Die Niederlande stiegen in einer Krise auf, weil bereits Strukturen vorhanden waren, die es ihnen erlaubten, flexibler zu reagieren. Sie haben während der mittelalterlichen Warmzeit (einer klimatisch günstigen Zeit zwischen 950 und 1250) mithilfe von Deichen Land trockengelegt. „Gleichzeitig haben sie aber immer mit der Bedrohung durch das Meer gelebt und ein System der Katastrophenvorbeugung entwickelt“, erzählt der Historiker. Alle halfen zusammen, um die Deiche in Schuss zu halten, was den sozialen Zusammenhalt stärkte.
Als das Klima sich Richtung unfreundlich wandelte und die Wale sich immer weiter in den Ozean hinaus zurückzogen, konnten nur die Niederländer der Beute aufgrund ihrer fortschrittlichen nautischen Kenntnisse folgen und die Walfang-Industrie so am Laufen halten. Der Historiker:
Lange galt: Wenn das Klima schlechter wird, gehen Reiche zugrunde. Wenn es trocken und stabil ist, blühen sie auf, die Bevölkerungszahlen steigen. Genauere Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Auswirkungen von Klimaveränderungen in der Vergangenheit selten so unmittelbare und eindeutige gesellschaftliche Folgen hatten. „Alles ist viel komplexer“, sagt Preiser-Kapeller. Was sich beobachten lässt: Oft brechen, wenn die klimatischen Bedingungen schwieriger werden, komplexe staatliche Gebilde zusammen, und Gemeinschaften, die weniger anspruchsvoll sind, profitieren.
Supermacht in der Krise
So geschehen zu Beginn der spätantiken Kleinen Eiszeit im 6. Jahrhundert n. Chr.: „Die damalige Supermacht im Mittelmeerraum geriet in eine Krise – auf Missernten folgten Pest-Epidemien. Das Oströmische Reich war nicht mehr in der Lage, die Donaugrenze zu verteidigen. Das nutzten slawische Gruppen. Einfach organisiert, brachten sie eine neue Landwirtschaft mit, die es ihnen erlaubte, Böden zu bearbeiten, die weniger ertragreich waren.“
Ihre Gesellschaft war weit weniger auf eine hocheffiziente industrielle Landwirtschaft angewiesen, wie sie auf den römischen Latifundien mit den Monokulturen betrieben wurde. Keine große Verwaltung und Armee, die mitversorgt werden musste. Die Römer konnten in einer Zeit des Klimawandels nicht schnell genug auf die schlechter werdenden Bedingungen reagieren.
Wie genau Gesellschaften die veränderten Bedingungen zu ihrem Vorteil nutzen oder zumindest Stabilität wahren konnten, das hat ein interdisziplinäres Forschungsteam erst im Vorjahr analysiert. Im Fokus standen dabei die spätantike Kälteperiode im 6. Jahrhundert nach Christus und die eingangs angesprochene Kleine Eiszeit im 13. bis 19. Jahrhundert. Anhand von Fallstudien jener Bevölkerungen, die sich anpassen konnten, identifizierte das Team
fünf Erfolgsstrategien:
- Neue sozioökonomische Möglichkeiten ergreifen,
- robuste Energiesysteme nutzen,
- neue Ressourcen durch Handel generieren,
- politisch effektiv auf natürliche Extremereignisse reagieren oder
- auswandern.
„Diese Erfolgsgeschichten (siehe auch Grafik oben) zeigen, dass ungünstige klimatische Bedingungen nicht zwangsläufig zu Zusammenbruch oder sozialer Not führen müssen“, sagt der Historiker Adam Izdebski vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena, der am Konzept und den Untersuchungen beteiligt war.
„Gut organisierte und einfallsreiche Gesellschaften waren in der Lage, sich anzupassen und die neuen Möglichkeiten zu nutzen.“ Wobei die Forscher zugeben, dass die Anstrengungen heutzutage viel ehrgeiziger sein müssen.
Letztlich komme es also immer darauf an, wie Klimawandel, Missernten und Krankheiten von der Gesellschaft verarbeitet werden. Der entscheidende Punkt:
Die Habsburger gehörten übrigens zu jenen, die von einer Klimakrise profitierten: Sie stiegen, genau wie die Niederländer, am Beginn der Kleinen Eiszeit zur Weltmacht auf.
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