Commerzialbank: Der Tag, an dem Martin Pucher alles zu viel wurde
Am Morgen des 15. Juli 2020 trieb es den Sparern der Commerzialbank Mattersburg (CM) zuerst die Schweißtropfen auf die Stirn, dann Zornesröte und Sorgenfalten. Denn über die Nacht war die Bank von Martin Pucher nach Selbstanzeige von ihm und seiner Assistentin Franziska Klikovits von der Finanzmarktaufsicht (FMA) am 14. Juli um 23.43 Uhr gesperrt worden. Aus den Bankomaten kam kein Geld mehr, die Filialen blieben geschlossen.
Zu diesem Zeitpunkt lag das wahre Ausmaß der drittgrößten Pleite in der Geschichte der Republik noch im Verborgenen.
Bis zur Aufarbeitung durch die Justiz könnte es nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte dauern, hat doch auch der Abschluss der Pleite der Riegerbank im Jahr 1998 23 Jahre gedauert.
Die ersten Fälschungen
1992 soll Pucher als Bankmitarbeiter die ersten Saldenbestätigungen gefälscht haben, wie er bei Befragungen angab. 1995 löste er mehrere Banken aus dem Raiffeisen-Sektor und gründete die Commerzialbank Mattersburg
Der Anfang vom Ende
Bereits rund um das Jahr 2000, in diesem Jahr stieg der SV Mattersburg in die Bundesliga auf, soll die Bank eigentlich pleite gewesen sein. Laut Schätzungen von Pucher soll rund die Hälfte der Schadenssumme in den Betrieb der Bank, bis zu zwölf Prozent in den SV Mattersburg und der Rest in fiktive Kreditgeschäfte geflossen sein, von denen auch einige Betriebe in der Region profitierten
826 Millionen Euro Forderungen
sind offen, die Bank selbst ist mit 705,5 Millionen Euro überschuldet. Fast 690 Millionen existierten nur auf dem Papier. 156 Millionen wurden seit 2010 aus der Bank getragen, 57 davon zum SV Mattersburg, so die Schätzungen
Im Mattersburger Bankskandal geht es um viel mehr. Aktuell fordern im Konkursverfahren rund 400 Gläubiger insgesamt 826 Millionen Euro. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft führt 34 Beschuldigte – 24 Personen und zehn Verbände.
Wohl unbestritten dürfte die Rolle des früheren Bankchefs Martin Pucher sein. Seine rechte Hand Franziska Klikovits gab im ergebnislos zu Ende gegangenen Untersuchungsausschuss auf Landesebene an, dass 50 Prozent der Kredite, 95 bis 98 Prozent der Interbankveranlagungen und zehn Prozent der Kundeneinlagen „Fake“ gewesen seien.
Als anfänglichen Grund für die falsche Darstellung nannte sie das Bilanzbild. Es sei darum gegangen, sich besser darzustellen.
Anzeigen und Klagen
Anzeigen gab es Lauf der vergangenen zwei Jahre einige. Etwa gegen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und FMA-Chef Helmut Ettl wegen Falschaussage im U-Ausschuss. Die Ermittlungen wurden am 13. April dieses Jahres eingestellt. Pucher selbst betonte im U-Ausschuss, dass er Verantwortung übernehmen wolle, und berichtete von Goldgeschenken an mehrere Politiker.
Schlussendlich musste aber nur der damalige Landesrat Christian Illedits (SPÖ) zurücktreten, weil er ein Goldblatt vom SV Mattersburg angenommen hatte.
Auch geklagt wurde viel – gegen den Wirtschaftsprüfer TPA, die Republik und das Land, das als Revisionsverband für die Mehrheitseigentümerin der Bank zuständig war. Das Landesgericht Eisenstadt und das Oberlandesgericht Wien stellten aber bereits fest, dass weder Land noch Bund für die entstandenen Schäden haftbar sind. Weil die Bankenaufsicht laut Verfassungsgerichtshof den Finanzmarkt und nicht die Anleger schützt.
Spielball Verantwortung
Die ehemaligen Mitarbeiter, Aufsichtsräte und Vorstände wollten von Unregelmäßigkeiten nichts mitbekommen haben und gaben sich ahnungslos. „Eine Bilanz zu lesen, ist nicht so einfach, wie man glaubt. Dieser Umstand führte zu dem Dilemma, vor dem wir jetzt stehen“, sagte ein Ex-Aufsichtsrat.
Nationalbank und FMA sprachen von einem „Kriminalfall“ und sahen sich nicht in der Verantwortung. Landeshauptmann Doskozil sah das anders und meinte, dass die Bankenaufsicht „auf Kindergartenniveau versagt“ habe – obwohl es zwei Whistleblower-Meldungen gegeben habe. Wer tatsächlich die Verantwortung trägt, wird sich aber wohl erst vor Gericht klären lassen.
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