Im Alter von 15 Jahren dürfen junge Menschen einiges: Mit dem Moped fahren, bis ein Uhr in der Nacht ohne Begleitperson unterwegs sein oder sich für eine Lehrstelle entscheiden. Letzteres kommt selten genug vor, neben der demografischen Entwicklung mit ein Grund für den Facharbeitermangel.
Umso absurder, dass jungen Menschen, die eine Ausbildung machen wollen, Steine in den Weg gelegt werden. Im konkreten Fall eines 15-jährigen angehenden Lehrlings aus dem Südburgenland sogar unüberwindbar hohe.
Warum einem 15-jährigen Südburgenländer der Traumberuf verboten wurde - per Gesetz
Wie die Arbeitszeit für Jugendliche in der Lehre geregelt ist
Was die Sozialpartner zum aktuellen Fall sagen
Wer ab Herbst an einer Lösung arbeitet
Da läuft was falsch in Österreich. Wenn nämlich ausbildungswilligen jungen Menschen der Zugang zur Wunschausbildung verunmöglicht wird, obwohl die Wirtschaft gerade unter einem akuten Facharbeitermangel leidet. Die Problematik hat sogar schon negative Auswirkungen auf den Umsatz heimischer Unternehmen.
Der aktuelle Fall eines 15-jährigen Burgenländers zeigt nun neuerlich die massiven Schwächen in der geltenden Gesetzeslage auf. Der Traum des jungen Mannes: eine Ausbildung zum Kühl- und Heizungstechniker. Schnell war ein Lehrbetrieb in unmittelbarer Nähe des Elternhauses ins Auge gefasst.
Lehrling überzeugte Betrieb, doch dann kam das Gesetz in die Quere
Der 15-Jährige stellte sich und sein Anliegen noch während der Schulzeit vor und bekam eine Chance, obwohl der Betrieb eigentlich gar keine Lehrlinge ausbildet. Doch nach zwei Schnuppertagen hatte er derart überzeugt, dass dieser Grundsatz im Betrieb über Bord geworfen wurde.
Alles eitel Wonne, sollte man meinen. Aber zu früh gefreut. Denn die darauffolgende vorgeschriebene Betriebsprüfung endete "de facto in einem Ausbildungsverbot", erzählt der Vater des Lehrlings. Grund dafür sind die strengen Bestimmungen des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes.
Lehrlinge dürfen laut Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigtengesetz erst ab 6 Uhr arbeiten. "In mehrschichtigen Betrieben dürfen sie ab 5 Uhr beschäftigt werden, wenn bei späterem Arbeitsbeginn keine zumutbare Möglichkeit zur Erreichung des Betriebes gegeben ist", steht im Gesetz
Die Sozialpartner signalisieren Gesprächsbereitschaft, geltende Bestimmungen könnten angepasst werden. Der Zeitplan ist unklar.
8.106 Lehrstellen waren Ende Juni beim AMS gemeldet, gleichzeitig gab es aber nur 5.060 Lehrstellensuchende.
Darin steht, dass Jugendliche bis 18 Jahren erst ab 6 Uhr in der Früh arbeiten dürfen. Im konkreten Fall sind die Monteure des Betriebs aber bereits ab 5.30 Uhr zu Kunden in Richtung Wien unterwegs – die Anfahrt wird als Teil der Arbeitszeit bezahlt.
"Obwohl wir als Eltern mit dem früheren Beginn einverstanden waren und zur Absicherung des Betriebes sogar eine privatrechtliche Vereinbarung treffen wollten, hätte das nichts genützt. Laut Arbeiterkammer und Arbeitsinspektorat wäre das rechtsunwirksam", sagt der Vater. Hätte man dagegen verstoßen, wären auf den Betrieb empfindliche Strafen zugekommen.
Es geht noch absurder
Damit aber noch nicht genug der Absurditäten. Die Suche nach einem vergleichbaren Ausbildungsplatz war erfolgreich, allerdings in einem weiter entfernten Betrieb. Dort beginnt der Arbeitstag für Lehrlinge erst um 6 Uhr, dafür hätte sich der 15-Jährige bereits um 4.15 Uhr in Richtung Arbeitsplatz auf den Weg machen müssen. Arbeitsrechtlich kein Problem.
Der junge Mann hat sich anders entschieden und den Wunsch nach seinem Traumberuf aufgegeben. Jetzt absolviert er eine Lehre zum Elektrotechniker. Ärger und Unverständnis über die geltenden Bestimmungen sitzen aber tief, erzählt sein Vater: "Da hört man ständig von Facharbeitermangel und scheitert an stur eingehaltenen Bestimmungen, die Ausbeutung von Jugendlichen verhindern soll. Ich frage mich, wo die Ausbeutung gewesen wäre."
Die gute Nachricht: Eine Änderung der Gesetzeslage könnte bevorstehen. Gelegenheit dafür bieten anstehende Verhandlungen der Sozialpartner über eine Vier-Tage-Woche am Bau. "Schutz ist wichtig, aber wir brauchen praxisnahe Regelungen", sagt der im Fall involvierte südburgenländische SPÖ-Nationalrat Christian Drobits. Er habe diesbezüglich bereits das Gespräch mit der Gewerkschaft gesucht. Und auch die sei sich des Problems bewusst.
Auch seitens des ÖVP-nahen Arbeiternehmerbundes ÖAAB werden derzeit "intensive Gespräche" über die Thematik geführt, sagt Generalsekretär Christoph Zarits. Man wolle sich für eine Lösung stark machen.
"Brauchen mehr Flexibilität, vor allem am Land"
Seitens der Arbeiterkammer verweist man auf die geltende Rechtslage. "Bei Minderjährigen kommt das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigtengesetz zur Anwendung", sagt Jeanine Szalay, Lehrlings- und Jugendreferentin bei der Arbeiterkammer Burgenland. Es gebe zwar einzelne Ausnahmen, aber "das Gesetz lässt derzeit leider nichts anderes zu". Freilich werde das Problem bei Tagungen immer wieder debattiert, schlussendlich sei man aber auf den Gesetzgeber angewiesen.
Die Arbeitgeberseite ist mit der derzeit gültigen Gesetzeslage jedenfalls alles andere als zufrieden. "Das Thema bewegt uns schon seit Langem", berichtet Sabine Lehner, Abteilungsleiterin Bildung und Lehre in der Wirtschaftskammer Burgenland von langjährigen Forderungen der Arbeitgeber.
"Es braucht Regelungen, die in der betrieblichen Praxis umsetzbar sind. Das betrifft nicht nur die Arbeitszeiten sondern auch Themen wie das Bedienen von Maschinen oder das Klettern auf Leitern, das häufig nicht von Beginn der Lehrausbildung an erlaubt ist." Sicherheit und Wohl des Lehrlings stünden "selbstverständlich an oberster Stelle", sagt Lehner. "Jedoch können genau diese Anforderungen mit derart restriktiven Bestimmungen nicht erfüllt werden."
Die burgenländische Industriellenvereinigung stößt ins selbe Horn. "Wir brauchen dringend eine Flexibilisierung, vor allem in ländlichen Regionen", sagt Geschäftsführerin Aniko Benkö und verweist auf die zahlreichen offenen Lehrstellen.
Laut aktuellen Berechnungen würden in den kommenden zwölf Jahren österreichweit rund 540.000 Personen gebraucht werden, aktuell gibt es laut Benkö rund 40.000 offene Stellen - nur im Produktionsbereich. "Das ist eine alarmierende Entwicklung. Nicht zuletzt, weil gerade die Industrie die Digitalisierungs- und Energiewende voran treibt."
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