Holmes und Salia retten Leben. Der achtjährige Rüde und die vierjährige Weimaraner Hündin sind Suchhunde. Ihre Nasen machen es ihnen möglich, selbst mitten in einer riesigen Menschenansammlung Vermisste zu entdecken. Den Hunden werden sogenannte Geruchsgegenstände unter die Nase gehalten, etwa ein Halstuch eines Gesuchten. Und los geht’s. Einmal gelang es Holmes sogar, jemanden auf dem Donauinselfest ausfindig zu machen. Der Geruchssinn der beiden ist erstaunlich. Vielleicht sogar noch erstaunlicher als bisher bekannt war.
Universitätsstudie
Karina Kalks, die Besitzerin und Trainerin der braun-grauen Tiere, kämpft seit einem Jahr dafür, dass Erkenntnisse aus einem Experiment, das sie mit ihren Hunden durchgeführt hat, weiter wissenschaftlich untersucht werden. Die Ergebnisse kann sie sich nämlich trotz mehrerer Versuchsreihen nicht erklären. Die Hunde haben DNA erschnüffelt.
Der Ausgangspunkt für Kalks’ Experiment: Eine Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2018. „Es konnte weltweit erstmalig nachgewiesen werden, dass auch isolierte DNA aus Blut als Schlüsselreiz für die Aufnahme einer Geruchsspur durch Hunde geeignet ist“, erklärten die Deutschen Forscher.
Kalks glaubte das zunächst nicht, „weil DNA keine Gerüche annehmen kann“. Sie wollte die Leipziger Studie widerlegen.
Das Experiment
Kalks leitet den Verein Maintrail Academy Austria. Sie bildet Hunde und Führer zu Such-Teams aus. Die vier- und zweibeinigen Mitglieder der MAA waren die Testpersonen und -tiere des Experiments.
An dem Versuch nahmen sechs Hunde teil, die alle den Status eines Einsatz-Hundes haben. Die Hundeführer wussten nicht, wo sich die „verschwundene“ Person befand. Jedem Hund wurde eine DNA-Probe vorgehalten. Die DNA war in einem Labor extrahiert worden. So wurde sichergestellt, dass es sich wirklich um reine DNA handelt, die keine Geruchspartikel enthält. Die Suchstrecken – genannt Trails – wurden per App und Video dokumentiert. „Alle Hunde haben die Person aufgrund der DNA-Probe gefunden“, sagt Kalks.
Der Begriff „Mantrailing“ kommt aus dem Englischen und setzt sich aus den Worten „Man“ wie Mensch und „Trail“ wie Pfad zusammen. Jeder Mensch hat einen individuellen Geruch. Hunde sind in der Lage, diesen Geruch zu identifizieren und zu verfolgen. Mithilfe eines Gegenstandes, der eindeutig mit dem Geruch der zu suchenden Person behaftet ist, kann der Mantrailer aus den unzähligen Gerüchen der Umgebung die richtige Spur herausfiltern und die Spur der vermissten Person ausfindig machen.
Der Mantrailer arbeitet auf jedem Untergrund: Wald, Wiese oder auch Beton. Der Hundeführer hat die Aufgabe, den Hund „zu lesen“ und Signale, die ein Hund während der Suche zeigt, wie feinste Änderungen in der Körperhaltung oder Bewegungen des Kopfes, zu sehen und entsprechend zu reagieren.
Die Mantrail Academy Austria (MAA) bildet Hunde und Führer aus. Wer die Arbeit der MAA unterstützen möchte, kann dies unter folgender Kontonummer tun: Raiffeisenbank Mödling, IBAN AT78 3225 0000 0073 6181, BIC RLNWATWWGTD,
Kontoinhaber: Mantrail Academy Austria
Die Streckenlängen waren beim ersten Versuch zwischen 300 und 500 Meter lang, die Fährte an die acht Stunden alt. „Weil wir uns das nicht erklären konnten, haben wir einen erneuten Versuch gestartet, der etwas schwieriger war“, erzählt die Hundetrainerin. Diesmal gab es zwei Aufgaben.
Bei der ersten mussten die Hundeführer eine Strecke von etwa 600 Meter mit einer 17 Stunden alten Fährte absolvieren. Bei der zweiten Aufgabe mussten sich die Hundeführer zwischen zwei Sackerl mit Geruchsproben entscheiden – eine enthielt ausschließlich neutrale Flüssigkeit ohne DNA, die zweite eine Probe mit DNA. Auch diese beiden Aufgaben waren doppelblind zu erfüllen. Das heißt, die Führer wussten nicht, wo sich die Person befindet.
Von zehn „Aufträgen“ konnten die Hunde neun positiv absolvieren. Drei der sechs Hunde hatten keine Probleme, die Spur bis zum Ende zu verfolgen, aber doch Schwierigkeiten, die versteckte Person zu identifizieren und anzuzeigen. „Das Suchverhalten der Hunde war aber signifikant sicherer als mit üblichen Geruchsgegenständen“, erklärt Kalks.
Eineiige Zwillinge
Erstaunlich ist laut der Trainerin auch, dass die Hunde sogar eineiige Zwillinge voneinander unterscheiden konnten, obwohl ihre DNA fast identisch ist.
Kalks hatte nach den Versuchen den aus den Medien als „Dr. Made“ bekannten deutschen Kriminalbiologen Mark Beneke kontaktiert und mit ihm über die Ergebnisse gesprochen. Auch er habe keine logische Erklärung gehabt. „Wir werden natürlich weiter mit Geruchsgegenständen nach Vermissten suchen, aber die Ergebnisse werfen viele neue Fragen auf, die man wissenschaftlich untersuchen sollte“, sagt Kalks.
Der Niederösterreicherin ist bewusst, dass die Ergebnisse der Universitätsstudie von viele Experten kritisiert wurden, weil DNA eben keine Duftstoffe annehmen kann. „Aber auch wenn es nicht die DNA ist, die die Hunde riechen, sondern irgendwelche anderen Stoffe, muss weiter geforscht werden“, sagt Kalks. So könnten sich neue Einsatzmöglichkeiten, etwa in der Kriminologie, ergeben.
Hunde können so manches besser als Menschen – das macht sie zu hervorragenden Mitarbeitern in heiklen Situationen. Entsprechend oft erweisen die Tiere Einsatzkräften auf der Suche nach Leichen, Kriminellen, Sprengstoff, Waffen oder schlicht zum Schutz ihren Dienst.
Hastig schnüffelnd, die Schnauze tief in Koffern oder Taschen vergraben: So kennt man Drogensuchhunde bei der Arbeit, etwa auf Flughäfen oder an Grenzübergängen. Kokain, LSD, Heroin oder Cannabis stöbern die trainierten Spürnasen mühelos auf; Verbrechern sind sie ein Dorn im Auge. Auf Kolumbiens fähigsten Drogenspürhund wurde etwa von einem Drogenkartell ein Kopfgeld ausgesetzt.
Werden Menschen von einer Lawine verschüttet, zählt jede Sekunde. Lawinenhunde können Verschüttete unter meterhohen Schneemassen wittern. Auch bei anderen Unglücken, wie Erdbeben, retten sie Leben.
Droht keine unmittelbare Lebensgefahr, können Hunde hilfreich warnen. Schimmelspürhunde lokalisieren versteckten Schimmel, Diabetikerhunde riechen den Blutzuckerspiegel ihres Besitzers – sogar Krebszellen sollen sie zuverlässig erschnuppern können.
Für Blinde, Gehörlose, motorisch beeinträchtigte oder psychisch kranke Personen sowie Menschen mit Autismus ist der Alltag oft nicht leicht zu bewältigen. Hunde sind verlässliche Partner, steigern das Wohlbefinden und ermöglichen soziale Teilhabe.
Tiere gegen Prüfungsangst: So lautet das Motto an der britischen Middlesex University. Dort stehen Hunde Studierenden, die unter extremem Prüfungsstress oder Angstzuständen leiden, zur Seite.
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