Dass die Commerzialbank Mattersburg über Nacht geschlossen wurde, hat viele hart getroffen. Aber auch, dass ein vermeintlicher Ehrenmann so tief fallen konnte.
Es war am Mittwoch Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) vorbehalten, mit Martin Pucher besonders hart ins Gericht zu gehen. Ihm war sofort klar, welch harte Zeiten aufgrund der Schließung der Commerzialbank Mattersburg auf das Burgenland zukommen. Vor allem auf jene, für die das Institut Hausbank war: Unternehmen, Institutionen, Gemeinden und viele, viele kleine Sparer. Die Bank zählte insgesamt rund 60.000 Kunden.
In der breiten Bevölkerung, vor allem bei vielen Vereinen der Region, war das Urteil weniger hart. Zu frisch ist noch die Erinnerung an Martin Pucher als einen Ehrenmann, der den Menschen hilft, auf seine Umgebung schaut und der vor allem dem Sport verfallen ist. In erster Linie dem SV Mattersburg, dessen Erfolgslauf von einem Landesligaverein in die Bundesliga seine Handschrift trägt. Da wurde auch in Kauf genommen, dass Pucher – sowohl als Vorstandsvorsitzender der Bank als auch als Boss des SV Mattersburg – im Weltbild des Patriarchen verharrte. Er traf Entscheidungen fast immer allein und duldete wenig Widerspruch. Oder wie es ein Journalist nach einem der vielen Trainerwechsel formulierte: Hier gilt nur die „Lex Pucher“.
Menschen, die in Pucher den großen Gönner sahen, ist schwer verständlich, dass er in seiner Bank Malversationen in der Höhe von rund 480 Millionen Euro verursacht haben soll. Obwohl sich viele aus der Branche immer wieder gefragt hatten, wie eine regionale Privatbank das alles stemmen kann. Vor allem die enorme Sponsortätigkeit.
Der gebürtige Mattersburger Pucher wurde nicht zuletzt dafür von Doskozils Vorgänger, Ex-Landeshauptmann Hans Niessl, und dem damaligen LH-Vize Hans Tschürtz von der FPÖ 2017 mit dem Großen Ehrenzeichen des Landes geehrt.
Tiefer Fall
Heute stehen auf der einen Seite jene, die wegen des Bankskandals um ihre Existenz fürchten. Deswegen gab es bereits Morddrohungen gegen Pucher und dessen Familie. Auf der anderen Seite jene, die diese Wendung nie erwartet hätten, und denen der gefallene Macher teilweise sogar leidtut.
In einer aktuellen Erklärung seines Rechtsanwaltes Norbert Wess heißt es: „Herr Martin Pucher möchte sich abschließend bei all jenen aufrichtig dafür bedanken, die ihm in den letzten Tagen Kraft und Zuversicht gegeben haben.“
Das waren nicht wenige, auch wenn sie nicht öffentlich auftreten.
Eine Ausnahme ist Karl Kaplan, ehemaliger ÖVP-Landesrat und Ex-Präsident des Burgenländischen Fußballverbandes, der den Ex-Bankvorstand trotz der mutmaßlichen Malversationen als „wichtiges Aushängeschild für den Fußball im Burgenland“ bezeichnet. Und: „Ich kann über ihn nichts Schlechtes sagen. Er war menschlich in Ordnung.“ Über die finanzielle Gebarung dahinter könne er nichts sagen.
Aber warum kommt jemand, dem ein bescheidener Lebensstil nachgesagt wird, dazu, finanzielle Luftgeschäfte zu machen?
Manche, die Pucher seit Jahren kennen, attestieren ihm ein „Helfersyndrom“. In seinem Wohnort Hirm unterstützte der Banker nicht nur den örtlichen Fußballverein und öffnete einen Park auf Bankgrund für die Allgemeinheit. Auch andere Vereine im Ort seien bei ihm immer auf offene Ohren gestoßen, erzählt Amtsleiter Alfred Wiesinger, der Pucher persönlich gut kennt. „Wer ihn um eine Unterstützung gebeten hat, hat sie fast immer auch bekommen“.
Als Sponsor trat die Commerzialbank, Hauptgönner des Bundesligisten SVM, auch bei einer Handvoll weiterer Fußballvereine im Bezirk Mattersburg auf. Mit Ausnahme von Mattersburg erhielten überall dort, wo es eine Filiale der Commerzialbank und einen Fußballklub gab, die örtlichen Vereine nach einem vertraglich fixierten Schlüssel einen Werbekostenbeitrag in vier Kategorien: Neben einem Sockelbetrag von je 5.000 Euro gab es zusätzlich Geld für den Nachwuchs, eine Leistungs- und – für einen Meistertitel – eine Erfolgszulage. Die Vereine ermöglichten der Bank im Gegenzug Bandenwerbung und Durchsagen. Der Regionalligist ASV Draßburg kam so im Jahr auf 60.000 Euro.
Auch Pfarrer Günter Kroiss – jahrelang Geistlicher in Mattersburg und Gründer eines Sozialvereins – hat die Zusammenarbeit während der vergangenen 20 Jahre „sehr geschätzt“. Mit Beträgen zwischen 20.000 und 30.000 Euro habe Pucher den Verein, der das Jugendzentrum betreibt, pro Jahr gefördert. „Ohne ihn wäre viel Gutes nicht passiert“, sagt der Pfarrer. Ob er persönlich enttäuscht sei? „Nein“. Er habe Pucher immer als hilfsbereit und unkompliziert erlebt. „Er hat uns auch unterstützt, als der Verein in den Konkurs geschlittert ist.“
Pucher hat sich um Vieles, vielleicht zu Vieles gekümmert: Das „Haus Dellacher“ von Raimund Abraham in Oberwart, eines der wichtigsten Bauwerke des Burgenlandes, drohte zu verfallen, als es Anfang der 2010-er Jahre im Zuge einer Forderungssicherung in den Besitz einer Immobilientochter der Commerzialbank gelangte. Jahrelang bemühte sich der Banker, dieses Meisterwerk „in gute Hände“ geben zu können. Das Baujuwel ist mittlerweile verkauft und saniert.
Und Pucher? Er steht vor den Trümmern seiner Existenz.
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