Johannes Dürr: "Alleine wäre ich untergegangen"

Johannes Dürr
Einblicke und Ausblicke des Langläufers, dessen Dopingsperre am Freitag endet.

Johannes Dürr ist gut aufgelegt. Und das liegt nicht an der Pasta Fagioli, die er während des Gesprächs verdrückt, und auch nicht nur daran, dass am Freitag seine Dopingsperre abläuft. Vor zwei Jahren wurde der Langläufer während der Winterspiele in Sotschi positiv auf EPO getestet. Nach einer turbulenten Zeit hat der 28-Jährige sein Leben wieder im Griff. Dürr hat beim Zoll einen Job gefunden, der ihm neue Perspektiven eröffnet – und er hat immer noch große Freude am Langlaufen.

KURIER: Herr Dürr, wie geht’s Ihnen aktuell?

Johannes Dürr: Das war damals ein einschneidendes Erlebnis, die Auswirkungen spüre ich noch bis heute. Aber ich kann jetzt sagen, dass sich in dieser Zeit mein Leben grundlegend verändert hat.

Zum Negativen?

Johannes Dürr: "Alleine wäre ich untergegangen"
Johannes Dürr, honorarfrei
Mein Leben hat sich durchaus auf eine gute Art und Weise geändert und in eine positive Richtung entwickelt. Ich habe wieder Anschluss gefunden, ich habe einen Job beim Zoll, der mich glücklich macht und mich herausfordert. Und ich kann weiterhin langlaufen, dieser Sport war immer schon meine große Leidenschaft und wird es auch immer bleiben.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie wieder Fuß gefasst haben?

Damals in Sotschi ist von einem Moment auf den anderen meine Welt zusammengebrochen. Das, wofür ich immer gelebt habe, was ich am liebsten gemacht habe, das habe ich auf einmal nicht mehr machen dürfen. Die ersten Wochen waren der blanke Horror. Zum Glück hatte ich da eine wahnsinnige Unterstützung von meiner Familie und meinen Freunden. Alleine wäre ich untergegangen.

Wie hat die Familie reagiert?

Ich habe mit ihnen viel darüber gesprochen, alles erklärt. Mir ist klar, dass es nicht selbstverständlich ist, dass sie so hinter mir stehen. Die Familie ist mit angepatzt worden, obwohl sie nichts dafür kann. Das hat mir leidgetan.

Viele Dopingsünder streiten am Anfang alles ab. Sie haben sich sofort dazu bekannt. Wieso?

Weil mir klar war: Die Scheiße habe ich gemacht, das muss ich jetzt ausbaden, ich stehe dazu. Was hätte es gebracht, wenn ich mich in der Situation versteckt hätte oder untergetaucht wäre?

War das der schlimmste Moment für Sie?

Nein, am meisten Angst hatte ich vor den Anrufen bei meiner Familie. Ich habe gewusst: Ich muss meiner Mama und meiner Frau Bescheid sagen. Ich wollte nicht, dass die das aus den Medien erfahren. Sagen zu müssen, ,Mama, ich werde heute nicht starten. Ich werde wahrscheinlich nie mehr starten. Ich bin positiv getestet worden‘, das war irrsinnig schwer, aber ganz wichtig.

Können Sie erklären, warum Sie zu EPO gegriffen haben?

Da hat viel reingespielt. Ich war die Saison vorher bereits recht gut, aber ohne dass sich das finanziell niedergeschlagen hätte. Jeder Langläufer weiß: Um Geld zu verdienen, muss man weiter vorne sein. Dann war Olympia vor der Tür, ich hatte geheiratet und ein Kind daheim. Als Familienvater habe ich mir in der Situation selbst einen enormen Druck gemacht.

Inwiefern?

Ich hab mir gedacht: Du bist jetzt Vater, bist Ehemann, du musst für deine Familie sorgen. Dazu war ich aber nicht wirklich in der Lage. Auf der einen Seite habe ich Freiräume eingefordert, damit ich trainieren und dem Sport nachkommen kann. Auf der anderen Seite bringe ich aber kein Geld heim und muss zur Familie sagen: ,Das können wir uns nicht leisten.‘ Die ganze Situation hat mich überfordert: Deshalb habe ich mir wohl gedacht: Das ist jetzt die Chance, greif zu.

Hatten Sie denn das Gefühl, dass Sie durch EPO schneller, leistungsfähiger geworden wären?

Rein physisch hatte ich keine Auswirkungen gespürt, ich hatte im Training genauso gute und schlechte Tage wie früher. Aber es hat sich in den Ergebnislisten niedergeschlagen, da war ich weiter vorne. Ob da wirklich ein Zusammenhang war, lässt sich nur schwer eruieren. Für mich hat es sich damals so dargestellt, daher habe ich auch weitergemacht. Das war ein Fehler. Heute bin ich mir sicher, dass es so auch geht.

Sie standen vor dem Nichts. Hatten Sie Existenzängste?

Ich hatte keinen Job, hatte das ganze Preisgeld zurückgezahlt, dazu die Strafen und Anwaltskosten – ich hatte keine Ahnung, wie ich das finanziell bewältigen soll. Als das mit dem Zoll konkret wurde, ist eine Riesenlast von mir gefallen. Ich habe Sicherheit für die Familie, einen schönen Beruf mit tollen Kollegen. Einen Beruf, der es mir zudem ermöglicht, meiner Leidenschaft nachzugehen: dem Langlauf.

Welche Rolle spielt das Langlaufen heute in Ihrem Leben?

Dieser Sport gibt mir immer noch extrem viel und löst besondere Emotionen aus. Daher bin ich auch so froh darüber, dass ich jetzt beides unter einen Hut bringen kann. Ich steh’ in der Früh um vier auf und trainiere, dann gehe ich schon als ganz anderer Mensch ins Büro. Danach trainiere ich wieder.

Welche Ambitionen haben Sie?

Der Weltcup ist für mich kein Thema mehr. Ich möchte bei Volksläufen starten und trainiere dafür auch gezielt. Ich will da nicht nur zur Gaudi dabei sein. Wo das hinführt, wie weit ich komme, das weiß ich nicht. Offen gesagt habe ich auch ein wenig Angst vor dem ersten Rennen.

Haben Sie Angst, dass Sie kritisch beäugt werden?

Ich betreibe das Langlaufen in erster Linie für mich. Wenn mich jemand anspricht, erkläre ich ihm gerne alles. Ich habe aus den Fehlern gelernt, habe auch zwei Jahre dafür gebüßt und war für alle das Arschloch. Sie können mir glauben: Diese zwei Jahre waren keine Gaudi.

Der ÖSV hat Sie rausgeworfen. Haben Sie noch Kontakt?

Mit den Ex-Kollegen gibt’s einen sehr freundschaftlichen Kontakt, der Austausch mit dem Verband ist professionell. Ich habe mich per Brief für mein Verhalten entschuldigt. Es gibt Gespräche, es geht um eine ÖSV-Lizenz, die Voraussetzung ist, um bei Volksläufen vordere Startnummern zu kriegen. Aber meine Ambitionen gehen nicht mehr in Richtung Weltcup oder ÖSV-Kader.

Kommentare