Aus Liebe zum Tier: Warum wir Hund und Katze verwöhnen

Bei knapp der Hälfte der Halter darf der Vierbeiner ins Bett.
Wohlstand und Wissenschaft machen es zunehmend schwieriger, Hund und Katze nicht zu vermenschlichen.

Große Augen, treuer Blick, weiches Fell: So ein Kuscheltier erobert die Herzen im Sturm – und liegt auch schon im gemachten Nest. Knapp die Hälfte der Österreicher hat nichts dagegen, das Bett mit Hund und Katze zu teilen.

Genau 49 Prozent von 500 Haustierbesitzern geben in einer aktuellen Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Integral an, dass ihr vierbeiniger Liebling in die Federn darf. Für 47 Prozent der Befragten ist das nächtliche Nase-an-Schnauze dagegen ein absolutes No-Go. Die restlichen vier Prozent lassen sich zumindest in Ausnahmefällen erweichen, ein Stück Decke an den haarigen Gefährten abzutreten.

Besitzer bestimmen

„Für Haustiere sind eigene Schlafplätze gleichwertig mit dem Bett. Es ist nur eine Frage der Gewohnheit“, sagt KURIER-Tiercoach Katharina Reitl. Natürlich fänden es die meisten Hunde und Katzen im Bett toll, für sie sei es aber auch kein Drama, nicht hinein zu dürfen. Die Besitzer entscheiden über Körbchen oder Matratze; so wie sie auch in allen anderen Lebenslagen über ihre Schützlinge bestimmen.

Und die Halter meinen es gut. Sie machen Bello und Mieze alias Burli und Mädi zu Familienmitgliedern und verwöhnen sie kostspielig. Tierliebe ist ein evolutionäres Vermächtnis, jetzt kommt hierzulande der Wohlstand dazu. Außerdem machen es neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft zunehmend schwieriger, die Vierbeiner nicht zu vermenschlichen.

Vermächtnis

„Jedes soziale Lebewesen sucht den Kontakt zu einem anderen. Ein Haustier kann die Rolle eines Sozialpartners übernehmen“, sagt die Ethikerin Judith Benz-Schwarzburg vom Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni Wien. Biophilie liegt in der Natur des Menschen, sie hat ihm schon immer beim Überleben geholfen. Wer auf die Tiere der Umgebung achtete, war bei der Jagd erfolgreicher und konnte Gefahren wie Naturkatastrophen eher vorhersehen.

Das evolutionäre Erbe wirkt bis heute nach. Domestizierte Wölfe und gezähmte Wildkatzen leben seit Jahrtausenden an der Seite des Menschen, in seiner Mitte. Und die emotionale Bindung nimmt weiter zu. In einer Vergleichsstudie der Marktforschungsgesellschaft Spectra aus den Jahren 2012 und 2017 stimmten zuletzt 88 Prozent der befragten Österreicher der Aussage zu: „Das Haustier bereichert mein Leben“. 90 Prozent sahen in ihm einen guten Freund, 74 Prozent ein Familienmitglied.

Innige Bindung

„Zwischen Mensch und Haustier kann eine sehr innige, wertvolle Beziehung entstehen“, sagt die Klinische und Gesundheitspsychologin Regina Brasse und hebt zwei Gründe für die Affenliebe hervor: „Haustiere sind für den Besitzer immer präsent, greifbar.“ Und: „Wenn sie gut sozialisiert sind, nehmen sie jeden, ob alt oder jung, schön oder schirch, gesund oder beeinträchtigt, vorbehaltlos an.“ Da kommen schnell Gefühle auf – und Botenstoffe ins Spiel. Fellfreunde sorgen dafür, dass der menschliche Körper verstärkt das Bindungs- und Kuschelhormon Oxytocin ausschüttet.

 

Aus Liebe zum Tier: Warum wir Hund und Katze verwöhnen

 

Subjekt Tier

Stimmt die Chemie, werden Hund und Hamster, Katze und Kaninchen zur Herzensangelegenheit. Neue Erkenntnisse aus der Forschung schalten den Verstand dazu. „In der Verhaltensbiologie werden bei Tieren zunehmend Fähigkeiten entdeckt, die Jahrhunderte lang nur dem Menschen zugeschrieben wurden“, weiß Benz-Schwarzburg. Verschiedene Tierarten unterstützen einander, manche verfügen über eine eigene Kultur, die einen können Emotionen zeigen, die anderen sind zu Moral fähig. „Tiere besitzen komplexe Fähigkeiten und Persönlichkeit. Nicht alles, was wir ihnen zuschreiben, ist falsch“, nimmt Benz-Schwarzburg Vermenschlichungskritikern den Wind aus den Segeln. Tiere daheim haben viele Gemeinsamkeiten mit dem Tier Mensch. Kein Wunder, dass Halter das Beste für ihre anhänglichen Begleiter wollen.

Artgerecht verwöhnen

„Tiere kann man nicht zu viel verwöhnen, wenn man ihren natürlichen Bedürfnissen gerecht wird“, sagt Psychologin Brasse. Apropos: 68 Prozent der von Spectra befragten Österreicher halten nach speziellen Leckerlis Ausschau, 41 Prozent machen ihrem Vierbeiner zu besonderen Anlässen Geschenke.

Problematisch

„Problematisch wird die Beziehung, wenn wir das Haustier in etwas umformen, was es gar nicht ist. Besitzer neigen dazu, Haustiere in ihr Leben einzupassen“, kritisiert Benz-Schwarzburg. Aus falsch verstandener Tierliebe, aus mangelndem Wissen über artgemäße Haltung. Die Ethikerin schließt: „Es geht nicht um die Vermenschlichung von Haustieren, sondern um ihre Anerkennung als Subjekt; mit einem Recht auf Leben, Freiheit und Unversehrtheit.“

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