Schloss Esterhazy: 100 Millionen Euro für ein Jahrhundertprojekt
Stefan Ottrubay, seit 22 Jahren an der Spitze des Unternehmens, will Land und Bund ins Boot holen und die vor 15 Jahren gescheiterte Generalsanierung des Eisenstädter Schlosses im zweiten Anlauf schaffen.
Der Esterhazy-Chef über den See, Ungarn, Doskozil und worüber er (k)ein Buch schreiben will.
KURIER: Beginnen wir mit dem Ende: „Das Ende des Neusiedler Sees?“ heißt ein von Ihnen angestoßener wissenschaftlicher Band zur Klimakrise vor Ort. Ein Austrocknen des Sees hätte verheerende Folgen, sagen Sie. Auch für Esterhazy?
Stefan Ottrubay: Da geht es weniger um uns, sondern um die ganze Region. Gesundheitlich wäre es schrecklich. Als der See in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgetrocknet war, bekamen viele Menschen Lungenkrankheiten. Ohne Wasser wird das Becken zur Sandwüste. Außerdem wirkt der See als Klimapuffer für die Landwirtschaft und speziell den Weinbau, er dämpft die Hitze im Sommer und wärmt die Landschaft im Winter ein bisschen. Eine Wasserfläche ist zudem immer angenehm für die Seele des Menschen und ermöglicht sportliche Aktivitäten. All das fiele weg.
Dennoch investiert Esterhazy 50 Millionen Euro in das Seebad Breitenbrunn. Unverbesserlicher Optimismus?
Wir haben das Buch auch deshalb unterstützt, weil wir glauben, dass durch ein Bündel von Maßnahmen die Austrocknung hintangehalten werden kann. Man kann die Verhältnisse optimieren, ohne gleich an die Zuleitung von Wasser denken zu müssen.
Glauben Sie, dass noch vor der Landtagswahl 2025 eine Gesamtstrategie vorliegt?
Das ist kein Problem, das man mit Husch-Pfusch lösen kann. Die Politik musste erkennen, dass uns kein Nachbar ohne weiteres große Mengen Donauwasser überlässt. Die Ungarn sagen, „bei uns ist es auch trocken“.
Sie kennen den Nachbarn. Wäre es klug, sich auf Ungarn zu verlassen?
In den vergangenen Jahren ist nichts vorwärts gegangen. Das ist gar keine böse Absicht, sondern hängt am extrem starken Zentralismus, alles fließt beim Ministerpräsidenten zusammen. Zudem kapselt sich Ungarn derzeit eher von der Welt ab.
Esterhazy streitet seit 2016 mit Ungarn um die Anerkennung des Eigentums an 280 Objekten, die 1919 aus der Schatzkammer auf Burg Forchtenstein nach Budapest verschleppt wurden. Gibt‘s ein Happy End?
Wir haben in den meisten Verfahren gute bis sehr gute Urteile erwirkt. Wir sind zu 80 Prozent mit unseren Anliegen durchgedrungen. Wir hoffen, 2024 Gespräche mit ungarischen Regierungsvertretern beginnen zu können. Die Schätze sollen in Ungarn bleiben, aber für Öffentlichkeit und Forschung zugänglich gemacht und für Ausstellungen verliehen werden.
Bewahrung und Bewirtschaftung der Besitztümer und Kulturgüter ist Zweck der Stiftungen, operativer Arm sind die Esterhazy Betriebe. Im Vorjahr ist der Umsatz auf 67 Millionen Euro gestiegen, heuer werden 89 Mio. erwartet. Hilft Diversifizierung in Zeiten der Krise?
Das ist sicher einer der wichtigsten Faktoren. Wir haben fünf Unternehmensbereiche von der Fleischverarbeitung bis zu Freizeitimmobilien und können vorübergehende Schwächen in einem Bereich durch gutes Arbeiten anderswo wettmachen. Heuer gibt es einen Rückgang bei Lebensmittelpreisen und Holz, dafür hat der Tourismus unglaublich eingesetzt.
Also genug Geld für die Erhaltung des Erbes?
Wir haben sehr viel saniert und seit Bestehen der Stiftungen fast 225 Millionen Euro investiert. Unser Stiftungsauftrag ist auch, die historischen Stätten fürs Publikum attraktiv zu bespielen. Daher die hochwertigen Angebote im Eisenstädter Schloss, die Oper im Steinbruch St. Margarethen, Ausstellungen in Lackenbach. Manchmal erreicht man eine schwarze Null, manchmal nicht. Längerfristig wollen wir mit den meisten Aktivitäten eine schwarze Null erreichen.
Ein Riesenprojekt scheint selbst Esterhazy zu groß, die Gesamtsanierung des Schlosses in Eisenstadt samt Schlossquartier. Vor gut 15 Jahren haben sich Esterhazy und Land darob zerstritten ...
Einen Teil haben wir selbst verwirklicht, etwa die Stallungen auf einen hohen Stand gebracht. Auch ein Hotel haben wir gebaut, das Galántha wird gut angenommen. Und im Schloss wird laufend saniert. Aber natürlich steht die Gesamtsanierung an. Dass wir im 21. Jahrhundert im prächtigsten Gebäude der Stadt keine Lifte haben und nicht behindertengerecht sind, ist ein bissl wenig. Mit Land und Bund gab es in den letzten Monaten Gespräche. Im ersten Halbjahr 2024 werden wir der Politik die Gesamtsanierung vorstellen und darüber reden, was das Kind kosten kann.
Vor rund eineinhalb Jahrzehnten waren wir bei 60 bis 80 Millionen, jetzt sind wir grob geschätzt bei 100 bis 110 Millionen Euro. Alles wurde teurer, Anforderungen höher. Sanierungen historischer Palais in Wien haben alle so viel gekostet, das Schloss ist aber ein paar Hundert Jahre älter. Die Kosten sollten zwischen Bund, Land und Esterhazy gedrittelt werden. Wir haben in den letzten 15 Jahren schon einen Teil unserer Leistung erbracht.
Das Land zieht mit? Es braucht für eigene Projekte auch nicht wenig Geld.
Bisher hat niemand abgewunken. Es braucht drei Jahre Planung, fünf bis sieben Jahre für die Umsetzung. Wir reden also von bis zu zehn Jahren, dafür sind das relativ bekömmliche Summen.
Was halten Sie von der Wirtschaftspolitik Doskozils mit viel Staat und wenig Privat?
Es ist nicht unsere Aufgabe, die Wirtschaftspolitik des Landes zu kommentieren. Man macht sich natürlich so seine Gedanken, wie jeder Bürger. Für uns ist wichtig, dass wir offene Kanäle haben. Das Land kontaktiert uns, wenn wir wo helfen können und vice versa.
Gibt es regelmäßig Kontakt mit Doskozil?
Zwei oder drei Mal im Jahr setzen wir uns mit einer Themenliste zusammen und schauen, wo die Dinge stehen.
Im Zuge der Umwandlung der Esterhazy Betriebe von einer GmbH in eine AG sind Sie vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsrat gewechselt. Ein Machtverlust?
Das muss nicht sein, in einer gut aufgesetzten AG hat der Aufsichtsratschef eine wesentliche Rolle. Wichtige Entscheidungen werden ohnehin im Team getroffen.
Dient die AG auch als Brandmauer gegen Begehrlichkeiten der Fürstenfamilie, weil der AG-Vorstand nur aufs Wohl der Firma achtet?
Nicht wirklich, diese Begehrlichkeiten sind alle gerichtlich erledigt. Natürlich kann ein Irrer kommen, der behauptet, mit x oder y verwandt zu sein, aber davor haben wir keine Angst.
Sie werden nächstes Jahr 70, wie lange möchten Sie noch bleiben?
Ich glaube, es wird auch von den Kolleginnen und Kollegen gewünscht, dass ich noch ein paar Jährchen dabei bleibe.
Und danach?
Ich habe einen Rattenschwanz an Hobbys, die ich vernachlässigt habe, Bergwandern oder Golfen. Und ich würde gerne das eine oder andere Buch schreiben. Es wird aber keine Abrechnung mit Politikern oder ich weiß nicht wem. Nachtreten ist nichts Schönes.
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