Islam-Landkarte für Österreich könnte rechtliche Folgen haben
Die am Donnerstag als neue Maßnahme im Kampf gegen den „politischen Islam“ präsentierte Islam-Landkarte ist eigentlich ein alter Hut. Bereits 2012 initiierte Religionspädagoge Ednan Aslan das Projekt. Neu sind neun Jahre danach nur die zuständige Ministerin Susanne Raab (ÖVP) und die pompöse Präsentation. Die enthaltenen Daten sind dagegen zum Teil veraltet.
So sind zum Teil etwa Vereine aufgelistet, die es seit Jahren nicht mehr gibt. Als Vereinssitze werden Privatadressen genannt.
Etwa im Fall von Gernot Galib Stanfel, der Obmann des „Forum Islam & Kunst“ war – bis der Verein vor zwei Jahren ruhend gestellt wurde. Auf der aktuellen Islam-Landkarte scheint er trotzdem auf – und zwar an Stanfels Privatadresse in Pressbaum (NÖ). Der Lehrer und Musiktherapeut erwägt deshalb rechtliche Schritte.
Muslimische Jugend beauftragt Anwältin
Die hätte auch Sabrina Fuchs aus Wien in Betracht gezogen. Sie ist Koordinatorin des „Islamischen Beratungsnetzwerks Jugend und Familie“ (IBJF), das Therapeuten und Sozialberater vermittelt. Der gleichnamige Verein existiere schon seit 2016 nicht mehr, sagt sie. Zu ihrer großen Verwunderung fand er sich trotzdem auf der Landkarte. Allerdings nur bis Freitag. Nachdem Fuchs der Dokustelle rechtliche Schritte in Aussicht stellte, wurde der Eintrag gelöscht.
Auf der Karte findet sich auch die Privatadresse von Adis Serifovic von der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ), der sich deshalb um die Sicherheit seiner Familie sorgt. Im Auftrag der MJÖ prüft nun Rechtsanwältin Maria Windhager rechtliche Schritte. Sie ortet Probleme mit dem Datenschutz sowie mit der Kontextualisierung.
„Lebendes Projekt“
Der Wiener SPÖ-Abgeordnete Omar Al-Rawi kritisierte am Freitagnachmittag auf Twitter noch, dass die Privatadresse seiner Schwester in der Landkarte aufscheine – obwohl diese als Obfrau eines muslimischen Frauenvereins schon 2019 ausgeschieden und der Verein überdies übersiedelt sei. Aber auch dieser Eintrag ist mittlerweile verschwunden.
Und laut Hakan Gördü, Obmann der Wiener Kleinpartei SÖZ, bereiten auch große Moscheeverbände wie etwa die Türkische Föderation Klagen wegen Verstößen gegen den Datenschutz sowie aufgrund von Falschinformationen vor.
Von der Dokustelle heißt es dazu auf KURIER-Anfrage: „Aufgrund der sich stetig verändernden und erweiternden Vereinslandschaft ist die Islamlandkarte ein lebendes Projekt, welches fortwährend aktualisiert wird.“
"Mit Islamisten in einen Topf geworfen"
Unter Muslimen sorgt die Karte aber auch wegen des Kontextes für Empörung. Man werde unter Generalverdacht gestellt und mit Islamisten in einen Topf geworfen, lautet die Kritik. Zudem bemängelt Ümit Vural, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, dass man „zu keinem Zeitpunkt eingebunden“ gewesen sei.
In dieselbe Kerbe schlägt die grüne Nationalratsabgeordnete Faika El-Nagashi. „Grüne Regierungsmitglieder oder Abgeordnete waren weder eingebunden, noch darüber im Vorfeld informiert“, twitterte die Politikerin mit ungarisch-ägyptischen Wurzeln.
Dieses Projekt sei das "Gegenteil davon, wie Integrationspolitik und Dialog auf Augenhöhe aussehen sollten. Muslimische Einrichtungen werden vorweg mit islamistischen vermischt, medial wird von Hunderten Organisationen auf staatlicher „Watchlist„ gesprochen“, schreibt El-Nagashi und unterstellt der Regierung durch diese Liste „massive Stigmatisierung der muslimischen Communities“.
Rektor untersagt Verwendung des Uni-Logos
Eine Grenze überschritten sieht auch die bosnischstämmige Journalistin und Autorin Melisa Erkurt. “Zu was, außer zu Übergriffen auf Muslim*innen, kann es führen, wenn die Namen und Adressen aller muslimischen Vereine für alle Menschen online einsehbar sind? Was soll das Argument der „Transparenz" bedeuten?“, fragt sich die Wiener Publizistin.
Auf Twitter macht sie auf den erst vergangene Woche veröffentlichten Report über antimuslimischen Rassismus und Islamfeindlichkeit aufmerksam. Diesem zufolge sind die Übergriffe auf Muslime um ein Drittel gestiegen. Sie befänden sich damit auf einem alarmierenden Höchststand.
Keine Freude mit der Landkarte hat übrigens auch der Rektor der Universität Wien, Heinz W. Engl. Er distanziert sich davon, dass auf der Startseite pauschal zur Meldung von Informationen zu Vereinen und Moscheen aufgerufen wird – und untersagt die Verwendung des Logos der Universität.
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