Weniger Sitzenbleiber im Coronajahr und die Lehren daraus
Den obersten Gewerkschafter der AHS-Lehrer wundert das Ergebnis wenig: Herbert Weiß hatte damit gerechnet, dass im ersten Corona-Jahr weitaus weniger Schülerinnen und Schüler die Klasse wiederholen müssen als in den Vorjahren.
Und genau so ist es auch gekommen, wie die Zahlen der Statistik Austria zeigen, die am Donnerstag veröffentlicht wurden (siehe Grafik unten): In den Oberstufen durften nur halb so viele Schülerinnen und Schüler nicht in die nächste Stufe übertreten als in den Jahren zuvor.
Weiß sieht sich damit in seiner Kritik von damals bestätigt: „Wir hatten uns gegen Erleichterungen ausgesprochen. Es schien uns ein falsches Signal, das an die Schülerinnen und Schüler ausgesendet wurde.“
Leichters aufsteigen
Verantwortlich für die niedrigere Durchfallquote waren erleichterte Sitzenbleib-Regelungen. So durfte man im Schuljahr 2019/20 mit einem Fünfer automatisch aufsteigen – normalerweise ist hierfür die Zustimmung der Klassenkonferenz nötig. Zudem durfte man mit zwei oder mehr „Nicht Genügend“ ohne Nachzipf in die nächste Klasse, wenn die Konferenz zustimmte. Ergebnis: Statt acht bis zehn Prozent durften nur fünf Prozent der AHS-Oberschüler nicht aufsteigen. Im Klartext: Bisher durften im Schnitt zwei bis drei Schüler pro Klasse nicht aufsteigen, weil sie auch den Nachzipf nicht geschafft haben, im Coronajahr war es nur einer – so präzisiert Harald Gumpoldsberger von der Statistik Austria auf KURIER-Nachfrage.
Weiß zeigt aber auch Verständnis für die Entscheidungen der Politik im ersten Coronajahr: „Damals konnte man nicht ahnen, dass diese Generation noch am wenigsten von Corona betroffen sein wird, weil sie nur ein paar Wochen zu Hause lernen mussten.
Für die Bundesschülervertreterin Susanna Öllinger ist es kein Problem, dass die Noten im ersten Coronajahr besser ausgefallen sind: „Das war absehbar und aber vor allem auch notwendig, weil die Leistung auf eine andere Art und Weise erbracht wurde, als wir es in den Vorjahren gewohnt waren. Wir mussten zum Beispiel viel mehr selbstständig lernen und uns organisieren als frühere Generationen.“
Ähnlich sieht das Mati Randow, Schülersprecher der AHS Rahlgasse in Wien. Und in bezug auf die Matura findet er, „dass die Ergebnisse zeigen, dass die Regierung damals angemessen reagiert hat. Die Prüfungen waren ja nicht so einfach, wovon sich jeder ein Bild machen kann – die Aufgaben sind ja online abrufbar. Der damalige Kurs war richtig, der heutige ist falsch.“
Hohes Niveau sichern
Susanna Öhlinger wünscht sich hingegen, dass „wir auf lange Frist wieder zu den ursprünglichen Leistungsbeurteilungen zurückkommen, um einen Schulabschluss auf hohem Niveau sicherstellen zu können.“
Doch das wird gar nicht so einfach sein: „Es sind viele Lücken aufgerissen, die viele noch lange mitschleppen werden“, stellt Herbert Weiß fest. Zudem habe das lange Distance-Learning Auswirkungen auf das Lernen: „Wir stellen fest, dass viele ein Problem mit der Disziplin, der Konzentration und der Arbeitshaltung haben. Das Lernen zu Hause erleichterte das Abtauchen doch sehr.“
Trotz aller Krisen: „Corona hat im Schulsystem einiges viel schneller nach vorne gebracht, als das vorher denkbar gewesen wäre“, stellt Lehrervertreter Weiß fest: „Es gab einen enormen Digitalisierungsschub.“
Gleichzeitig habe sich gezeigt, dass Lernen eben nicht ausschließlich digital funktionieren kann, sondern dass die Beziehungen entscheidend für den Lernerfolg sind – die Beziehung zwischen Lehrperson und den Schülerinnen und Schülern gleichermaßen wie die zwischen den Kindern und Jugendlichen selbst. „Persönliche Kontakte bleiben das Wichtigste. Digitale Medien sind nur ein weiteres Werkzeug, das Lehrpersonen zur Verfügung steht“, konstatiert Herbert Weiß.
Die Schülervertreter ziehen ihre eigenen Lehre aus den Pandemiejahren: „Wir als Bundesschülervertretung fordern, dass die Jahresnote auch langfristig in die Maturanote einbezogen werden soll“, fordert Öhlinger.
Übrigens: Die besseren Noten hatten Folgen für die Wirtschaft und die Universitäten: Während Betriebe beklagen, dass sie zu wenige Lehrlinge finden, da es weniger Schulabbrecher gibt, verzeichneten die Universitäten einen Zuwachs – und das, nachdem es in den Vorjahren weniger Studierende gab.
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