Hatte sich das Fiakergewerbe um 1900 auf dem Höhepunkt befunden, gerieten die Lohnfuhrwerke durch das Aufkommen neuer Verkehrmittel – elektrische Straßenbahnen, Fahrräder und Automobile – zunehmend unter Druck, weiß der Historiker Sándor Békési. „Ab 1924 hatten Nachrufe auf den Fiaker Hochkonjunktur“, sagt Békési. Selbst die Arbeiterzeitung nahm Abschied: „Der Wiener Fiaker ist ein Kind der Wienerstadt und der ‚guten alten Zeit‘ gewesen.“
Aus der Zeit gefallen
Ähnliches könnte man durchaus auch heute in den Medien lesen, nachdem der grüne Tierschutzminister diese Woche laut über ein Verbot der Pferdekutschen nachgedacht hat. Aus der Zeit gefallen, lautete die Botschaft. Dabei standen die ersten Fiaker und ihre Vorläufer vor gut 300 Jahren für Innovation. Die Wagen hatten Nummern und unterstanden amtlicher Kontrolle. 1846 hörte man hauptsächlich Lobendes über die Fuhrwerker: „Die Wiener Fiaker sind die kühnsten und geschicktesten Kutscher und voll schlagfertigen Humors, echten Mutterwitzes und origineller Ideen.“
„Wiener Typen“ eben, denen das Wien Museum vor einigen Jahren eine Ausstellung widmete: Wäschermädel, Schusterbub, Werkelmann, Lumpensammler, Gigerl oder Pülcher – allesamt verschwunden. Nur der grantige Kellner, die Marktfrau und eben der Fiaker haben überlebt.
In einer Stadt, die damals mit dem Bau der Ringstraße grundlegend umgestaltet wurde, lebten die ikonografischen Typen als eine Art Erinnerung an Alt-Wien weiter.
Mittlerweile hat der Anachronismus auf Rädern dem Benziner mehr als 100 Jahre getrotzt. Auch, weil man sich neu erfunden hat. Békési: „Nachdem ihre Funktion als normales Verkehrsmittel nach dem Ersten Weltkrieg praktisch komplett wegfiel, haben die Fiaker in den 1950ern ihre neue Rolle als Stadtführer für Touristen gefunden.“ Und wer weiß: Vielleicht gibt es ja ein drittes Leben für die Fiaker, wenn der Städtetourismus zurückkehrt.
Kommentare