Schnitzel, Bier und Sushi: Reportage aus Österreichs Lokalen
Von Kevin Kada Theresa Bittermann Wolfgang Atzenhofer Barbara Beer Christoph Schwarz Stefanie Rachbauer Marlene Penz Katharina Zach Nikolaus Tuschar Matthias Nagl Roland Pittner Bernhard Ichner Konstantin Auer Johannes Weichhart
Eine gute Melange zum Frühstück oder ein Schnitzel zu Mittag - fast zehn Wochen konnten die Österreicherinnen und Österreicher sich nicht in ihren Lieblingslokalen treffen. Seit heute 6 Uhr darf die Gastronomie, unter strengen Auflagen, wieder geöffnet haben.
Der KURIER ist vor Ort und berichtet aus den zahlreichen Kaffeehäusern und Restaurants. Und vor allem geht es darum, was die Österreicher davon halten, beispielsweise endlich wieder zusammen ihren Kaffee trinken zu können.
Auch wenn es gleich beim Eingang zur Lugner City auf einem Plakat heißt: " Gemma Essen", von einem Ansturm auf die Lokale kann keine Rede sein. Nur einzelne Tische sind in den Cafes und Restaurants besetzt. Chen Yipin ist der Chef des Running Sushi Lokals Okiru. Ja, auch das ist nun wieder erlaubt.
Ein paar Fans haben zum Mittagessen sogar reserviert. Normalerweise ist er am Freitag voll, jetzt seien mehr Mitarbeiter als Kunden da. Yipin vermutet, dass die Menschen jetzt zu wenig Geld haben, um Essen zu gehen. Viele hätten aber auch Angst.
Besonders wenn es um Selbstbedienung geht - doch er versichert, dass das Restaurant mit den Speisen auf den bunten, kleinen Tellern unter den bekannten Plastikhauben "absolut sauber" sei. Nach jedem Kunden wird desinfiziert, die Speisekarte erhält man aufs Handy, wenn man einen QR-Code scannt.
Erst wenn die Stadt den Gastro-Gutschein ausgeschickt hat, werden wieder mehr Menschen kommen, ist Yipin zuversichtlich. Bis dahin müsse er aber eine "schwere Zeit" überbrücken.
Während er erzählt, weist eine Mitarbeiterin vier Personen ein. "Endlich kommt das asiatische Essen nicht mehr aus dem Karton", sagt einer von ihnen. Das Förderband ist gut besetzt, die Gefahr, dass das Lieblingsstück weggeschnappt wird, ist bei so wenigen Gästen ja gering.
"Die Lugner City lebt davon"
Dann kam aber doch hoher Besuch: Richard Lugner selbst erstattet dem Sushi-Lokal einen Besuch ab. Er freut sich, dass das Lokal wieder offen hat. Sushi isst er gern, am liebsten mit Lachs.
Generell sei es gut, dass die Gastro wieder offen habe: "Die Lugner City lebt davon", meint er. Auch wenn es am Anfang schleppend gehen wird und auch im Shushi-Lokal nur eine Bahn geöffnet ist, meint auch Lugner, dass sich das erst herumsprechen müsse, dass die Lokale wieder offen haben.
Der Wurstelplatz vor dem Schweizerhaus im Wiener Prater gleicht einer Hochsicherheitszone. Wo sonst Fans des frisch gezapften Budweisers und der knusprigen Stelze offene Pforten vorfinden, stehen am Freitagvormittag Security-Mitarbeiter. Ohne Reservierung ist bei ihnen Endstation. Das gilt auch für Journalisten.
Der Begeisterung der Stammgäste tut das aber kaum Abbruch.
Nicht einmal der strömende Regen kann ihnen die Vorfreude aufs erste Krügerl der Saison verwässern. Diszipliniert stehen die ersten Gäste mit Mund-Nasen-Maske vor dem Eingang Schlange, zum Teil wird über Mindestabstände diskutiert.
Dass es anders als bei üblichen Schweizerhaus-Saisonstarts keine Livebands gibt, wird schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Das Wichtigste ist, dass das Schweizerhaus wieder offen hat.
Zu den Premierengästen gehören auch Wolfgang Kaltenbrunner, Ernst Kernreiter und Rudolf Kutlach - die traditionell zu jeder Saisoneröffnung kommen.
Mit ihrem ersten Krügerl am Freitagvormittag wollen sie "ein Zeichen setzen“ - auch gegen die ihrer Meinung nach „überzogenen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung“.
Zudem gelte es, die Gastronomie zu stärken. Darum geht es am Nachmittag nach dem Schweizerhaus weiter zum Heurigen.
Passend zur Saison: Spargel zu Mittag
Spargelcremesuppe und Spargel Hollandaise stehen zur Wiedereröffnung auf der Speisekarte des Hotels zur Post in St. Valentin. Aber auch Fisch und viele Fleischvariationen werden von Chefkoch Neven und Hotelchef Franz Rogl serviert.
Etliche Stammtischrunden haben für Mittag reserviert. "Am Abend sind wir heute ausgebucht. Ein Motorradklub hat unter anderem fünf Vierer-Tische reserviert", berichtet Rogl. Nachsatz: "Gut, dass es wieder los geht".
Stammgäste warten auf das erste Bier
Die ersten Wieselburger stehen schon auf dem Tisch der treuen Stammkunden. "Am ersten Tag stehen wir auf der Matte und trinken dir das Lokal leer" - so munterten die Freunde Wirtin Sevda Babyigit, besser bekannt als Susi, in den letzten zwei Wochen auf.
Gesagt, getan: Pünktlich um 10 Uhr waren sie im Bierzeit am Praterstern. Reserviert wurde sozusagen spontan, aber Susi rechnete sowieso mit ihnen.
"Hilfe nur groß angekündigt"
"Die Gäste sind der einzige Lichtblick", sagt die Wirtin, denn Freud und Leid sind an diesem Tag eng beisammen. Zwei Angestellte mussten entlassen werden, der Umsatz von zwei Monaten fehlt, die Miete musste trotzdem bezahlt werden und die Unterstützung vom Staat - sie ist noch nicht vollständig angekommen. "Die haben das im Fernsehen nur groß angekündigt, wir Kleinen zahlen aber drauf", sagt Susi.
Sie weiß nicht, ob sie das Lokal, "ihr Kind" wie sie sagt, offen halten kann. Vor allem eine zweite Welle würde sie nicht überstehen. Außerdem könne man weniger Gäste bedienen, da die Bar nicht besetzt werden darf. "Diese Logik versteht auch keiner", meint Susi. Sie sieht keinen Unterschied, ob jemand am Tisch oder an der Budel sitzt.
Wenigstens kann im Beisl aber wieder Schmäh geführt werden. Das hilft. "Wir werden heute bis zum Schluss bleiben und morgen wieder um 10 dastehen", sagt ein Stammkunde, während er das zweite Bier bestellt.
Er ist sich aber noch nicht sicher, ob er das noch kann. Zuhause hätte er in den letzten zwei Monaten schließlich nicht getrunken. Damit scheint er im Lokal aber der einzige zu sein.
Eine tatsächliche Eröffnung gibt es an diesem wichtigen Gastro-Freitag ebenfalls. Im 11. Stock des Haus des Meeres eröffnet heute das "Ocean Sky"-Restaurant.
Abgesperrt ist aktuell nur noch der Eingang des Lokals: Wer einen Platz möchte, muss hinter einer dicken roten Kordel warten. Das sehr zuvorkommende Servicepersonal bringt die Gäste dann an den Platz.
Kurz vor Mittag befinden sich mehr Kellner als Gäste im Lokal. Aufgestellt sind ausschließlich 2er- und 4er-Tische. Statt insgesamt 240 Plätzen sind aktuell nur 150 verfügbar.
Die 360-Grad-Panorama-Terrasse ist leer – wohl auch wegen des schlechten Wetters. Dennoch ist Hans Köppen, Geschäftsführer des Haus des Meeres, zufrieden: „Obwohl wir noch keine Stammkunden haben, sind schon Reservierungen eingegangen. Vor allem für abends.“
Vielfältige Karte
Auf der Karte stehen Pulled-Beef-Burger mit Süßkartoffelpommes (15 Euro), Kirchererbsencurry (9,80 Euro) und Kalbsschnitzerl (21 Euro). Zum Frühstück werden Pita mit Rührei und Babyspinat (11 Euro), Schinken-Käse-Omlett (8 Euro) und fluffiger French Toast mit frischen Früchten (9,50 Euro) serviert. Künftig werde man mittags auch einen Tagesteller anbieten, sagt Köppen.
Die Fahrt mit dem neuen Panorama-Aufzug, der die Gäste direkt ins Lokal bringt, ist derzeit übrigens gratis. Sobald sich der Betrieb eingespielt hat, werden 9 Euro verrechnet (außer, man hat ein Ticket für den Meeres-Zoo in den Etagen unter dem Lokal gelöst). Wer im Restaurant konsumiert, bekommt die Summe gutgeschrieben.
Vorbei ist die „Sperrstund“ auch im Restaurant „Roter Hahn“ in St. Pölten. Es wird wieder Bier gezapft, in der Küche brutzeln die Schnitzeln. „Ich mache derzeit alles“, sagt Chef Christian Widgruber. Denn er kocht nicht nur, sondern liefert auch weiterhin Essen aus.
Auch der Drive-Schalter, der in der Corona-Krise eröffnet wurde, soll weiterhin bestehen. „Man muss schauen, wie sich die kommenden Wochen entwickeln“, sagt er.
Viele Kunden seien noch unsicher, die Sicherheitsvorkehrungen werden im „Roten Hahn“ aber groß geschrieben. „Ich hole mir jetzt einen Gutschein, schließlich muss man die Wirte jetzt unterstützen“, sagt eine Frau, die bei der Rezeption steht.
Die kommenden Wochen und Monate - sie werden entscheidend für das Überleben vieler Wirte sein.
In den Wiener Neustädter Lokalen ist die Erleichterung über die Öffnung deutlich zu spüren. „Ich war am Tag davor fast so unruhig wie damals, als wir das Lokal eröffnet haben“, erklärt Ernestine Dietl in ihrem „Einhorn“.
Das wichtigste sei, jetzt wieder geöffnet zu haben. Über die Frequenz selbst zu urteilen, sei am ersten Tag noch etwas zu früh. Sie wolle abwarten, wie sich die nächsten Tage und Wochen entwickeln.
Auf das Abstandhalten verweist man hier durchaus humorvoll „'Moch Meter', haben wir früher mit 'verschwinde' assoziiert. Heute bedeutet es einen Punkt auf der Notwendigkeitsliste für Gastronomen", liest man hier bereits an der Eingangstür.
Für Gast Manfred Hilmar war es jedenfalls ein Genuss, gleich am ersten Tag der Wieder-Öffnung in einem seiner Lieblingslokal zu Mittag essen zu können.
Darauf habe er bereits gewartet, in den nächsten Tagen will er auch seine weiteren Stammlokale aufuschen.
Stammgäste nutzen die Öffnung
Ein ähnliches Bild im „Pro Tisch“. Das kleine Lokal in der Innenstadt ist ein beliebter Treffpunkt für die Mittagspause oder das Feierabendbier – vor allem die Stammgäste nutzten am Freitag diese Chance.
Hier stieß man Mittags mit einem Achterl darauf an, sich wieder treffen zu können. Geschäftsführer Wolfgang Friedrich zur aktuellen Situation: „Es ist anstrengend, aber wir werden das schaffen“.