Benzos in der Schule: Welche Drogen Burgenlands Jugend konsumiert
Hat die burgenländische Jugend ein Drogenproblem? SOS-Kinderdorfleiter Marek Zeliska hat zu dieser Frage vielleicht den besten Überblick im Land. Er sagt: "Drogen waren immer ein Thema und werden immer ein Thema sein. Aber was konsumiert wird, das verändert sich."
Zeliska berichtet, dass junge Menschen im Burgenland sehr offen mit ihrem Drogenkonsum umgehen.
Ein SOS-Kinderdorfmitarbeiter erkundigte sich kürzlich im Rahmen eines Vortrages an einer Schule in Pinkafeld nach dem "Stoff", der gerade im Umlauf ist. Von den Jugendlichen erhielt er erstaunlich detaillierte Antworten.
So steht Cannabis nach wie vor an der Spitze der Beliebtheitsskala, aber synthetische Drogen wie MDMA (Ecstasy) und Methamphetamin sind auf dem Vormarsch.
Besonders interessant: Die Schülerinnen und Schüler konnten nicht nur benennen, welche Drogen konsumiert werden - sie kannten auch die gängigen Straßenpreise. Ein Gramm Cannabis kostet demnach durchschnittlich zwölf Euro, eine Ecstasy-Tablette ebenso viel.
Die steigende Beliebtheit von Benzodiazepinen - verschreibungspflichtigen Beruhigungsmittel, von Jugendlichen meist "Benzos" genannt - erklärt sich zum Teil durch den niedrigen Preis: Eine "Benzo"-Tablette ist beim Dealer schon ab zwei Euro zu haben.
"Klassische" harte Drogen wie Kokain oder Heroin sind hingegen teuer (ca. 80 Euro pro Gramm) und laut den Pinkafelder Schülern derzeit weniger verbreitet.
Wichtig ist Marek Zeliska zu betonen: "Wir sind nicht die Polizei." Es gehe nicht darum, den Jugendlichen ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern ihnen Unterstützung anzubieten.
Erfolge mit Streetwork
Gelingen kann das zum Beispiel mit Streetwork. Hier habe SOS-Kinderdorf positive Erfahrungen in Oberwart und Pinkafeld gemacht, erzählt Zeliska. Er sagt aber auch: "Im Burgenland werden wir nicht überall Streetwork machen können. Es muss ein guter Mix verschiedener Methoden sein."
Wichtig ist dem Kinderdorfleiter: "Die Jugendlichen brauchen Räume für sich. Denn wenn es nichts für sie gibt, dann versammeln sie sich am Bahnhof oder am Supermarkt-Parkplatz." Gemeinden könnten hier beim Aufbau von Jugendräumen unterstützt werden, überlegt Zeliska: "Da haben wir das Know-how, um Themen zu liefern."
Gewalt in der Familie
Know-how etwa auch zum Thema Gewalt: Auch wenn es im Burgenland keine Bandenkriege zwischen verfeindeten Jugendgruppen gibt, so ist Gewalt trotzdem auch hierzulande ein Problem. Sie findet nur häufiger in den eigenen vier Wänden als auf der Straße statt – wobei laut Zeliska während der Pandemie ein starker Anstieg der innerfamiliären Gewalt zu bemerken war.
Überhaupt seien die sozialen Nachwirkungen von Covid-19 noch immer spürbar, schildert Zeliska: "Sehr viele Jugendliche haben sich seit Corona zurückgezogen. Manche sind bis heute im Lockdown geblieben, sie verlassen ihr Zimmer kaum noch und sind zu Schulverweigerern geworden."
Toxisches TikTok
Eine weitere Problemquelle ortet SOS-Kinderdorf beim sozialen Netzwerk TikTok – die App gilt als Quelle von gefährlichen Mutproben und Ort sexueller Belästigung bis hin zur Radikalisierung. Hier stehen Eltern als Kompetenzvermittler in der Pflicht, sagt Petra Katzenschläger, pädagogische Leiterin des SOS-Kinderdorfs: "Sie sollten ihre Kinder begleiten, wenn sie auf schockierende Inhalte oder unangenehme Begegnungen treffen."
"Rat auf Draht" hat sich als Indikator dafür bewährt, welche Themen Jugendliche derzeit besonders beschäftigen. Besorgniserregend dabei: Die Beratungen zu psychischen Problemen haben sich österreichweit im Vorjahr im Vergleich zu 2022 verdoppelt.
SOS-Kinderdorf hat anlässlich des internationalen Tages der Jugend 2024 (12. August) eine neue Petition für mehr Mitbestimmung von jungen Menschen gestartet. Das Motto lautet: "Mitgestalten statt Klappe halten".
Da sich laut Umfragen immer weniger junge Menschen von der Politik verstanden und vertreten fühlen, plädiert SOS-Kinderdorf für mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Aktuelle Zahlen des SORA-Demokratiemonitors zeigen, dass sich nur noch 35 Prozent der jungen Menschen in Österreich vom Parlament gut vertreten sehen.
In der Beschreibung der Petition heißt es: "Die Gesundheitskrise von Kindern und Jugendlichen zeigt sich in aktuellen Beratungszahlen des Kinder- und Jugendnotrufs Rat auf Draht: Über 10.000 Beratungen wurden im vergangenen Jahr zu den Themen Gesundheit und psychische Belastungen geführt."
Die Petition kann unter sos-kinderdorf.at/petition unterzeichnet werden. Das Ziel sind 10.000 Unterschriften
Woche für Woche geht es bei durchschnittlich 25 "Rat auf Draht"-Kontakten (per Telefon oder Chat) um Suizid.
Keine Jugendpsychiatrie-Station
Für Jugendliche mit weit fortgeschrittenen Problemen bleibt als letzter Ausweg oft nur der Aufenthalt in einer stationären psychiatrischen Einrichtung. Daran mangelt es im Burgenland nach wie vor, was Marek Zeliska immer wieder kritisiert.
In den Ausbauplänen für das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Eisenstadt ist zwar ein neuer Bauteil für Psychiatrie vorgesehen, der auch stationäre Behandlungsmöglichkeiten speziell für Jugendliche und junge Erwachsene bieten soll; dieser soll aber erst ab 2026 gebaut werden, die Fertigstellung ist für 2034 geplant. Das nütze denen, die jetzt Hilfe brauchen, wenig, mahnt Zeliska: "Da muss man Druck machen."
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