"Demokratisierung der muslimischen Gesellschaften ist gescheitert"

"Demokratisierung der muslimischen Gesellschaften ist gescheitert"
Islamwissenschaftler Ednan Aslan über die Chancen der neuen Dokumentationsstelle Politischer Islam und die Umwidmung der Hagia Sophia.

KURIER: Herr Professor Aslan, seit kurzem gibt es in Österreich eine „Dokumentationsstelle Politischer Islam“: Was ist der „politische Islam“ eigentlich?

Ednan Aslan: Diese Debatte ist sehr interessant. Diejenigen, die diese Dokumentationsstelle kritisieren, sind jene, die den politischen Islam erfunden haben. Das macht diese Leute natürlich nicht sehr glaubwürdig. Der Begriff ist seit den zwanziger Jahren bekannt in der islamischen Community. Wenn sie die Publikationen von Millî Görüş, der Muslimbruderschaft und weitere muslimischen Organisationen ansehen, dann finden Sie dort den politischen Islam sehr ausführlich beschrieben. Es ist auch nicht selten, dass einige klassisch-islamische Fakultäten den politischen Islam als Unterrichtsfach anbieten. Das ist deren Produkt. Es gibt unterschiedliche Ausprägungen des politischen Islam, aber der Kern ist, dass man verpflichtet ist, einen islamischen Staat auf dieser Erde zu etablieren. Das ist das Endziel. Zwischen IS, Taliban, Al Kaida und Vertretern des politischen Islam in Europa gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie man dieses Ziel erreicht – durch Gewalt, oder durch Instrumentalisierung der demokratischen Institutionen. In der Zielsetzung aber gibt es zwischen IS und politischem Islam keinen großen Unterschied.

Ist nicht der Islam per se politisch – im Unterschied zu anderen Religionen, die eine klare Abgrenzung zwischen den Sphären der Religion und der Politik kennen?

Seit dem Tode Mohammeds wird das breit diskutiert in der islamischen Welt: Was ist die Stellung der Politik im Islam? Ich glaube, man kann Religion nie ganz von Politik trennen. Jede Religion trägt bestimmte gesellschaftliche, moralische Vorstellungen in sich, die auch „politisch“ sind.

Aber gibt es da Unterschiede zwischen den Religionen – oder ist das überall gleich?

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