, Beiratsvorsitzender der Volksgruppe der Roma und Obmann des Kulturfördervereins Roma Service, beschreibt den komplexen und oft steinigen Weg, diese Orte des Gedenkens zu schaffen. 

Insgesamt wurden 25 Gedenkstätten errichtet, doch dem ging eine lange Phase der Überzeugungsarbeit voraus. "Es bedarf intensiver Aufklärungsarbeit, um die Mehrheitsbevölkerung davon zu überzeugen, dass es nicht um Anklage, sondern um Erinnerung geht", so Gärtner-Horvath.  

Die Herausforderungen enden jedoch nicht bei  Gedenkstätten. Gärtner-Horvath fordert eine strengere Gesetzgebung und ein konsequenteres Durchgreifen der Justiz, um Rassismus und Diskriminierung wirksam zu bekämpfen. Ein bezeichnendes Beispiel ist die NS-Liederbuchaffäre, bei der es trotz klarer antisemitischer und rassistischer Inhalte keine rechtlichen Konsequenzen gab. 

"Da sieht man, wie man mit der Geschichte umgeht", kritisiert Gärtner-Horvath und appelliert an die Verantwortung der Politik. Er fordert stärkere mediale Präsenz und eine umfassendere Berücksichtigung der Geschichte der Roma und Sinti in den Lehrplänen. 

In Wien, wo die Erinnerung oft abstrakter bleibt, gestaltet sich die Errichtung von Denkmälern einfacher. Es ist geplant, eine nationale Gedenkstätte zu schaffen, an der Kränze niedergelegt werden können. Gärtner-Horvath berichtete von Gesprächen mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) über den möglichen Standort am Schmerlingplatz im ersten Bezirk. Dort sollen die Namen der während des Nationalsozialismus deportierten und ermordeten Angehörigen der Volksgruppen aus Österreich digital verzeichnet werden.

Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der gegenwärtigen Situation der Roma und Sinti ist von höchster Wichtigkeit. "Die Erinnerung muss die Gegenwart prägen", betont Benedik und fordert eine Gedenkkultur, die nicht nur die Opfer des NS-Regimes würdigt, sondern auch die fortdauernde Diskriminierung thematisiert. Es bedarf einer verstärkten Aufklärung und Sensibilisierung der Gesellschaft, um das Bewusstsein für diese Thematik zu schärfen und aktuelle Vorurteile abzubauen.

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