Hans Peter Doskozil: "Die Vorgeschichte regt mich innerlich auf"
KURIER: Sie waren zuletzt auf Medien im Allgemeinen und den KURIER im Besonderen nicht gut zu sprechen. Müssen wir uns glücklich schätzen, dass Sie mit uns reden?
Hans Peter Doskozil: Ich habe grundsätzlich ein gutes und gesundes Verhältnis zu Medien. Politiker und Medienleute müssen einander akzeptieren und das Gefühl haben, objektiv behandelt zu werden – das gelingt nicht immer.
Ihre Auftritte zur Commerzialbank waren teilweise sehr emotional …
Das ist ja nicht die erste Bankenpleite in Österreich, die durch kriminelle Handlungen herbeigeführt wird. Was mich innerlich aufregt, ist die jahrelange Vorgeschichte. 2015 beginnt die Staatsanwaltschaft Eisenstadt nach einer Anzeige gegen die Bank nicht einmal zu ermitteln, weil angeblich der Anfangsverdacht gefehlt hat. 2018 stößt die Finanz bei der Prüfung eines Unternehmers, der auch Vizepräsident des Bank-Aufsichtsrates ist, auf mögliche Geldwäsche und dubiose Geldflüsse. Zudem gab es über Jahre Vorschüsse und Kredite in Millionenhöhe an den Aufsichtsrat und angeblich bis zu 40 Privatkonten von Bank-Vorstand Martin Pucher. Ich verstehe nicht, warum nicht längst Alarm geschlagen wurde.
Alarm schlagen müssen hätte laut Opposition und Anleger-Anwalt Ernst Brandl auch das Land als Revisor der Bank-Mutter, einer Personalkreditgenossenschaft.
Der Betrug hat in der Bank stattgefunden, nicht in der Genossenschaft. Es ist rechtlich ausgeschlossen, dass der Revisor auch die Bank prüft.
Das Genossenschaftsrevisionsgesetz sagt anderes. Die Revision müsse sich auch auf Unternehmen erstrecken, die unter maßgeblichem Einfluss der Genossenschaft stehen. Anwalt Brandl sieht das Land deshalb in der Haftung.
Jeder hat das Recht, seine Möglichkeiten komplett auszuschöpfen. Aber aus Sicht der Rechtsvertreter des Landes ist eine Haftung nicht zu befürchten.
Problematisch könnte auch sein, dass da wie dort die Kanzlei TPA geprüft hat, seit 2007 im Auftrag des Landes die Genossenschaft.
Das ist zwar keine gute Optik, aber rechtlich offensichtlich vertretbar.
Warum legt das Land die Prüfberichte der TPA nicht offen?
Weil es gewisse Regeln gibt und wir uns nicht der Gefahr einer Klage durch die TPA aussetzen wollen. Mit gleichem Recht könnte man fordern, dass die Staatsanwaltschaft alles offenlegt.
Wer ist in der Landesregierung für Genossenschaftsprüfung zuständig, Finanz- oder Wirtschaftslandesrat?
Ich habe in den zwei Jahren als Finanzlandesrat keinen Prüfbericht beauftragt und keinen bekommen.
Ex-FPÖ-Wirtschaftslandesrat Alexander Petschnig will auch keinen erhalten haben, gab’s also gar keine?
Doch, die Berichte sind an einen hochrangigen Mitarbeiter der Finanzabteilung gegangen, politisch zuständig ist aber der Wirtschaftslandesrat. Wenn Petschnig fünf Jahre auf diesem Sessel sitzt und nicht weiß, wofür er zuständig ist, ist das traurig. Es reicht nicht, fünf Jahre nur zu feiern.
„Ich wurde von der FMA als Landeshauptmann informiert, damit ich weiß, was auf uns zukommt“
Seit Februar war Ihr Parteifreund Christian Illedits, der vor einer Woche wegen eines Gold-Geschenks zu seinem 60. Geburtstag 2018 zurückgetreten ist, zuständig.
Ich hätte nicht geglaubt, dass er jemand ist, der so ein Geschenk (ein Goldblatt im Wert von rund 5.400 Euro mit einer Widmung des SV Mattersburg, dessen Präsident Martin Pucher war; Anm.) annimmt. Hätte ich das früher erfahren, wäre er nicht ins Regierungsteam gekommen.
Im Untersuchungsausschuss, zu dem sich alle vier Landtagsparteien bekannt haben, wird Illedits nur eines von vielen Themen sein.
Ich freue mich grundsätzlich auf jeden U-Ausschuss, bei dem zur Commerzialbank wird aber nicht viel herauskommen. Die polizeilichen Ermittlungen werden dann noch laufen, und wir als Land haben keine Zuständigkeiten und können zentrale Zeugen nicht laden. Im Ausschuss wird vermutlich diskutiert, wer wen wann angerufen hat.
Darüber herrschte zuletzt Verwirrung, besonders über die letzten Stunden vor Schließung der Bank in der Nacht auf 15. Juli.
Am Nachmittag des 14. Juli haben Gerüchte von einer Selbstanzeige Puchers die Runde gemacht, nachdem seine Frau zahlreiche Bekannte und Freunde informiert hatte. Ich habe nach 18.30 Uhr einen Anruf der Finanzmarktaufsicht erhalten und von der Tragweite der mutmaßlichen Bilanzfälschungen erfahren. Beim unmittelbar anschließenden wöchentlichen Routinetreffen mit den Regierungskollegen und dem Landesamtsdirektor habe ich über die Nachricht von der FMA berichtet und gebeten, sensibel damit umzugehen. Auf der Heimfahrt gab es noch ein Telefonat mit Landesholding-Chef Hans Peter Rucker, um zu erfahren, ob wir auch zu den Geschädigten gehören (die Energie Burgenland hatte fünf Millionen Euro bei der Bank veranlagt, das Regionalmanagement Burgenland RMB 1,4 Millionen Euro; Anm.). Knapp vor Mitternacht hat mich dann die FMA informiert, dass der Schließungsbescheid zugestellt wurde.
Schließen Sie aus, dass aus diesem Kreis das RMB oder andere Bank-Kunden gewarnt wurden, um Geld in Sicherheit zu bringen – das RMB hat es ja versucht?
Ich schließe das dezidiert aus.
Muss ein Landeshauptmann von der Schließung einer privat geführten Bank vorab in Kenntnis gesetzt werden?
Das weiß ich nicht, und im Nachhinein wäre es mir lieber, man hätte mich nicht angerufen, dann müssten wir jetzt nicht darüber diskutieren. Ich wurde als Landeshauptmann informiert, damit ich weiß, was auf uns zukommt.
Was kommt aufs Land zu?
In der Betriebsgesellschaft der Fußballakademie wird das Land zu seinen 45 Prozent die 35 Prozent des SV Mattersburg dazunehmen. Betrieb und Refinanzierung der Akademie kosten das Land jährlich eine Million Euro zusätzlich. Die Lizenz wird der Burgenländische Fußballverband übernehmen, der Spielbetrieb der Nachwuchskicker geht damit weiter. Dazu kommt, dass mehrere Gemeinden im Bezirk Mattersburg einen Gesamtschaden von rund sechs Millionen Euro beklagen. Wie viel das Land davon abdecken muss, hängt auch vom Erfolg unserer Amtshaftungsklage gegen die Republik und deren Kontrollorgane ab. Wir haben den Bürgermeistern angeboten, sich der Klage anzuschließen.
Gibt’s auch Hilfe für Commerzialbank-Mitarbeiter?
Nicht nur für sie, sondern auch für Arbeitnehmer, deren Firmen im Gefolge der Bankpleite zusperren müssen, planen wir eine Arbeitsstiftung. An Details arbeiten wir noch.
Hat die Commerzialbank-Pleite Auswirkungen auf Investitionen des Landes?
Nein, sehr wohl aber die Corona-Pandemie. Denn was Transfers des Bundes betrifft, müssen wir mit bis zu
130 Millionen Euro Mindereinnahmen rechnen. So hoch wird die Neuverschuldung des Landes aber bei Weitem nicht, weil wir derzeit alle Posten durchforsten und einsparen. Die großen Vorhaben wie die Krankenhäuser in Oberwart und Gols sind davon aber nicht betroffen.
„Was in fünf oder zehn Jahren sein wird, weiß niemand. Ich kann morgen meine Stimme verlieren“
Und Ihre Prestigeprojekte Mindestlohn und Pflege?
Der Mindestlohn von 1.700 Euro netto im Landesdienst wird weiter ausgerollt, derzeit in der Landesholding, dann wollen wir mit den Betreibern der Pflegeheime darüber verhandeln. Verhandelt wird auch mit den Gemeinden, ohne deren Zustimmung wird es keinen Mindestlohn geben, das ist ein Tribut an Corona, das den Kommunen sehr zusetzt. Und bei der 24-Stunden-Pflege möchten wir unabhängig von ausländischen Kräften werden.
Kann sich SPÖ-Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner zurücklehnen, weil ihr schärfster Kritiker im Burgenland genug zu tun hat?
Vorsitzende der Bundes- oder einer Landespartei können sich nie zurücklehnen. Loyalität ist schön und gut, aber in erster Linie muss man der SPÖ gegenüber loyal sein. Die Partei muss auf die richtigen Themen setzen und Wahlen gewinnen. Ich bin davon überzeugt, dass unser Mindestlohn und das Konzept der pflegenden Angehörigen bundesweit umgesetzt werden müssen.
Werden Sie 2025 wieder Spitzenkandidat im Burgenland oder davor schon im Bund?
Die Fragestellung wird immer raffinierter (lacht). Ich habe den Burgenländern versprochen, im Land zu bleiben.
Fünf Jahre?
Genau, das sage ich auch offen. Was in fünf oder zehn Jahren sein wird, weiß niemand. Ich kann morgen meine Stimme verlieren, dann beschäftige ich mich mit ganz anderen Dingen.
Was jedenfalls unmittelbar bevorsteht, ist ein Kurzurlaub. Geht das jetzt überhaupt?
Das ist kein Urlaub, sondern ich mache mit meiner Lebensgefährtin einen lange geplanten Besuch bei ihrer Familie in Deutschland. Aber ich bin ohnehin täglich verfügbar.
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