Neusiedler See: Ungarns Kampfansage an Österreichs Tourismus
„Zutritt verboten“, heißt es wieder einmal am ungarischen Ufer des Neusiedler Sees. Denn die ersten Bauarbeiten für das Mega-Tourismusprojekt stehen unmittelbar bevor, wie mehrere ungarische Medien berichten.
Seit 17. Dezember dürfen Besucher nicht mehr auf das Gelände, die Besitzer der einzigartigen Pfahlhäuser im Wasser haben genaue Anweisungen erhalten, wie sie auf ihr – gepachtetes – Grundstück gelangen können. Andere Pächter hatten nicht so viel Glück: In einem Fall ist seitens der Behörden bereits ein Räumungs- beziehungsweise Abrissbescheid ergangen.
Ungarn macht also Ernst mit der rund 75 Millionen Euro teuren Investition am Ufer des Neusiedler Sees. Ungeachtet der kritischen Stimmen diesseits und jenseits der Grenze, die den Status des Neusiedler Sees als Unesco Welterbe gefährdet sehen.
Zumal jetzt auch die ersten detaillierten Renderings der geplanten Projekte aufgetaucht sind.
Und die zeigen laut Christian Schuhböck von der Umweltschutzorganisation Alliance for Nature, dass „diese monströsen Gebäude in keiner Weise an die Landschaft im Welterbe-Gebiet angepasst sind. Das widerspreche klar der damaligen Erklärung der Unesco“. Sollten tatsächlich bald die Bagger auffahren, wäre für Schuhböck die Kulturlandschaft Fertö/Neusiedler See auf die Rote Liste der bedrohten Welterbestätten zu setzen.
Seitens der zuständigen Stellen bei der Unesco werden derzeit Unterlagen und Bewertungen der verschiedenen Partner eingeholt. Eine aktuelle Stellungnahme zum offensichtlich bevorstehenden Baustart gibt es noch nicht, auch wenn die Renderings bekannt sein dürften.
Ungarn hat große Pläne
Auf der Homepage der ausführenden Sopron-Neusiedler Tourismusentwicklung Nonprofit AG ist jedenfalls genau zu lesen, was in den kommenden Jahren am Ufer des Neusiedler Sees alles umgesetzt werden soll: Häfen für Segelboote, ein Wassersport- und ein Ökozentrum, ein Hotel mit 100 Betten sowie andere Nächtigungsmöglichkeit, Spiel- und Parkplätze und natürlich neue Straßen.
Also eine Kompletterneuerung des gesamten Gebiets, das in den 1960er-Jahren künstlich mit Schlamm angelegt und bisher touristisch kaum beachtet wurde, obwohl es im Einzugsbereich der 65.000 Einwohner zählenden Stadt Sopron liegt und natürlich auch viele österreichische Gäste anlocken könnte.
Tatsächlich ist die geplante Investition durchaus auch als Kampfansage an den heimischen Tourismus zu verstehen. Nicht umsonst heißt es auf der Betreiber-Homepage: „Das Ziel lautet, mit dem Tourismuszentrum Fertö Lake eine wettbewerbsfähige Alternative zu den Resorts auf österreichischer Seite anzubieten.“
Außerdem wurde die Kritik von Umweltschützern bisher immer mit dem Hinweis weggewischt, dass es auch auf österreichischer Seite ähnliche Projekte gebe. Insofern ist nicht zu erwarten, dass Ungarn seine Pläne überdenkt. Einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung wurde bereits eine klare Absage erteilt. Und in vielen – regierungsnahen – ungarischen Medien wird bereits die goldene Fertö-Zukunft skizziert.
So entdeckte Viktor Orbáns das Seeufer für sich
„Unveräußerliches Staatsgebiet ist unser gemeinsamer Schatz, der nicht in private Hände genommen werden kann ... der Fertő-Strand gehört uns allen“, heißt es auf der Homepage der Sopron-Neusiedler Tourismusentwicklung Nonprofit AG, die den Bau des 75 Millionen Euro teuren Projekts am ungarischen Ufer des Neusiedler Sees bei Fertörákos abwickeln wird.
Hinter dem Projekt dürfte aber niemand geringerer als Viktor Orbáns Tochter Ráhel stehen, das ist seit einem KURIER-Bericht vom Juli 2019 bekannt. Sie und ihr Gatte István Tiborcz, Ungarns jüngster Milliardär, sollen an der Entwicklung beteiligt sein, eine offizielle Bestätigung gibt es dafür nicht.
Ungarischen Medien zufolge soll Ráhel Orbán schon seit Jahren als kommende starke Frau im Tourismus aufgebaut werden. Die fachlichen Voraussetzungen dafür bringt sie mit einem Tourismusmanagement-Studium und einer einjährigen Ausbildung in Lausanne mit. Offizielles „Gesicht“ des Projekts in Fertörákos ist Béla Kárpáti, Generaldirektor der Sopron-Neusiedler Tourismusentwicklung Nonprofit AG.
Die Herausforderungen im Rahmen des Bauvorhabens werden gewaltig, zur Umsetzung – und den Erhalt des Tourismusstandorts – braucht es massive Baggerarbeiten. Und das vermutlich laufend. Denn der Wind treibt den Sand eher in Richtung Süden, was einen niedrigeren Wasserstand zur Folge hat.
Nun sinkt dieser im Neusiedler See aufgrund der derzeit vorherrschenden klimatischen Bedingungen und des abnehmenden Niederschlages ohnehin schon kontinuierlich ab. Erst in diesem Jahr wurde der langjährige untere Mittelwert unterschritten. Deshalb prüft das Burgenland jetzt die Zuführung von Wasser aus einem Seitenarm der Donau – und der liegt auf ungarischem Gebiet.
Die Verhandlungen dazu laufen bereits und dürften von Erfolg gekrönt sein, auch wenn Umweltschützer durch die Zuleitung den Lebensraum bedroht sehen. Denn eines haben Österreich und Ungarn gemeinsam: Beide Seiten haben sich zum Ziel gesetzt, den See als Landschaftselement zu erhalten.
„Schützen und nützen“, heißt das Ziel im Burgenland. Ob sich Ungarn damit identifizieren kann, ist fraglich.
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