Wer war Ötzi wirklich? Was neueste DNA-Analysen über den Eismann verraten

5.300 Jahre im Eis überdauert, 1991 gefunden: Heute liegt Ötzi im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen.
Forschende des Max-Planck-Instituts haben die DNA der Gletschermumie mit modernsten Methoden seziert. Die Ergebnisse rücken Ötzi in ein neues Licht.

Wer war Ötzi? Seit die Gletschermumie 1991 in den Ötztaler Alpen entdeckt wurde, interessiert das die ganze Welt. Um mehr über den Eismann zu erfahren, hat die Forschung in der Vergangenheit bereits mehrfach Blicke in das Erbgut des sensationell gut konservierten Leichnams geworfen.

Am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie hat man das Genom der Gletschermumie kürzlich erneut beäugt. Dank modernster, verfeinerter Verfahren zu Genanalysen konnte man Erstaunliches über die Herkunft des Homo tyrolensis ans Licht bringen.

Ötzi war einer von uns

Um die neuen Erkenntnisse einordnen zu können, muss man wissen: Der moderne Europäer ist genetisch ein Potpourri. Heißt: Das Erbgut der allermeisten Bewohner Europas ist ein Mix aus dem genetischen Material dreier Ahnengruppen. So schlossen sich Jäger und Sammler aus Westeuropa nach und nach mit frühen anatolischen Bauern (heute wird der gesamte asiatische Teil der Türkei, etwa 97 Prozent der Landesfläche, als Anatolien bezeichnet) zusammen, die vor rund 8.000 Jahren einwanderten. Zu ihnen gesellten sich etwa 3.000 Jahre später Steppenhirten aus Osteuropa.

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Die ersten Analysen des Ötzi-Genoms vor über zehn Jahren konnten genetische Spuren dieser Steppenhirten in seiner DNA nachweisen. Allerdings: Die neuesten Erkenntnisse des Max-Planck-Instituts, die im renommierten Fachblatt Cell Genomics veröffentlicht wurden, sprechen eine andere Sprache. Demnach hat Ötzis Genom wohl deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit dem der frühen anatolischen Bauern.

Wer war Ötzi wirklich? Was neueste DNA-Analysen über den Eismann verraten

Ötzi-Fund 1991 am Tisenjoch in den Ötztaler Alpen. Bild von Südtiroler Archäologiemuseum bereitgestellt.                                

Proben neu ausgewertet

Doch warum deuteten ursprüngliche Untersuchungen in eine andere Richtung? Die Originalproben seien wohl mit moderner DNA kontaminiert gewesen, heißt es vonseiten der Forschenden. Mit präzisesten Technologien sei es in jüngster Vergangenheit nach und nach gelungen, anhand von Skelettfunden viele weitere Genome prähistorischer Europäer vollständig zu entschlüsseln. So wurde es möglich, Ötzis genetischen Code mit dem seiner Zeitgenossen zu vergleichen.

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Was sich dabei offenbarte, hat selbst die Ötzi-Kenner vom Max-Planck-Institut verblüfft: "Wir waren sehr überrascht, in der jüngsten Analyse des Eismann-Genoms keine Spuren osteuropäischer Steppenhirten zu finden", wird Johannes Krause, Leiter der Abteilung Archäogenetik und Mitautor der Studie, in einer Aussendung zitiert. Auch der Anteil der westeuropäischen Jäger-Sammler-Gene in Ötzis Erbgut sei sehr gering. "Genetisch scheinen seine Vorfahren direkt aus Anatolien eingereist zu sein, ohne sich mit Jäger-Sammler-Gruppen zu vermischen", so Krause.

Dunkler Hauttyp, kaum Haare

Die Forschungen enthüllen noch mehr: Ötzis Hauttyp, bereits in  ersten Genomanalysen (der KURIER berichtete) als mediterran-europäisch eingestuft, war dunkler als bisher angenommen. "Es ist der dunkelste Hautton, der bei heutigen europäischen Individuen aufgezeichnet wurde", erklärt Anthropologe Albert Zink, der ebenfalls an der Studie mitwirkte und das Institut für Mumienforschung in Bozen leitet.

Bisher war man davon ausgegangen, dass sich die Haut der Mumie während seiner Konservierung im Eis verdunkelt hatte. "Aber vermutlich handelt es sich bei dem, was wir jetzt sehen, größtenteils um Ötzis ursprüngliche Hautfarbe", erläutert Zink. Das stehe im "krassen Gegensatz zu bisherigen Rekonstruktionen, die einen hellhäutigen, helläugigen und ziemlich behaarten Mann zeigen", präzisiert Krause.

Auch in puncto Haupthaar ist unser bisheriges Bild von Ötzi also falsch: Als erwachsener Mann – Ötzi wurde rund 50 Jahre alt, steinalt für damalige Verhältnisse – hatte er keine langen, dichten Haare mehr auf dem Kopf, sondern höchstens einen spärlichen Haarkranz. Die Veranlagung zur Kahlheit sei zweifelsfrei aus seinen Genen ablesbar: "Das ist ein relativ eindeutiges Ergebnis und könnte auch erklären, warum bei der Mumie fast keine Haare gefunden wurden", sagt Zink.

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Gene für Fettleibigkeit und Diabetes wurden ebenfalls im Genom gefunden. Wegen seiner gesunden Ernährung – er aß großteils vegetarisch, Früchte, Beeren, Getreide und etwas Wild – dürften sie aber nicht zum Tragen gekommen sein.

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