Vor "Ostgipfel": Landeshauptleute bringen sich in Position
Nach den de facto ergebnislosen Bund-Länder-Experten-Beratungen am Montag werden bei einem "Ostgipfel" am heutigen Dienstagabend Maßnahmen gegen die in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland aktuell besonders hohen Corona-Infektionszahlen gesucht. Große Verschärfungen zeichneten sich im Vorfeld der abendlichen Gesprächsrunde aber nicht ab. Ein scharfer regionaler Lockdown ist - trotz teils sehr angespannter Lage in den Spitälern - nicht zu erwarten.
Erwogen werden softe Maßnahmen wie Ausweitung der (Gurgel-)Tests, FFP2-Masken auch für Kindergartenpädagogen und jüngere Schüler oder etwa in Sozialräumen von Unternehmen, eventuell etwas raschere Quarantäne-Reaktionen bei positiven Testergebnissen in Schulen - und Appelle etwa auf bessere Mitwirkung beim Contact Tracing.
Sperre des Handels noch nicht angedacht
Mit einer Sperre des Handels, der Rückkehr zum Distance Learning oder schärferen Kontaktregeln zumindest über Ostern ist nicht zu rechnen - auch wenn im Osten einige Bezirke bei der Sieben-Tages-Inzidenz über der 400er-Marke liegen und die Lage auf den Intensivstationen angespannt ist. Das wurde bereits mit den Aussagen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Landeshauptleuten am Montag nach dem großen Gipfel klar.
Da man sich dort auf so gut wie keine Reaktion auf die "dritte Welle" einigte, hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) für heute Abend ab 19.30 Uhr die Landeshauptleute Johanna Mikl-Leitner (NÖ, ÖVP), Michael Ludwig (Wien, SPÖ) und Hans Peter Doskozil (Burgenland, SPÖ) zum "Ostgipfel" ins Ministerium geladen.
Denn in Wien (7-Tages-Inzidenz am Montag 321,95), Niederösterreich (271,75) und Burgenland (256,08) ist die Lage wegen der starken Ausbreitung der gefährlicheren B.1.1.7-Variante besonders angespannt.
Die Situation in den Spitälern ist vor allem in Wien angespannt. Hier sind aktuell 168 Covid-Patienten auf einer Intensivstation in Behandlung. Das sind sechs Patienten mehr als noch zum Höhepunkt der zweiten Welle im Herbst und noch einmal drei Patienten mehr als am gestrigen Montag.
Regionale Hotspots
In einzelnen Bezirken liegt sie sogar deutlich über der 400er-Schwelle, ab der laut der Hochinzidenz-Verordnung Anschobers für die Ausreise aus Bezirken oder regionalen Hotspots negative Corona-Tests vorgelegt werden müssen.
So wurden auch in den Nebenbezirken des bereits unter Ausreisekontrolle gestellten niederösterreichischen Wiener Neustadt - nämlich in Wiener Neustadt-Land und in Neunkirchen - seit Tagen Inzidenzen über 400 registriert.
Niederösterreichs Gesundheits-Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) hält dennoch nichts von schärferen Einschnitten: "Die beste Maßnahme hilft nichts, wenn wir sie nur am Papier stehen haben", führte sie im Ö1-Morgenjournal die gesunkene Bereitschaft der Bürger an, sich zur Eindämmung der Pandemie zu beschränken.
So setzt man jetzt auf Reden und Zureden: Ein bereits etabliertes "Vorwarnsystem" (ab Inzidenz 300) sehe vor, dass Bezirkshauptmannschaften intensiv mit Bürgermeistern in Austausch gehen und dass die Bürger verstärkt informiert und zum Testen angehalten werden. Und man werde, so Königsberger-Ludwig, positiv Getestete verstärkt bitten, ihre Kontakte bekannt zu geben.
Maßnahmen kommen "mit Sicherheit"
Große Einschnitte erwägt auch Wien nicht. Dass Schulen und Kindergärten derzeit eine große Rolle im Infektionsgeschehen spielen, wird zwar mittlerweile eingeräumt. Aber der Wiener Bürgermeister beispielsweise nichts davon, nach Ostern wieder auf Distance Learning umzustellen. Als eine Möglichkeit nannte er am Montag Quarantäne für die ganze Klasse schon wenn ein Fall auftritt; bisher ist das bei zwei Erkrankten der Fall. Und mit der "Alles gurgelt"-Aktion werden jetzt breitflächig einfach zugängliche PCR-Testungen angeboten.
Für Ludwig ist das Einvernehmen zwischen Wien, NÖ und Burgenland sehr gut, aus diesem Grund wolle er auch nicht vorgreifen. Es sei aber klar, dass "die Ostregion so eng verbunden ist, dass es keine Entscheidung für ein einziges Bundesland geben kann" und auch, dass "wir in der Ostregion mit Sicherheit verschärfendere Maßnahmen setzen und keine Öffnungsschritte".
Zu konkreten Maßnahmen wollte der Bürgermeister aber nichts sagen. Eine Abschottung der Ost-Region ist für Ludwig nicht Zielführend und er glaube auch nicht, dass dies möglich sein wird. "Wir bereiten heute im Lauf des Tages Vorschläge vor, die wir gemeinsam mit dem Gesundheitsminister heute Abend beraten wollen", sagte Ludwig und ergänzt: "Die Letztverantwortung trägt die Bundesregierung."
Argwohn im Wiener Rathaus
Hinter vorgehaltener Hand bewertet man im Wiener Rathaus des Ost-Gipfels am Dienstagabend hingegen mit einem gewissen Argwohn. Vor allem, dass schon die Journalisten zu den Treffen eingeladen wurden, ohne dass noch klar sei, was dabei überhaupt herauskommen werde. Dies alles deute darauf hin, dass es primär um die mediale Inszenierung gehe, unkt man im Rathaus.
Gefordert sieht man vor allem den Gesundheitsminister. Er müsse zeigen, was sich in der von ihm zuletzt so bezeichneten „Toolbox“ befinde, um dem Infektionsgeschehen in den besonders stark betroffenen Regionen Herr zu werden.
Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil erhofft sich vom heutigen Corona-Gipfel der Ostregion mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) eine Diskussion "auf Augenhöhe". Er habe nach den ohne konkrete Ergebnisse beendeten Bund-Länder-Beratungen im Kanzleramt am Montag darauf "insistiert", dass es eine zusätzliche Runde für Ostösterreich gebe, bestätigte Doskozil am Dienstagvormittag auf KURIER-Nachfrage, "weil mir das wichtig ist".
Er könne nicht "bei einem Kaffee locker Maßnahmen zustimmen", obwohl etwa Salzburg auch ähnlich hohe Inzidenzen habe. Dass Anschober dem zugestimmt habe, lobte Doskozil ausdrücklich. Ob es einer Diskussion auf "Augenhöhe" zuträglich sei, wenn er ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz als "Showmaster" und "Florian Silbereisen der Politik" bezeichne - wie vor wenigen Tagen geschehen? Politische Diskussionen müssten zulässig sein, meinte Doskozil.
"Vielleicht gelingt heute Abend ein Kompromiss", sagte Burgenlands Landeshauptmann. Ein solcher könnte darin bestehen, dass man "Schulsport ermöglicht" oder in "dem einen oder anderen Hotel" teste, wie eine Öffnung organisiert werden könne.
Ehe die Bundesländer mit dem Gesundheitsministerium über die nächsten Schritte beraten, hat NÖ Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) unmissverständlich festgestellt: "Der heimische Handel muss offen bleiben." Es sei das Anliegen, "die Pandemie und ihre negativen Auswirkungen nach bestem Wissen und Gewissen gemeinsam zu bekämpfen", fügte Mikl-Leitner auf APA-Anfrage hinzu.
Für zusätzliche Maßnahmen ist die niederösterreichische Landeshauptfrau offen, "wenn sie der Sache dienen". Was den Handel angeht, hielt sie fest, dass jetzt schon FFP2-Masken getragen werden müssten. "Zusätzliche Einschränkungen bringen uns in der Pandemie-Bekämpfung nicht weiter, weil dort (im Handel, Anm.) praktisch keine Weiterverbreitung stattfindet. Das hilft nur den ausländischen Onlinekonzernen bei der Umsatzsteigerung."
Das Einvernehmen zwischen Bund und Ländern sei gut, sagte Mikl-Leitner weiter. Es gebe teils unterschiedliche Zugänge, so wie es auch unterschiedliche Expertenmeinungen gebe. Was die gemeinsame Bekämpfung der Pandemie angehe, könne man den heutigen zusätzlichen Gesprächstermin gut nützen.
Anschober hielte - wie er nach dem großen Gipfel erkennen ließ - ein entschiedeneres Vorgehen gegen den Zufluss auf die Intensivstationen für durchaus geboten. Aber als Gesundheitsminister stehe man manchmal "allein auf weiter Flur", ließ er in der ZiB2 wissen.
Er hofft, mit einer "Toolbox" Länder oder Regionen, die besonders betroffen sind, zum Handeln zu bewegen. Was er in den Verhandlungen mit den drei Landeshauptleuten erreichte, dürfte in einem Pressestatement spät am Dienstagabend bekannt gegeben werden.