Fünf offene Fronten im Kampf um den Neusiedler See
Zehn Gemeinden liegen direkt am Neusiedler See, sein Einflussbereich geht weit über deren Grenzen hinaus. Dementsprechend groß ist die Bandbreite der unterschiedlichen Interessen in Verbindung mit dem Steppensee, der 2001 zum Unesco-Welterbe erklärt wurde.
Umweltschützer fordern jetzt die Eintragung auf die rote Liste der gefährdeten Welterbestätten. Nicht zuletzt deshalb, weil ihrer Meinung nach die Architektur in den vergangenen Jahren aus dem Ruder gelaufen ist.
Ähnliche Befürchtungen gibt es in Gols, wo am Rande des Nationalparks ein neues Krankenhaus mitten in den Weingärten errichtet werden soll. Die Landwirtschaft wiederum wehrt sich gegen Vorwürfe, dass durch zunehmende Bewässerung der Wasserhaushalt der Region aus dem Gleichgewicht gerät.
Das wäre auch für den Tourismus ein Problem, der sowohl vom Natur- als auch vom Erholungsraum profitiert – ein Überblick in fünf Bereichen:
Das Welterbe: Rote Liste oder alles halb so wild?
Angesichts der zunehmenden Verbauung des Ufers und diverser Bauprojekte dies- und jenseits der Grenze schlagen Naturschützer immer lauter Alarm und sehen den Status der Region als Unesco-Welterbe gefährdet. Vielmehr fordern sie sogar die Eintragung auf die rote Liste der gefährdeten Welterbestätten.
Dabei müssten neben der fortschreitenden Zerstörung der Umwelt auch die architektonischen Veränderungen berücksichtigt werden, fordert Christian Schuhböck von der „Alliance for Nature“: „Die Region hat diesen Status nicht nur wegen des Neusiedler Sees, sondern auch aufgrund der ländlichen Kultur und der Bauwerke.“
Musterbeispiel für deren Erhalt sei Rust, wo die gesamte Altstadt unter Denkmalschutz steht.
„Andere Gemeinden rund um den See nehmen keine Rücksicht darauf“, sagt Schuhböck, der den Druck auf internationaler Ebene verstärken will: Externe Experten sollen den Welterbe-Status unter die Lupe nehmen.
Die Landschaft: Im Wandel der Zeit oder viel zu viel?
Architektur in einem Welterbe-Gebiet ist die eine Sache, Raumplanung die andere. Aktuell sorgt vor allem ein Projekt für Aufregung: das geplante Krankenhaus in Gols.
Die mitten im Bezirk gelegene Gemeinde steht aufgrund der guten Erreichbarkeit außer Streit, nicht aber der vom Land bevorzugte Standort am Kreisverkehr im Gebiet „Wiesäcker“. Dieser liegt nämlich in einem Natura-2000-Schutzgebiet und am Rande des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel.
Zuletzt hatten sich im Ort zwei Vereine zum Thema gegründet: Die „Freunde des Krankenhauses Gols“ unterstützen die Pläne des Landes, die Initiative „Ja zum Krankenhaus – Nein zur Verbauung der Golser Wiesäcker“ will den Bau am vorgesehenen Ort verhindern und hat eine Beschwerde an die EU-Kommission gerichtet.
Status Quo in der Causa: Der im Zuge des Umwidmungsverfahrens notwendige Umweltbericht soll noch im Frühjahr vorliegen.
Die Lebensader: Wasser geht, Wasser kommt?
Ohne Wasser, kein Leben. Das gilt natürlich auch für den Neusiedler See. Der speist sich zum größten Teil aus Niederschlägen, zu den verschiedenen Horizonten des Grundwassers im Seewinkel besteht kaum eine Verbindung.
Anders verhält sich die Situation mit den immer wieder austrocknenden Salzlacken. Die Landwirtschaft ist immer wieder mit dem Vorwurf der zunehmenden Bewässerung konfrontiert (der KURIER hat berichtet).
Eine Kritik, die Landwirtschaftskammer-Vizepräsident Otto Prieler so nicht gelten lassen will: „Ein gemütlicher Sommerregen – das ist in etwa die Menge Wasser, die die Landwirtschaft im ganzen Seewinkel jährlich entnimmt.“
Das Gebiet sei außerdem in verschiedene Regionen eingeteilt. Wenn der Pegelstand des Grundwassers in einer davon unter eine bestimmte Marke fällt, dürfte auch nicht mehr in vollem Umfang bewässert werden. „Das hat mit dem Wasserstand im See gar nichts zu tun“, sagt Prieler.
Das Geschäft: Alles nur eine Frage des Geldes?
Gäste bringen Geld. Und sie kommen in Scharen ins Nordburgenland, nicht zuletzt dank des Corona-bedingten zunehmenden Interesses an Inlandsdestinationen. Der Neusiedler See punktet mit einem breiten Angebot vor allem auf österreichischer Seite, wo massiv investiert wird – etwa von den Esterhazy Betrieben in die Seebäder Breitenbrunn oder Rust.
Dass auch Ungarn auf den lukrativen Tourismuszug aufspringen will, war nur eine Frage der Zeit: Die Bauarbeiten für das 75 Millionen Euro teure Tourismusprojekt am Seeufer bei Fertörákos haben bereits begonnen.
Die klare Ansage der Ungarn in Richtung Österreich: Wir wollen auch ein Stück vom See-Kuchen. Mit allen damit verbundenen Konsequenzen und immer mit dem Verweis auf ähnliche und bereits umgesetzte Projekte im Burgenland. Zukünftig wird sich verstärkt die Frage stellen, wie sich der Tourismus inklusive Begleiterscheinungen mit dem Nationalpark vereinbaren lässt.
Die Zukunft: Schützen? Nützen? Oder beides?
„Schützen und nützen“, hatte der ehemalige Landeshauptmann Hans Niessl als Motto für den Masterplan ausgegeben. Sein Nachfolger Hans Peter Doskozil hat diesen Prozess zurück an den Start geschickt. Aktueller Stand: Laut Regierungsprogramm soll bis Ende 2022 ein Managementplan vorliegen; für den Masterplan wird „2021 bis 2024“ angegeben. Das ehrgeizige Ziel lautet „Balance zwischen intakter Natur und positiver wirtschaftlicher Entwicklung“.
Spannend wird vor allem die Frage der Zuleitung von Donauwasser. Umweltschützer vergleichen das vom Land geplante Projekt bereits mit dem (gescheiterten) Brückenbau aus den 1970er Jahren und wollen dagegen mobil machen.
Dem See wird´s – auf lange Sicht – recht und ziemlich egal sein, schließlich unterliegt er seit Jahrhunderten den Launen der Natur, trocknet einmal aus, um dann wieder überzugehen. Der Unterschied zu früher: Der Faktor Mensch ist entscheidender geworden.
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