Die Geschichte der Inflation: Teures Leben anno dazumal

"Spielgeld": Kinder stapeln um 1923 das wertlos geworden Papiergeld
Unter dem Titel „Lasset die Preise sprechen!“ listete die Arbeiterzeitung im Mai 1923 die Teuerungsraten auf: Kostete 1914 ein Paar Schuhe 45 Kronen, waren es jetzt 160.000. Eine Straßenbahnfahrt von den äußeren Proletariervierteln in die Stadt stieg von 20 Heller auf 1.700 Kronen – „eine 8.500-fache Erhöhung“, beklagte das Blatt. „Steinkohle erreicht den Rekord mit einer fast 35.000-fachen Steigerung!“
Die Teuerung hatte die junge Republik fest im Griff. Die Bilder von damals – Schubkarren voller wertloser Geldscheine, Männer, die ihre Zigarren mit Kronen anzündeten – sind noch immer im kollektiven Gedächtnis verankert.
Hyperinfaltion
„Damals hatten wir eine Hyperinflation, eine totale Geldentwertung“, sagt Wolfgang Meixner. „Diese Situation ist der Tatsache geschuldet, dass ein riesiges Reich zusammengebrochen ist. Damit war der Großteil der Märkte und der Rohstoffe weg. Dazu kamen Arbeitslosigkeit und Geldentwertung.“
Wobei der Wirtschaftshistoriker weiß: „Inflationen gab es immer, seit es Geldwirtschaft gibt. Denn Inflation bedeutet nichts anderes, als dass das Produkt, das ich kaufe, teurer ist als beim letzten Kauf. Das gab es auch schon im Mittelalter, doch da haben die Kommunen eingegriffen.“ Zum Beispiel, indem ein Höchstpreis für Brot festgelegt wurde. Damals war die Angst vor Hunger und Revolten groß.
„Je nach Zeit variieren die Preistreiber. Heute sind es die Energiekosten“, so Meixner weiter. Einfach weil das Angebot kleiner ist als die Nachfrage. „Das ist knallhart Marktwirtschaft – die Preise steigen.“
Auch in den 1970ern gab es Ausfälle – damals beim Öl. Der Unterschied, laut Meixner: „Heute haben wir keine Stagflation.“
Schreckgespenst
Die Stagflation geisterte damals als Schreckgespenst durch die Köpfe der Menschen und bedeutet, dass Inflation auf fehlendes Wirtschaftswachstum trifft. Ganz anders als heute, sagt der Wirtschaftshistoriker: „Viele Leute wollen ihr Geld investieren, bekommen die Güter aber nicht.“ Ein weiterer Grund, warum wir uns heute nicht vor Hyperinflation fürchten müssen: „Wir haben Arbeitskräftemangel – ganz anders als in den 1970ern oder 1920ern.“
Apropos: Nach der Niederlage von 1918 stand Österreich vor einem schier unbegleichbaren Schuldenberg. Man musste die Staatsschulden der ehemaligen Monarchie übernehmen, Kriegsanleihen, Invaliden-, Witwen- und Waisenrenten bezahlen. Zusätzlich waren da die hohen Reparationszahlungen. Um die immense Last zu bewältigen, warf der Staat erneut die Notenpresse an und steigerte die Geldmenge noch weiter. Die immer größer werdende Menge an Papiergeld war also in einem immer geringeren Maß durch Edelmetall besichert.
Die Folge
Die Kronenwährung verlor im Ausland gegenüber der Zeit vor dem Krieg massiv an Wert. „Oft folgte auf starke Inflationen eine Währungsreform. Notenbanken streichen dann ein paar Nullen, oder man wechselt die Währung“, erklärt der Wirtschaftshistoriker. Erst mit der Zusage einer großen Anleihe des Völkerbunds in Genf konnte Ende August 1922 die Inflationsspirale zum Stillstand gebracht werden. „Das war Hilfe von auswärts. Und Diktat von auswärts.“ 1925 wurde die neue Währung eingeführt. 10.000 Kronen wurden zu einem Schilling – ein hoher Preis.
„Denn die Bedingung war, dass der Staat sich nicht verschulden darf“, erklärt Meixner. „Damit war zwar die Hyperinflation weg, aber das Land kam nicht in die Gänge. Dann kam auch noch erschwerend die Weltwirtschaftskrise dazu.“
Die sozialen und politischen Folgen, die man losgetreten hatte, wurde man die ganze Zwischenkriegszeit über nicht los. Jene Staaten, die damals den Weg in die Hyperinflation gewählt hatten, wurden bald zu Diktaturen.
Kommentare